Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Sankt yvons Gericht ihr auftrugen. Und es wurde der alten Rank nachgerühmt, daß sie es verstünde, Als Alan, schen wie ein Verbrecher, über Rath Schwelle trat, hob die alte Guten Abend, Mabik (Söhnchen), sagte sie endlich. Ich kann mir schon denken, Sie stand auf, mit erstaunlich hurtiger und jugendlichen Bewegungen stieß sie Alan sah die Frau, die in ständigen Verkehr mit den Heiligen stand, mit Da faßte er Mut und sagte: Ihr wißt ja, Mann Rank, was die Leute von In ernstes Sinnen vertieft neigte die Alte den weißflügligen Kopf langsam Hast du auch bedacht, Mabik, daß es ein ernster Schritt ist, den du da tust? Alans mageres Gesicht war blaß geworden. Aus seinen schwarzen Augen Ihr selbst sollt dann bezahlt werden, sobald der heilige Anwalt mein Ansehen Mutter Rank nickte. Es ist gut. Morgen früh mache ich mich auf den Weg Sankt yvons Gericht ihr auftrugen. Und es wurde der alten Rank nachgerühmt, daß sie es verstünde, Als Alan, schen wie ein Verbrecher, über Rath Schwelle trat, hob die alte Guten Abend, Mabik (Söhnchen), sagte sie endlich. Ich kann mir schon denken, Sie stand auf, mit erstaunlich hurtiger und jugendlichen Bewegungen stieß sie Alan sah die Frau, die in ständigen Verkehr mit den Heiligen stand, mit Da faßte er Mut und sagte: Ihr wißt ja, Mann Rank, was die Leute von In ernstes Sinnen vertieft neigte die Alte den weißflügligen Kopf langsam Hast du auch bedacht, Mabik, daß es ein ernster Schritt ist, den du da tust? Alans mageres Gesicht war blaß geworden. Aus seinen schwarzen Augen Ihr selbst sollt dann bezahlt werden, sobald der heilige Anwalt mein Ansehen Mutter Rank nickte. Es ist gut. Morgen früh mache ich mich auf den Weg <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0380" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302368"/> <fw type="header" place="top"> Sankt yvons Gericht</fw><lb/> <p xml:id="ID_1637" prev="#ID_1636"> ihr auftrugen. Und es wurde der alten Rank nachgerühmt, daß sie es verstünde,<lb/> sich Gehör zu verschaffen, das Interesse der angerufnen Heiligen zu wecken und<lb/> die Erfüllung der von ihr im Namen ihrer Kunden vorgetragnen Bitten zu er¬<lb/> zwingen. Sie wußte von ihrer Mutter her, die schon eine Pilgerin von Beruf<lb/> gewesen war, geheimnisvolle, alte Gebetsformeln, die ihre Wirkung nie versagten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1638"> Als Alan, schen wie ein Verbrecher, über Rath Schwelle trat, hob die alte<lb/> Frau, die im Schein des Kaminfeuers über ihr Spinnrad gebeugt saß, den Kopf,<lb/> und dabei raschelten ihre steifgestärkten Hcmbenflügel leise. Mit freundlichen Augen<lb/> sah sie ihn lange forschend an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1639"> Guten Abend, Mabik (Söhnchen), sagte sie endlich. Ich kann mir schon denken,<lb/> warum du kommst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1640"> Sie stand auf, mit erstaunlich hurtiger und jugendlichen Bewegungen stieß sie<lb/> ihr Rad zurück und schob den großen Eisenriegel inwendig vor die Tür. So,<lb/> nun kannst dn ungehindert reden, es hört uns keiner.</p><lb/> <p xml:id="ID_1641"> Alan sah die Frau, die in ständigen Verkehr mit den Heiligen stand, mit<lb/> zögernden Blicke an. Aber sie nickte ihm ermutigend zu, daß die Haubenflügel<lb/> wieder leise raschelten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1642"> Da faßte er Mut und sagte: Ihr wißt ja, Mann Rank, was die Leute von<lb/> mir denken. Die Witwe des ertrunknen Patrons hat mich des Mordes angeklagt,<lb/> und niemand glaubt mir mehr, wenn ich beteure, daß ich am Tode Kerbastious un¬<lb/> schuldig sei. Nun weiß ich mir nicht anders mehr zu helfen, als Se. Avons Hilfe<lb/> anzurufen. Er, der Anwalt der unschuldig Verklagten, soll mein Ansehen vor<lb/> den Leuten wiederherstellen. Wollt Ihr zu ihm gehn und ihn in meinem Namen<lb/> darum bitten?</p><lb/> <p xml:id="ID_1643"> In ernstes Sinnen vertieft neigte die Alte den weißflügligen Kopf langsam<lb/> hin und her.</p><lb/> <p xml:id="ID_1644"> Hast du auch bedacht, Mabik, daß es ein ernster Schritt ist, den du da tust?<lb/> Se. Avon-ar-Wirionez ist ein unbestechlich gerechter Herr, und wenn er einmal als<lb/> Schiedsrichter angerufen wird, übt er ein strenges Gericht und führt seine Sache<lb/> zu Ende ohne Rücksicht der Person. Hat Kerbastious Witwe dir Unrecht getan<lb/> mit ihrer Anklage, so trifft sie die vorgeschriebne Strafe. Ich will dir das alte<lb/> Gebet vorsprechen, das ich in deinem Namen an den Heiligen richten muß: Ist<lb/> das Recht auf ihrer Seite, so verdamme uns; ist aber das Recht auf unsrer Seite,<lb/> so verdamme sie, laß sie also gleich verdorren, sowie ein Baum mit beschädigter<lb/> Wurzel eilig verdorrt, laß sie sterben innerhalb der festgesetzten Frist! So muß ich<lb/> zum heiligen Wirionez sprechen, Alan, wenn du mich zu ihm schickst, um seinen<lb/> Beistand in der Sache zu fordern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1645"> Alans mageres Gesicht war blaß geworden. Aus seinen schwarzen Augen<lb/> brach ein Helles, kaltes Licht, als er der alten Rank entgegnete: Ich will, daß<lb/> du zu ihm gehst, er soll recht sprechen zwischen mir und Wonne Kerbastion und<lb/> ihrem Anhang. Hier, das bring dem Heiligen von mir, andres Geld habe ich<lb/> nicht! Er streckte ihr eine alte Münze hin, die ihm seine tote Mutter geschenkt<lb/> hatte, als er noch ein kleiner Knabe war, und die er seither wie eine Reliquie be¬<lb/> wahrt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1646"> Ihr selbst sollt dann bezahlt werden, sobald der heilige Anwalt mein Ansehen<lb/> unter den Leuten wiederhergestellt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1647" next="#ID_1648"> Mutter Rank nickte. Es ist gut. Morgen früh mache ich mich auf den Weg<lb/> nach Porz-Bis-in. Mögest du es nicht bereuen, Mabik! Sie zog den Riegel zurück,<lb/> und Alan schlich auf seinen nackten Füßen wieder lautlos davon durch die Nacht.<lb/> Im ersten Morgenlicht des nächsten Tages kroch die alte Rank gewissenhaft ans</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0380]
Sankt yvons Gericht
ihr auftrugen. Und es wurde der alten Rank nachgerühmt, daß sie es verstünde,
sich Gehör zu verschaffen, das Interesse der angerufnen Heiligen zu wecken und
die Erfüllung der von ihr im Namen ihrer Kunden vorgetragnen Bitten zu er¬
zwingen. Sie wußte von ihrer Mutter her, die schon eine Pilgerin von Beruf
gewesen war, geheimnisvolle, alte Gebetsformeln, die ihre Wirkung nie versagten.
Als Alan, schen wie ein Verbrecher, über Rath Schwelle trat, hob die alte
Frau, die im Schein des Kaminfeuers über ihr Spinnrad gebeugt saß, den Kopf,
und dabei raschelten ihre steifgestärkten Hcmbenflügel leise. Mit freundlichen Augen
sah sie ihn lange forschend an.
Guten Abend, Mabik (Söhnchen), sagte sie endlich. Ich kann mir schon denken,
warum du kommst.
Sie stand auf, mit erstaunlich hurtiger und jugendlichen Bewegungen stieß sie
ihr Rad zurück und schob den großen Eisenriegel inwendig vor die Tür. So,
nun kannst dn ungehindert reden, es hört uns keiner.
Alan sah die Frau, die in ständigen Verkehr mit den Heiligen stand, mit
zögernden Blicke an. Aber sie nickte ihm ermutigend zu, daß die Haubenflügel
wieder leise raschelten.
Da faßte er Mut und sagte: Ihr wißt ja, Mann Rank, was die Leute von
mir denken. Die Witwe des ertrunknen Patrons hat mich des Mordes angeklagt,
und niemand glaubt mir mehr, wenn ich beteure, daß ich am Tode Kerbastious un¬
schuldig sei. Nun weiß ich mir nicht anders mehr zu helfen, als Se. Avons Hilfe
anzurufen. Er, der Anwalt der unschuldig Verklagten, soll mein Ansehen vor
den Leuten wiederherstellen. Wollt Ihr zu ihm gehn und ihn in meinem Namen
darum bitten?
In ernstes Sinnen vertieft neigte die Alte den weißflügligen Kopf langsam
hin und her.
Hast du auch bedacht, Mabik, daß es ein ernster Schritt ist, den du da tust?
Se. Avon-ar-Wirionez ist ein unbestechlich gerechter Herr, und wenn er einmal als
Schiedsrichter angerufen wird, übt er ein strenges Gericht und führt seine Sache
zu Ende ohne Rücksicht der Person. Hat Kerbastious Witwe dir Unrecht getan
mit ihrer Anklage, so trifft sie die vorgeschriebne Strafe. Ich will dir das alte
Gebet vorsprechen, das ich in deinem Namen an den Heiligen richten muß: Ist
das Recht auf ihrer Seite, so verdamme uns; ist aber das Recht auf unsrer Seite,
so verdamme sie, laß sie also gleich verdorren, sowie ein Baum mit beschädigter
Wurzel eilig verdorrt, laß sie sterben innerhalb der festgesetzten Frist! So muß ich
zum heiligen Wirionez sprechen, Alan, wenn du mich zu ihm schickst, um seinen
Beistand in der Sache zu fordern.
Alans mageres Gesicht war blaß geworden. Aus seinen schwarzen Augen
brach ein Helles, kaltes Licht, als er der alten Rank entgegnete: Ich will, daß
du zu ihm gehst, er soll recht sprechen zwischen mir und Wonne Kerbastion und
ihrem Anhang. Hier, das bring dem Heiligen von mir, andres Geld habe ich
nicht! Er streckte ihr eine alte Münze hin, die ihm seine tote Mutter geschenkt
hatte, als er noch ein kleiner Knabe war, und die er seither wie eine Reliquie be¬
wahrt hatte.
Ihr selbst sollt dann bezahlt werden, sobald der heilige Anwalt mein Ansehen
unter den Leuten wiederhergestellt hat.
Mutter Rank nickte. Es ist gut. Morgen früh mache ich mich auf den Weg
nach Porz-Bis-in. Mögest du es nicht bereuen, Mabik! Sie zog den Riegel zurück,
und Alan schlich auf seinen nackten Füßen wieder lautlos davon durch die Nacht.
Im ersten Morgenlicht des nächsten Tages kroch die alte Rank gewissenhaft ans
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