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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die Neugestaltung der Politik am Stillen Ozean

denn wenn man die Handelsbilanz verbessern will, muß man Absatz nach außen
haben. Es sucht auch bevorzugte Märkte, auf denen es nicht der vollen Kraft
der europäisch-amerikanischen Industrie ausgesetzt ist. In China, um das es
sich vor allem dreht, genießt es schon den Vorteil der geringen Entfernung.
Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß es sich in nicht langer Zeit auf irgend¬
eine Weise Vorteile im Zollwesen zu verschaffen suchen wird. Damit tritt es
nicht allein den Vereinigten Staaten entgegen, sondern auch ganz Europa, nur
empfindet Amerika das stärker, weil es die Sache so ansieht, als ob Ostasien
sozusagen vor seiner Tür liege.

Noch viel schärfer spricht sich der Gegensatz gerade zu den Vereinigten
Staaten in der Auswanderungsfrage aus. Nach Europa kommen doch immer
nur so wenige Japaner, daß man sie kaum spürt, und daß niemand daran denkt,
ihnen den Zutritt zu erschweren. In den Ländern des Stillen Ozeans fangen
sie an, als Masseneinwandrer aufzutreten. Das in seine engen Grenzen ein¬
geschnürt gewesnc japanische Volk verlangt nach Raum, Luft, Licht. Seit seinem
Siege über eine europäische Großmacht ist dieses Gefühl aus einer stillen Sehn¬
sucht zu einem kraftvollen Begehren geworden. Seine Intelligenzen können
wohl nach China gehn und mit der dortigen billigen Arbeitskraft Geschäfte
unternehmen. Die Volksmcisfeu können eben wegen der Billigkeit der Arbeit in
China nichts machen. Sie schauen auf die noch so wenig bevölkerten Länder
an andern pazifischen Küsten, ivo die Arbeit einen unerhörten Preis hat, auf
die Vereinigten Staaten und Australien. Und eben hier weist man sie zurück.
Hier will man die anspruchslosen Arbeiter nicht, die mit niedrigem Tagelohn
zufrieden sind und deshalb den stancwä ok ins drücken. Australien verbietet
rundweg allen Farbigen das Landen. Chinesen, Inder, Neger, Japaner. Ma¬
laien, alle sind in derselben Verdammnis; es macht keinen Unterschied, ob die
Ankömmlinge etwa aus dem mit England verbündeten Japan stammen oder
aus einer britischen Kolonie. Japan ertrüge das vorerst schweigend aber keines¬
wegs zufrieden.

In den Vereinigten Staaten ist das Problem der Behandlung Farbiger
so alt wie die Ankunft Weißer. Anfänglich hatte man mit den Indianern zu
tun, doch diese siud nahezu ausgerottet. Dann hatte man mit dem Negertum
zu schaffen, das sogar den Bürgerkrieg herbeiführte. Die Weißen in den Süd¬
staaten verachteten die Neger; sie versagten ihnen die gewöhnlichsten Bürger¬
rechte, aber sie betrachteten die Sklaven als einen wertvollen Besitz. In den
Nordstaaten wurden die Neger nicht geliebt; nicht aus Humauitütsgefühl für
die schwarze Rasse hat man sie befreit, sondern weil man in der Sklavenarbeit
einen unlauter" Wettbewerb mit der freien Arbeit der Weißen sah. Die
sonstigen Gegensätze, Freihandel und Schutzzoll, kommen für uns nicht in Betracht.
Nach Aufhebung der Sklaverei hat der Neger noch lange nicht die vollen
Bürgerrechte erlangt. Auch im Norden, wo er nur einen kleinen Teil der Be¬
völkerung ausmacht, darf er sich in den für Weiße bestimmten Hotels, Restaurants,


Die Neugestaltung der Politik am Stillen Ozean

denn wenn man die Handelsbilanz verbessern will, muß man Absatz nach außen
haben. Es sucht auch bevorzugte Märkte, auf denen es nicht der vollen Kraft
der europäisch-amerikanischen Industrie ausgesetzt ist. In China, um das es
sich vor allem dreht, genießt es schon den Vorteil der geringen Entfernung.
Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß es sich in nicht langer Zeit auf irgend¬
eine Weise Vorteile im Zollwesen zu verschaffen suchen wird. Damit tritt es
nicht allein den Vereinigten Staaten entgegen, sondern auch ganz Europa, nur
empfindet Amerika das stärker, weil es die Sache so ansieht, als ob Ostasien
sozusagen vor seiner Tür liege.

Noch viel schärfer spricht sich der Gegensatz gerade zu den Vereinigten
Staaten in der Auswanderungsfrage aus. Nach Europa kommen doch immer
nur so wenige Japaner, daß man sie kaum spürt, und daß niemand daran denkt,
ihnen den Zutritt zu erschweren. In den Ländern des Stillen Ozeans fangen
sie an, als Masseneinwandrer aufzutreten. Das in seine engen Grenzen ein¬
geschnürt gewesnc japanische Volk verlangt nach Raum, Luft, Licht. Seit seinem
Siege über eine europäische Großmacht ist dieses Gefühl aus einer stillen Sehn¬
sucht zu einem kraftvollen Begehren geworden. Seine Intelligenzen können
wohl nach China gehn und mit der dortigen billigen Arbeitskraft Geschäfte
unternehmen. Die Volksmcisfeu können eben wegen der Billigkeit der Arbeit in
China nichts machen. Sie schauen auf die noch so wenig bevölkerten Länder
an andern pazifischen Küsten, ivo die Arbeit einen unerhörten Preis hat, auf
die Vereinigten Staaten und Australien. Und eben hier weist man sie zurück.
Hier will man die anspruchslosen Arbeiter nicht, die mit niedrigem Tagelohn
zufrieden sind und deshalb den stancwä ok ins drücken. Australien verbietet
rundweg allen Farbigen das Landen. Chinesen, Inder, Neger, Japaner. Ma¬
laien, alle sind in derselben Verdammnis; es macht keinen Unterschied, ob die
Ankömmlinge etwa aus dem mit England verbündeten Japan stammen oder
aus einer britischen Kolonie. Japan ertrüge das vorerst schweigend aber keines¬
wegs zufrieden.

In den Vereinigten Staaten ist das Problem der Behandlung Farbiger
so alt wie die Ankunft Weißer. Anfänglich hatte man mit den Indianern zu
tun, doch diese siud nahezu ausgerottet. Dann hatte man mit dem Negertum
zu schaffen, das sogar den Bürgerkrieg herbeiführte. Die Weißen in den Süd¬
staaten verachteten die Neger; sie versagten ihnen die gewöhnlichsten Bürger¬
rechte, aber sie betrachteten die Sklaven als einen wertvollen Besitz. In den
Nordstaaten wurden die Neger nicht geliebt; nicht aus Humauitütsgefühl für
die schwarze Rasse hat man sie befreit, sondern weil man in der Sklavenarbeit
einen unlauter» Wettbewerb mit der freien Arbeit der Weißen sah. Die
sonstigen Gegensätze, Freihandel und Schutzzoll, kommen für uns nicht in Betracht.
Nach Aufhebung der Sklaverei hat der Neger noch lange nicht die vollen
Bürgerrechte erlangt. Auch im Norden, wo er nur einen kleinen Teil der Be¬
völkerung ausmacht, darf er sich in den für Weiße bestimmten Hotels, Restaurants,


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[0077] Die Neugestaltung der Politik am Stillen Ozean denn wenn man die Handelsbilanz verbessern will, muß man Absatz nach außen haben. Es sucht auch bevorzugte Märkte, auf denen es nicht der vollen Kraft der europäisch-amerikanischen Industrie ausgesetzt ist. In China, um das es sich vor allem dreht, genießt es schon den Vorteil der geringen Entfernung. Es ist mit Sicherheit zu erwarten, daß es sich in nicht langer Zeit auf irgend¬ eine Weise Vorteile im Zollwesen zu verschaffen suchen wird. Damit tritt es nicht allein den Vereinigten Staaten entgegen, sondern auch ganz Europa, nur empfindet Amerika das stärker, weil es die Sache so ansieht, als ob Ostasien sozusagen vor seiner Tür liege. Noch viel schärfer spricht sich der Gegensatz gerade zu den Vereinigten Staaten in der Auswanderungsfrage aus. Nach Europa kommen doch immer nur so wenige Japaner, daß man sie kaum spürt, und daß niemand daran denkt, ihnen den Zutritt zu erschweren. In den Ländern des Stillen Ozeans fangen sie an, als Masseneinwandrer aufzutreten. Das in seine engen Grenzen ein¬ geschnürt gewesnc japanische Volk verlangt nach Raum, Luft, Licht. Seit seinem Siege über eine europäische Großmacht ist dieses Gefühl aus einer stillen Sehn¬ sucht zu einem kraftvollen Begehren geworden. Seine Intelligenzen können wohl nach China gehn und mit der dortigen billigen Arbeitskraft Geschäfte unternehmen. Die Volksmcisfeu können eben wegen der Billigkeit der Arbeit in China nichts machen. Sie schauen auf die noch so wenig bevölkerten Länder an andern pazifischen Küsten, ivo die Arbeit einen unerhörten Preis hat, auf die Vereinigten Staaten und Australien. Und eben hier weist man sie zurück. Hier will man die anspruchslosen Arbeiter nicht, die mit niedrigem Tagelohn zufrieden sind und deshalb den stancwä ok ins drücken. Australien verbietet rundweg allen Farbigen das Landen. Chinesen, Inder, Neger, Japaner. Ma¬ laien, alle sind in derselben Verdammnis; es macht keinen Unterschied, ob die Ankömmlinge etwa aus dem mit England verbündeten Japan stammen oder aus einer britischen Kolonie. Japan ertrüge das vorerst schweigend aber keines¬ wegs zufrieden. In den Vereinigten Staaten ist das Problem der Behandlung Farbiger so alt wie die Ankunft Weißer. Anfänglich hatte man mit den Indianern zu tun, doch diese siud nahezu ausgerottet. Dann hatte man mit dem Negertum zu schaffen, das sogar den Bürgerkrieg herbeiführte. Die Weißen in den Süd¬ staaten verachteten die Neger; sie versagten ihnen die gewöhnlichsten Bürger¬ rechte, aber sie betrachteten die Sklaven als einen wertvollen Besitz. In den Nordstaaten wurden die Neger nicht geliebt; nicht aus Humauitütsgefühl für die schwarze Rasse hat man sie befreit, sondern weil man in der Sklavenarbeit einen unlauter» Wettbewerb mit der freien Arbeit der Weißen sah. Die sonstigen Gegensätze, Freihandel und Schutzzoll, kommen für uns nicht in Betracht. Nach Aufhebung der Sklaverei hat der Neger noch lange nicht die vollen Bürgerrechte erlangt. Auch im Norden, wo er nur einen kleinen Teil der Be¬ völkerung ausmacht, darf er sich in den für Weiße bestimmten Hotels, Restaurants,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/77>, abgerufen am 24.07.2024.