Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Im Lande Buchara Heer vor Ssmnarkcmd im Jahre 1868 unterlag. Aber erst seit im Jahre 1885 Alle die herrschenden Völker haben ihre Spuren hinterlassen. Kein rein¬ Die Hauptstadt Buchara liegt 12^ Kilometer vom Bahnhof Neu-Buchara Im Lande Buchara Heer vor Ssmnarkcmd im Jahre 1868 unterlag. Aber erst seit im Jahre 1885 Alle die herrschenden Völker haben ihre Spuren hinterlassen. Kein rein¬ Die Hauptstadt Buchara liegt 12^ Kilometer vom Bahnhof Neu-Buchara <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302027"/> <fw type="header" place="top"> Im Lande Buchara</fw><lb/> <p xml:id="ID_91" prev="#ID_90"> Heer vor Ssmnarkcmd im Jahre 1868 unterlag. Aber erst seit im Jahre 1885<lb/> ein kaiserlich russischer diplomatischer Agent in Neu-Bucham zugelassen ist,<lb/> können die gegenseitigen Beziehungen als festgeregelt angesehen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_92"> Alle die herrschenden Völker haben ihre Spuren hinterlassen. Kein rein¬<lb/> rassiges oder auch nur einheitliches Volk, wie es die Turkmenen sind, ist der<lb/> Niederschlag der geschichtlichen Wandlungen. Völker türkischen und iranischen<lb/> Stammes wohnen untereinander. Zu den ersten gehören die Usbeken, in deren<lb/> Händen alle einflußreichen Stellen sind, sodann Erssari-Turkmenen und Kirgisen.<lb/> Iranisch sind die sympathischen, vielleicht etwas weichlichen Tadshiken, die sich<lb/> wieder in zwei ganz grundverschiedne Arten mit ausgesprochen semitischen Zügen<lb/> und kaukasisch-europäischem Typus teilen. Ein Mischvolk von Türken und Iraniern<lb/> sind endlich die Sarten, die vornehmlich die Städte und das ebene anbaufähige<lb/> Land bewohnen, während ein Teil der Usbeken, die Turkmenen und die Kir¬<lb/> gisen die ungebundne Freiheit des Nomadenlebens vorziehen. Die Tadshiken sind<lb/> zum Teil, wie es der Urbevölkerung so häufig geht, in die Gebirge zurückgedrängt<lb/> worden, sie machen aber auch einen Teil der ansässigen Stadtbevölkerung aus.<lb/> Oft überrascht ein Weißes, mit blondem Bart umrahmtes Gesicht inmitten ter-<lb/> m den Städten Handel treibenden Sarten und Juden, unter den hagern Rasse-<lb/> gesichtcrn der Araber, unter Afghanen, Persern, braunen Hindus und Zigeunern.<lb/> Die Hauptmasse der Bevölkerung hält der Kitt der mohammedanischen Religion<lb/> immer fest zusammen. Daß die Tadshiken eifrige Schiiten sind, tut nichts zur<lb/> Sache; soviel Herrschergeschlechter sich auch gefolgt sind, hat die Hauptstadt,<lb/> die dem Lande den Namen gegeben hat, als heilige Stadt der sunnitischen<lb/> Richtung gegolten. Aus ihren Schulen gehn die Mullahs für fast ganz<lb/> Mittelasien hervor, seitdem sie unter den Ssamcmiden zu einem geistigen Mittel¬<lb/> punkt für diese Richtung des Islams geworden ist. 360 Moscheen und<lb/> 103 Medresen — Gelehrtenschulen — sind bei einer Einwohnerzahl von etwa<lb/> 100000 Köpfen gewiß Zahlen, die diese Bedeutung augenfällig offenbaren.</p><lb/> <p xml:id="ID_93" next="#ID_94"> Die Hauptstadt Buchara liegt 12^ Kilometer vom Bahnhof Neu-Buchara<lb/> oder Kagan entfernt, ob des hohen Wertes des Grund und Bodeus wegen<lb/> oder aus Spekulation oder aus landesväterlicher Fürsorge, war nicht zu er¬<lb/> gründen. War das letzte die Ursache für eine im Grunde verkehrte, in Ru߬<lb/> land beliebte Bahnhofscmordnuug, so ist der Emir inkonsequent gewesen, denn<lb/> seiner zahlenden Mitwirkung vor allem ist, nachdem er für Kagan den Grund<lb/> und Boden umsonst gegeben hat, die Herstellung der Zweigbahn Kcigau-Buchara<lb/> zu verdanken, die täglich sechsmal in jeder Richtung zwischen der neuen Nussen-<lb/> stadt und der alten Handelszentrale regen Verkehr vermittelt. Die Züge sind<lb/> mit Ausnahme eines Paares gemischte, und zwar gemischte in des Wortes<lb/> verwegenster Bedeutung. Denn aus Mangel an Kenntnis europäischer Gepflogen¬<lb/> heiten und der unter Christenmenschen gebräuchlichen Zahlenanfschriften halten auch<lb/> die schmutzigsten Passagiere die gefälligen, reinlichen Wagen der zweiten Klasse<lb/> als die für sie geeignetsten. An der Kasse, an der übrigens der Stations¬<lb/> gendarm zu unsern Gunsten nicht gerade sanft mit den sich ein den Schalter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Im Lande Buchara
Heer vor Ssmnarkcmd im Jahre 1868 unterlag. Aber erst seit im Jahre 1885
ein kaiserlich russischer diplomatischer Agent in Neu-Bucham zugelassen ist,
können die gegenseitigen Beziehungen als festgeregelt angesehen werden.
Alle die herrschenden Völker haben ihre Spuren hinterlassen. Kein rein¬
rassiges oder auch nur einheitliches Volk, wie es die Turkmenen sind, ist der
Niederschlag der geschichtlichen Wandlungen. Völker türkischen und iranischen
Stammes wohnen untereinander. Zu den ersten gehören die Usbeken, in deren
Händen alle einflußreichen Stellen sind, sodann Erssari-Turkmenen und Kirgisen.
Iranisch sind die sympathischen, vielleicht etwas weichlichen Tadshiken, die sich
wieder in zwei ganz grundverschiedne Arten mit ausgesprochen semitischen Zügen
und kaukasisch-europäischem Typus teilen. Ein Mischvolk von Türken und Iraniern
sind endlich die Sarten, die vornehmlich die Städte und das ebene anbaufähige
Land bewohnen, während ein Teil der Usbeken, die Turkmenen und die Kir¬
gisen die ungebundne Freiheit des Nomadenlebens vorziehen. Die Tadshiken sind
zum Teil, wie es der Urbevölkerung so häufig geht, in die Gebirge zurückgedrängt
worden, sie machen aber auch einen Teil der ansässigen Stadtbevölkerung aus.
Oft überrascht ein Weißes, mit blondem Bart umrahmtes Gesicht inmitten ter-
m den Städten Handel treibenden Sarten und Juden, unter den hagern Rasse-
gesichtcrn der Araber, unter Afghanen, Persern, braunen Hindus und Zigeunern.
Die Hauptmasse der Bevölkerung hält der Kitt der mohammedanischen Religion
immer fest zusammen. Daß die Tadshiken eifrige Schiiten sind, tut nichts zur
Sache; soviel Herrschergeschlechter sich auch gefolgt sind, hat die Hauptstadt,
die dem Lande den Namen gegeben hat, als heilige Stadt der sunnitischen
Richtung gegolten. Aus ihren Schulen gehn die Mullahs für fast ganz
Mittelasien hervor, seitdem sie unter den Ssamcmiden zu einem geistigen Mittel¬
punkt für diese Richtung des Islams geworden ist. 360 Moscheen und
103 Medresen — Gelehrtenschulen — sind bei einer Einwohnerzahl von etwa
100000 Köpfen gewiß Zahlen, die diese Bedeutung augenfällig offenbaren.
Die Hauptstadt Buchara liegt 12^ Kilometer vom Bahnhof Neu-Buchara
oder Kagan entfernt, ob des hohen Wertes des Grund und Bodeus wegen
oder aus Spekulation oder aus landesväterlicher Fürsorge, war nicht zu er¬
gründen. War das letzte die Ursache für eine im Grunde verkehrte, in Ru߬
land beliebte Bahnhofscmordnuug, so ist der Emir inkonsequent gewesen, denn
seiner zahlenden Mitwirkung vor allem ist, nachdem er für Kagan den Grund
und Boden umsonst gegeben hat, die Herstellung der Zweigbahn Kcigau-Buchara
zu verdanken, die täglich sechsmal in jeder Richtung zwischen der neuen Nussen-
stadt und der alten Handelszentrale regen Verkehr vermittelt. Die Züge sind
mit Ausnahme eines Paares gemischte, und zwar gemischte in des Wortes
verwegenster Bedeutung. Denn aus Mangel an Kenntnis europäischer Gepflogen¬
heiten und der unter Christenmenschen gebräuchlichen Zahlenanfschriften halten auch
die schmutzigsten Passagiere die gefälligen, reinlichen Wagen der zweiten Klasse
als die für sie geeignetsten. An der Kasse, an der übrigens der Stations¬
gendarm zu unsern Gunsten nicht gerade sanft mit den sich ein den Schalter
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