Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der norddeutsche Tloyd Vordergrund, während die deutsche Auswanderung rasch zurückging. Von 1879 Dieser Aufschwung traf zusammen mit der Begründung der ersten deutschen Grenzboten II 1907 63
Der norddeutsche Tloyd Vordergrund, während die deutsche Auswanderung rasch zurückging. Von 1879 Dieser Aufschwung traf zusammen mit der Begründung der ersten deutschen Grenzboten II 1907 63
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Der norddeutsche Tloyd
Vordergrund, während die deutsche Auswanderung rasch zurückging. Von 1879
bis 1892 stieg die Zahl der Kajütspassagiere von 6375 auf 34161 jährlich.
Dazu wurden seit 1888 besondre Frachtdampfer für Newyork eingestellt.
Dieser Aufschwung traf zusammen mit der Begründung der ersten deutschen
Kolonien 1884 — ein Bremer Reeber A. E. Lüderitz machte den Anfang —
und mit dem endlichen Eintritt Bremens (und Hamburgs) in den Zollverein,
in die nationale Wirtschaftsgemeinschaft unter Wahrung des für ihren Zwischen¬
handel unentbehrlichen Freihafengebiets (am 15. Oktober 1888 nach dem Neichs-
gesetz vom 31. März 1885 für Bremen). Indem beide Städte ihre alte
isolierte Stadtwirtschaft völlig aufgaben, wuchsen sie erst mit ihrem natürlichen
„Hinterkante" recht zusammen. Es entsprach dem, daß sich der Lloyd jetzt
direkt in den Dienst des Reiches stellte. Es galt den wachsenden deutschen
Verkehr mit Ostasien, Australien und Afrika von fremder Vermittlung möglichst
unabhängig zu machen und ihm zugleich größere Regelmäßigkeit zu sichern,
indem das Reich nach dem Vorgange andrer Staaten die Unternehmer finanziell
unterstützte, weil die Rentabilität zunächst unsicher war. Nach hartem Kampfe
nahm der Reichstag die schon am 20. November 1884 vom Reichskanzler ein¬
gebrachte, am 1. Dezember desselben Jahres wiederholte Vorlage über die
Unterstützung von Reichspostdampferlinien nach Ostasien, Australien und Afrika
mit Ausschaltung der afrikanischen Linie (die wäre ja den deutschen Kolonien
zugute gekommen, von denen die kurzsichtige Mehrheit des Parlaments nichts
wissen wollte!) am 29. März 1885 an, und am 4. Juli schloß H. H. Meier
als Vorsitzender des Aufsichtsrats im Namen des Lloyd mit Fürst Bismarck
auf fünfzehn Jahre den Vertrag über eine jährliche Reichsunterstützung von
4400000 Mark, den die Generalversammlung am 20. Juli genehmigte, indem
sie zugleich beschloß, das Grundkapital um 10 Millionen Mark zu vergrößern
und eine Anleihe zu vier Prozent in derselben Höhe aufzunehmen. In der
Tat war nur der Lloyd durch die Zahl und die Tüchtigkeit seiner Schiffe und
Bemannungen imstande, die gestellten Bedingungen: „erstklassige" Beförderung
und „erstklassige" Dampfer zu erfüllen. Verfügte er doch damals über
64 Dampfer mit 106159 Tonnen Raumgehalt und 90645 Pferdekräften; aber
er bedürfte für die neuen Linien (Bremen--China mit Anschlußlinie nach Japan
und Korea, Bremen-Australien mit Anschlußlime nach Samoa und Tonga,
Zweiglinie von Trieft nach Alexandria über Vrindisi) 15 Dampfer von 11'/z
bis 12 Knoten Fahrt, um auf den beiden Hauptlinien einen vierwöchentlichen,
auf der Zweiglinie einen vierzehntäglichen Verkehr durchzuführen, und er mußte
davon sechs neu erbauen, vertragsmäßig nur auf deutschen Werften (dem
Vulkan). Zur Sicherung des Betriebs mußte er in allen Anlcmfhäfen, von
Antwerpen und Southampton bis Yokohama und Melbourne besondre Agenturen
schaffen, die er ausschließlich deutschen Häusern übertrug. Aber alle Schwierig¬
keiten wurden überwunden, am 30. Juni 1886 eröffnete die Oder die ostasiatische,
am 14. Juli der Salier die australische Fahrt. Statt Trieft wurde 1887
Grenzboten II 1907 63
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