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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Koloniale Lisenbahnxolitik

Was das Deutsche Reich von seinen Kolonien erwarten, demnach für sie aus¬
geben kann.

Da ausreichende Verkehrsmittel die allererste Voraussetzung für eine
großangelegte Erschließungstätigkeit sind, so hat der neue Kolonialleiter sein
Hauptaugenmerk auf die Eisenbahnfrage gerichtet und ist sofort daran ge¬
gangen, durch Sammlung des einschlägigen Tatsachenmaterials in der öffent¬
lichen Meinung einem in den Einzelheiten noch festzulegenden Eisenbahnplan
den Boden zu bereiten. Diesem Zweck dient die kürzlich der Öffentlichkeit
übergebne Denkschrift über die Eisenbahnen Afrikas. Die Denkschrift vermeidet
jede unmittelbare Stellungnahme zu deu in ihr besprochnen Eisenbahnprojekten,
sie will lediglich eine gedrängte Darstellung der Grundlagen und Ausgangspunkte
für eine koloniale Eisenbahnpolitik in Afrika geben. Im allgemeinen erfüllt sie
diesen Zweck in ausreichendem Maße, wenn auch einzelne Punkte etwas schärfer
hätten umgrenzt, bestimmte grundlegende Angaben konsequenter nach zum Teil
näherliegendem Material hätten durchgeführt werden können.

Ans der Denkschrift sollen sich die beteiligten Kreise von der künftigen
Ausgestaltung der Verkehrsmittel ein Bild machen und sich über die zunächst
zu bauenden Eisenbahnlinien klar werden. Unsers Erachtens ist am wichtigsten,
daß sich die Kolonialverwaltung selbst darüber so bald wie möglich klar wird,
denn ans dem vorliegenden Material läßt sich leicht ein Urteil bilden, es wäre
dies sogar schon früher möglich gewesen. Die Interessenkreise werden natürlich
die Eisenbahnen, die speziell ihnen nützen, für notwendig erklären, was ihnen
nicht zu verdenken ist. Immerhin ist es dankenswert, daß das wichtigste
Material der breitern Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, doch sollte
dies den Gang der Sache nicht aufhalten.

Die Ergebnisse der Denkschrift sollen, wie ansdrücklich betont wird, nicht
mis Programm aufgefaßt werde". Sie wirken aber unwillkürlich doch als
Programm, wenn auch nicht auf eisenbahnpolitischem Gebiet, denn sie laufen
auf die Erkenntnis hinaus, daß ein groß angelegtes Eisenbahnnetz nur von den
einzelnen Schutzgebieten selbst gebaut und betrieben werden kann, also die
finanzpolitische Selbständigkeit der einzelnen Schutzgebiete voraus¬
setzt, die diesen die Aufnahme eigner Anleihen zum Bau von Bahnen ermöglicht.
Dieser Gedanke ist, wie wir weiter unde" sehen werden, durchaus richtig, da
"uf diese Weise verschiedne Hindernisse, die dem Ban großer Bahnen in den
Kolonie" entgegenstehen, beseitigt werden können.

Ich bekenne mich durchaus zu der Auffassung Demburgs, daß unsre
afrikanischen Kolonien wirtschaftliche Werte in ausreichendem Maße in sich
bergen und eine Erschließung großen Stils rechtfertigen. Es fragt sich nur,
ob sein Weg. der uns erst über die Einführung der Selbstverwaltung in den
Kolonien zum Ziele bringt, nicht die Schaffung der allernvtwendigsten Verkehrs¬
linien verzögert.

Bis jetzt ist in der Denkschrift der Reformgedanke nur hingeworfen worden.
Wir missen nicht, ob er von der Volksvertretung so rasch in zustimmenden
Sinne aufgenommen wird. Bis zur Verwirklichung können noch mancherlei


Koloniale Lisenbahnxolitik

Was das Deutsche Reich von seinen Kolonien erwarten, demnach für sie aus¬
geben kann.

Da ausreichende Verkehrsmittel die allererste Voraussetzung für eine
großangelegte Erschließungstätigkeit sind, so hat der neue Kolonialleiter sein
Hauptaugenmerk auf die Eisenbahnfrage gerichtet und ist sofort daran ge¬
gangen, durch Sammlung des einschlägigen Tatsachenmaterials in der öffent¬
lichen Meinung einem in den Einzelheiten noch festzulegenden Eisenbahnplan
den Boden zu bereiten. Diesem Zweck dient die kürzlich der Öffentlichkeit
übergebne Denkschrift über die Eisenbahnen Afrikas. Die Denkschrift vermeidet
jede unmittelbare Stellungnahme zu deu in ihr besprochnen Eisenbahnprojekten,
sie will lediglich eine gedrängte Darstellung der Grundlagen und Ausgangspunkte
für eine koloniale Eisenbahnpolitik in Afrika geben. Im allgemeinen erfüllt sie
diesen Zweck in ausreichendem Maße, wenn auch einzelne Punkte etwas schärfer
hätten umgrenzt, bestimmte grundlegende Angaben konsequenter nach zum Teil
näherliegendem Material hätten durchgeführt werden können.

Ans der Denkschrift sollen sich die beteiligten Kreise von der künftigen
Ausgestaltung der Verkehrsmittel ein Bild machen und sich über die zunächst
zu bauenden Eisenbahnlinien klar werden. Unsers Erachtens ist am wichtigsten,
daß sich die Kolonialverwaltung selbst darüber so bald wie möglich klar wird,
denn ans dem vorliegenden Material läßt sich leicht ein Urteil bilden, es wäre
dies sogar schon früher möglich gewesen. Die Interessenkreise werden natürlich
die Eisenbahnen, die speziell ihnen nützen, für notwendig erklären, was ihnen
nicht zu verdenken ist. Immerhin ist es dankenswert, daß das wichtigste
Material der breitern Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, doch sollte
dies den Gang der Sache nicht aufhalten.

Die Ergebnisse der Denkschrift sollen, wie ansdrücklich betont wird, nicht
mis Programm aufgefaßt werde». Sie wirken aber unwillkürlich doch als
Programm, wenn auch nicht auf eisenbahnpolitischem Gebiet, denn sie laufen
auf die Erkenntnis hinaus, daß ein groß angelegtes Eisenbahnnetz nur von den
einzelnen Schutzgebieten selbst gebaut und betrieben werden kann, also die
finanzpolitische Selbständigkeit der einzelnen Schutzgebiete voraus¬
setzt, die diesen die Aufnahme eigner Anleihen zum Bau von Bahnen ermöglicht.
Dieser Gedanke ist, wie wir weiter unde« sehen werden, durchaus richtig, da
"uf diese Weise verschiedne Hindernisse, die dem Ban großer Bahnen in den
Kolonie» entgegenstehen, beseitigt werden können.

Ich bekenne mich durchaus zu der Auffassung Demburgs, daß unsre
afrikanischen Kolonien wirtschaftliche Werte in ausreichendem Maße in sich
bergen und eine Erschließung großen Stils rechtfertigen. Es fragt sich nur,
ob sein Weg. der uns erst über die Einführung der Selbstverwaltung in den
Kolonien zum Ziele bringt, nicht die Schaffung der allernvtwendigsten Verkehrs¬
linien verzögert.

Bis jetzt ist in der Denkschrift der Reformgedanke nur hingeworfen worden.
Wir missen nicht, ob er von der Volksvertretung so rasch in zustimmenden
Sinne aufgenommen wird. Bis zur Verwirklichung können noch mancherlei


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[0391] Koloniale Lisenbahnxolitik Was das Deutsche Reich von seinen Kolonien erwarten, demnach für sie aus¬ geben kann. Da ausreichende Verkehrsmittel die allererste Voraussetzung für eine großangelegte Erschließungstätigkeit sind, so hat der neue Kolonialleiter sein Hauptaugenmerk auf die Eisenbahnfrage gerichtet und ist sofort daran ge¬ gangen, durch Sammlung des einschlägigen Tatsachenmaterials in der öffent¬ lichen Meinung einem in den Einzelheiten noch festzulegenden Eisenbahnplan den Boden zu bereiten. Diesem Zweck dient die kürzlich der Öffentlichkeit übergebne Denkschrift über die Eisenbahnen Afrikas. Die Denkschrift vermeidet jede unmittelbare Stellungnahme zu deu in ihr besprochnen Eisenbahnprojekten, sie will lediglich eine gedrängte Darstellung der Grundlagen und Ausgangspunkte für eine koloniale Eisenbahnpolitik in Afrika geben. Im allgemeinen erfüllt sie diesen Zweck in ausreichendem Maße, wenn auch einzelne Punkte etwas schärfer hätten umgrenzt, bestimmte grundlegende Angaben konsequenter nach zum Teil näherliegendem Material hätten durchgeführt werden können. Ans der Denkschrift sollen sich die beteiligten Kreise von der künftigen Ausgestaltung der Verkehrsmittel ein Bild machen und sich über die zunächst zu bauenden Eisenbahnlinien klar werden. Unsers Erachtens ist am wichtigsten, daß sich die Kolonialverwaltung selbst darüber so bald wie möglich klar wird, denn ans dem vorliegenden Material läßt sich leicht ein Urteil bilden, es wäre dies sogar schon früher möglich gewesen. Die Interessenkreise werden natürlich die Eisenbahnen, die speziell ihnen nützen, für notwendig erklären, was ihnen nicht zu verdenken ist. Immerhin ist es dankenswert, daß das wichtigste Material der breitern Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, doch sollte dies den Gang der Sache nicht aufhalten. Die Ergebnisse der Denkschrift sollen, wie ansdrücklich betont wird, nicht mis Programm aufgefaßt werde». Sie wirken aber unwillkürlich doch als Programm, wenn auch nicht auf eisenbahnpolitischem Gebiet, denn sie laufen auf die Erkenntnis hinaus, daß ein groß angelegtes Eisenbahnnetz nur von den einzelnen Schutzgebieten selbst gebaut und betrieben werden kann, also die finanzpolitische Selbständigkeit der einzelnen Schutzgebiete voraus¬ setzt, die diesen die Aufnahme eigner Anleihen zum Bau von Bahnen ermöglicht. Dieser Gedanke ist, wie wir weiter unde« sehen werden, durchaus richtig, da "uf diese Weise verschiedne Hindernisse, die dem Ban großer Bahnen in den Kolonie» entgegenstehen, beseitigt werden können. Ich bekenne mich durchaus zu der Auffassung Demburgs, daß unsre afrikanischen Kolonien wirtschaftliche Werte in ausreichendem Maße in sich bergen und eine Erschließung großen Stils rechtfertigen. Es fragt sich nur, ob sein Weg. der uns erst über die Einführung der Selbstverwaltung in den Kolonien zum Ziele bringt, nicht die Schaffung der allernvtwendigsten Verkehrs¬ linien verzögert. Bis jetzt ist in der Denkschrift der Reformgedanke nur hingeworfen worden. Wir missen nicht, ob er von der Volksvertretung so rasch in zustimmenden Sinne aufgenommen wird. Bis zur Verwirklichung können noch mancherlei

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/391>, abgerufen am 06.02.2025.