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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

industrieller und in künstlerischer Entwicklung und Vervollkommnung. Japanische
Soldaten und Seeleute haben sich im Kampfe den besten gleich erwiesen, von
denen die Geschichte zu berichten weiß. Japan hat große Generale und hervor¬
ragende Admiräle hervorgebracht, und seine Kriege zeigen zu Lande und zu
Wasser Heldenmut, selbstlose Vaterlandsliebe und absolute Gleichgiltigkeit gegen
Anstrengungen und Tod. Japanische Künstler sehen, wie ihre Werke in der
ganzen Welt geschätzt werden. Die industrielle und die kommerzielle Ent¬
wicklung Japans ist größer gewesen als die irgendeines andern Landes in der¬
selben Periode. In derselben Zeit sind die Fortschritte in Wissenschaft und
Philosophie gleich groß gewesen. Die bewundernswerte Organisation des
japanischen Roten Kreuzes während des letzten Krieges, die Humanität und
die Tüchtigkeit der japanischen Beamten, Krankenpfleger und Ärzte erregten die
respektvolle Bewunderung aller, die davon hörten. Durch Vermittlung des
Roten Kreuzes sandte das japanische Volk mehr als 100000 Dollar für
die Notleidenden von San Francisco, und diese Gabe wurde mit Dank von
nnserm Volke angenommen (!). Die Höflichkeit der Japaner als Nation und
als Individuen ist sprichwörtlich geworden. Kein Land hat in solchem Maße
den Besuch von Amerikanern angezogen wie Japan. Darum sind wiederum
viele Japaner -hierher gekommen. Sie sind sowohl in sozialer als auch in
geistiger Hinsicht in allen unsern höhern Bildungsanstalten willkommen. Die
Japaner haben sich in einer einzigen Generation das Recht erworben, unter
die gebildetsten und aufgeklärtesten Völker Europas und Amerikas gerechnet zu
werden. Sie haben durch ihre eignen Verdienste ein Recht auf absolut gleich¬
mäßige Behandlung erhalten.

Die überwältigende Majorität unsers Volkes hegt für die Japaner eine
hohe Achtung, und fast in jedem Teile der Union werden die Japaner nach
Verdienst behandelt, genau so wie irgendein Fremder aus Europa. Aber hier
und da hat sich eine ganz unwürdige Stimmung gegen die Japaner bemerkbar
gemacht, in San Francisco zur Ausschließung japanischer Kinder aus den
Schulen und an einigen andern Plätzen zu Volkserhebungen gegen sie wegen
ihrer Tüchtigkeit als Arbeiter geführt. Sie von den öffentlichen Volksschulen
auszusperren ist eine Absurdität, da es keine höhere Lehranstalt in der Union
einschließlich der kalifornischen Universitäten und Colleges gibt, die nicht jeden
japanischen Studenten mit Freuden aufnehmen, und auf denen japanische
Studenten nicht volle Achtung genießen. Wir können genau soviel von Japan
lernen, wie dieses von uns, und keine Nation ist befähigt, zu lehren, wenn sie
nicht auch bereit ist, zu lernen. In ganz Japan werden die Amerikaner gut
behandelt. Jede Unterlassung auf feiten der Amerikaner, die Japaner hier
mit gleicher Höflichkeit zu behandeln, ist ein Zugeständnis von der Inferiorität
unsrer Zivilisation.

Unser Staat grenzt an den Stillen und an den Atlantischen Ozean. Wir
hoffen eine ständig wachsende Rolle auf dem großen Ozean des Ostens zu


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

industrieller und in künstlerischer Entwicklung und Vervollkommnung. Japanische
Soldaten und Seeleute haben sich im Kampfe den besten gleich erwiesen, von
denen die Geschichte zu berichten weiß. Japan hat große Generale und hervor¬
ragende Admiräle hervorgebracht, und seine Kriege zeigen zu Lande und zu
Wasser Heldenmut, selbstlose Vaterlandsliebe und absolute Gleichgiltigkeit gegen
Anstrengungen und Tod. Japanische Künstler sehen, wie ihre Werke in der
ganzen Welt geschätzt werden. Die industrielle und die kommerzielle Ent¬
wicklung Japans ist größer gewesen als die irgendeines andern Landes in der¬
selben Periode. In derselben Zeit sind die Fortschritte in Wissenschaft und
Philosophie gleich groß gewesen. Die bewundernswerte Organisation des
japanischen Roten Kreuzes während des letzten Krieges, die Humanität und
die Tüchtigkeit der japanischen Beamten, Krankenpfleger und Ärzte erregten die
respektvolle Bewunderung aller, die davon hörten. Durch Vermittlung des
Roten Kreuzes sandte das japanische Volk mehr als 100000 Dollar für
die Notleidenden von San Francisco, und diese Gabe wurde mit Dank von
nnserm Volke angenommen (!). Die Höflichkeit der Japaner als Nation und
als Individuen ist sprichwörtlich geworden. Kein Land hat in solchem Maße
den Besuch von Amerikanern angezogen wie Japan. Darum sind wiederum
viele Japaner -hierher gekommen. Sie sind sowohl in sozialer als auch in
geistiger Hinsicht in allen unsern höhern Bildungsanstalten willkommen. Die
Japaner haben sich in einer einzigen Generation das Recht erworben, unter
die gebildetsten und aufgeklärtesten Völker Europas und Amerikas gerechnet zu
werden. Sie haben durch ihre eignen Verdienste ein Recht auf absolut gleich¬
mäßige Behandlung erhalten.

Die überwältigende Majorität unsers Volkes hegt für die Japaner eine
hohe Achtung, und fast in jedem Teile der Union werden die Japaner nach
Verdienst behandelt, genau so wie irgendein Fremder aus Europa. Aber hier
und da hat sich eine ganz unwürdige Stimmung gegen die Japaner bemerkbar
gemacht, in San Francisco zur Ausschließung japanischer Kinder aus den
Schulen und an einigen andern Plätzen zu Volkserhebungen gegen sie wegen
ihrer Tüchtigkeit als Arbeiter geführt. Sie von den öffentlichen Volksschulen
auszusperren ist eine Absurdität, da es keine höhere Lehranstalt in der Union
einschließlich der kalifornischen Universitäten und Colleges gibt, die nicht jeden
japanischen Studenten mit Freuden aufnehmen, und auf denen japanische
Studenten nicht volle Achtung genießen. Wir können genau soviel von Japan
lernen, wie dieses von uns, und keine Nation ist befähigt, zu lehren, wenn sie
nicht auch bereit ist, zu lernen. In ganz Japan werden die Amerikaner gut
behandelt. Jede Unterlassung auf feiten der Amerikaner, die Japaner hier
mit gleicher Höflichkeit zu behandeln, ist ein Zugeständnis von der Inferiorität
unsrer Zivilisation.

Unser Staat grenzt an den Stillen und an den Atlantischen Ozean. Wir
hoffen eine ständig wachsende Rolle auf dem großen Ozean des Ostens zu


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[0683] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen industrieller und in künstlerischer Entwicklung und Vervollkommnung. Japanische Soldaten und Seeleute haben sich im Kampfe den besten gleich erwiesen, von denen die Geschichte zu berichten weiß. Japan hat große Generale und hervor¬ ragende Admiräle hervorgebracht, und seine Kriege zeigen zu Lande und zu Wasser Heldenmut, selbstlose Vaterlandsliebe und absolute Gleichgiltigkeit gegen Anstrengungen und Tod. Japanische Künstler sehen, wie ihre Werke in der ganzen Welt geschätzt werden. Die industrielle und die kommerzielle Ent¬ wicklung Japans ist größer gewesen als die irgendeines andern Landes in der¬ selben Periode. In derselben Zeit sind die Fortschritte in Wissenschaft und Philosophie gleich groß gewesen. Die bewundernswerte Organisation des japanischen Roten Kreuzes während des letzten Krieges, die Humanität und die Tüchtigkeit der japanischen Beamten, Krankenpfleger und Ärzte erregten die respektvolle Bewunderung aller, die davon hörten. Durch Vermittlung des Roten Kreuzes sandte das japanische Volk mehr als 100000 Dollar für die Notleidenden von San Francisco, und diese Gabe wurde mit Dank von nnserm Volke angenommen (!). Die Höflichkeit der Japaner als Nation und als Individuen ist sprichwörtlich geworden. Kein Land hat in solchem Maße den Besuch von Amerikanern angezogen wie Japan. Darum sind wiederum viele Japaner -hierher gekommen. Sie sind sowohl in sozialer als auch in geistiger Hinsicht in allen unsern höhern Bildungsanstalten willkommen. Die Japaner haben sich in einer einzigen Generation das Recht erworben, unter die gebildetsten und aufgeklärtesten Völker Europas und Amerikas gerechnet zu werden. Sie haben durch ihre eignen Verdienste ein Recht auf absolut gleich¬ mäßige Behandlung erhalten. Die überwältigende Majorität unsers Volkes hegt für die Japaner eine hohe Achtung, und fast in jedem Teile der Union werden die Japaner nach Verdienst behandelt, genau so wie irgendein Fremder aus Europa. Aber hier und da hat sich eine ganz unwürdige Stimmung gegen die Japaner bemerkbar gemacht, in San Francisco zur Ausschließung japanischer Kinder aus den Schulen und an einigen andern Plätzen zu Volkserhebungen gegen sie wegen ihrer Tüchtigkeit als Arbeiter geführt. Sie von den öffentlichen Volksschulen auszusperren ist eine Absurdität, da es keine höhere Lehranstalt in der Union einschließlich der kalifornischen Universitäten und Colleges gibt, die nicht jeden japanischen Studenten mit Freuden aufnehmen, und auf denen japanische Studenten nicht volle Achtung genießen. Wir können genau soviel von Japan lernen, wie dieses von uns, und keine Nation ist befähigt, zu lehren, wenn sie nicht auch bereit ist, zu lernen. In ganz Japan werden die Amerikaner gut behandelt. Jede Unterlassung auf feiten der Amerikaner, die Japaner hier mit gleicher Höflichkeit zu behandeln, ist ein Zugeständnis von der Inferiorität unsrer Zivilisation. Unser Staat grenzt an den Stillen und an den Atlantischen Ozean. Wir hoffen eine ständig wachsende Rolle auf dem großen Ozean des Ostens zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/683>, abgerufen am 02.07.2024.