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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

worden. Der überseeische Handel Koreas ist fast ganz in japanischen Händen.
Im Jahre 1905 verkehrten mit Korea 3721 japanische Dampfer neben 214 ame¬
rikanischen und drei russischen. In der Mandschurei hat Japan die militärische
Okkupation dazu benutzt, sich auch dort ein Handelsmonopol zu schaffen und
zunächst eine Fülle von Schundartikeln dorthin zu werfen, um der dortigen
ungebildeten Bevölkerung zu zeigen, daß niemand so billig wie Japan liefern
könne. In China werden Eisenbahnen durch japanische Ingenieure und mit
japanischem Material gebaut. Der Boykott amerikanischer Waren in China ist
hauptsächlich dem japanischen Handel zugute gekommen. Die großen japanischen
Dampferlinien begnügen sich schon nicht mehr damit, die Verbindungen mit
Japan herzustellen, sondern haben auch auf andern Strecken den Konkurrenz¬
kampf gegen englische und deutsche Gesellschaften aufgenommen. Der General¬
direktor Jwcmaga der Nippon Inser Kcnshci hat sich kürzlich dahin geäußert,
es sei die Pflicht und das Ziel seiner Gesellschaft, die Anmaßung der fremden
Reedereien östlich vom Suezkanal (!) zurückzubannen. Man sieht, an Opti¬
mismus fehlt es den Japanern nicht.

Die kommerzielle Entwicklung Japans wird, wie Lignitz mit Recht betont,
verringert durch ihre laxe Auffassung der Ehrlichkeit Ausländern gegenüber
und durch den Mangel an technischer Erfindungsgabe. Trotz ihres großen
Fleißes und ihrer geringen Ansprüche an das materielle Leben werden deshalb
die Japaner im Welthandel dem nordwestlichen Europa und Nordamerika so
bald nicht gefährlich werden. Die Vereinigten Staaten sind einer der besten
Kunden Japans, denn sie beziehen ein Drittel der japanischen Gesamtausfuhr.
An der japanischen Einfuhr waren die Vereinigten Staaten 1903 mit 46, Eng¬
land mit 48, Britisch-Indien mit 70 und Deutschland nur mit 27 Millionen
Am beteiligt. Daß trotz der guten Handelsbeziehungen jetzt ein so gespanntes
Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Japan eintreten konnte, ist
ein Beweis für die bekannte Tatsache, daß politische und Rassenfragen stärker
sind als wirtschaftliche Interessen.

Die Vorgeschichte des Konflikts ergibt sich am besten aus der Botschaft
des Präsidenten an den Kongreß vom 3. Dezember 1906. Es heißt darin:
"Die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Japan ist eine be¬
ständige gewesen, seit der Zeit, wo vor einem halben Jahrhundert Commodore
Perry durch eine Expedition nach Japan zuerst dessen Inseln der westlichen
Zivilisation erschloß. Seitdem ist das Wachstum Japans geradezu erstaunlich
gewesen. Seine Zivilisation ist älter als die der Völker Nordeuropas, von
denen die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hauptsächlich abstammt. Aber
vor fünfzig Jahren war Japans Entwicklung noch dieselbe wie im Mittelalter.
Während dieser fünfzig Jahre ist der Fortschritt dieses Landes auf allen
Gebieten des menschlichen Lebens ein Wunder für die Welt gewesen, und
es steht jetzt als eine der größten zivilisierten Nationen da, groß in den
Künsten des Krieges und in denen des Friedens, groß in militärischer, in


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

worden. Der überseeische Handel Koreas ist fast ganz in japanischen Händen.
Im Jahre 1905 verkehrten mit Korea 3721 japanische Dampfer neben 214 ame¬
rikanischen und drei russischen. In der Mandschurei hat Japan die militärische
Okkupation dazu benutzt, sich auch dort ein Handelsmonopol zu schaffen und
zunächst eine Fülle von Schundartikeln dorthin zu werfen, um der dortigen
ungebildeten Bevölkerung zu zeigen, daß niemand so billig wie Japan liefern
könne. In China werden Eisenbahnen durch japanische Ingenieure und mit
japanischem Material gebaut. Der Boykott amerikanischer Waren in China ist
hauptsächlich dem japanischen Handel zugute gekommen. Die großen japanischen
Dampferlinien begnügen sich schon nicht mehr damit, die Verbindungen mit
Japan herzustellen, sondern haben auch auf andern Strecken den Konkurrenz¬
kampf gegen englische und deutsche Gesellschaften aufgenommen. Der General¬
direktor Jwcmaga der Nippon Inser Kcnshci hat sich kürzlich dahin geäußert,
es sei die Pflicht und das Ziel seiner Gesellschaft, die Anmaßung der fremden
Reedereien östlich vom Suezkanal (!) zurückzubannen. Man sieht, an Opti¬
mismus fehlt es den Japanern nicht.

Die kommerzielle Entwicklung Japans wird, wie Lignitz mit Recht betont,
verringert durch ihre laxe Auffassung der Ehrlichkeit Ausländern gegenüber
und durch den Mangel an technischer Erfindungsgabe. Trotz ihres großen
Fleißes und ihrer geringen Ansprüche an das materielle Leben werden deshalb
die Japaner im Welthandel dem nordwestlichen Europa und Nordamerika so
bald nicht gefährlich werden. Die Vereinigten Staaten sind einer der besten
Kunden Japans, denn sie beziehen ein Drittel der japanischen Gesamtausfuhr.
An der japanischen Einfuhr waren die Vereinigten Staaten 1903 mit 46, Eng¬
land mit 48, Britisch-Indien mit 70 und Deutschland nur mit 27 Millionen
Am beteiligt. Daß trotz der guten Handelsbeziehungen jetzt ein so gespanntes
Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Japan eintreten konnte, ist
ein Beweis für die bekannte Tatsache, daß politische und Rassenfragen stärker
sind als wirtschaftliche Interessen.

Die Vorgeschichte des Konflikts ergibt sich am besten aus der Botschaft
des Präsidenten an den Kongreß vom 3. Dezember 1906. Es heißt darin:
„Die Freundschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Japan ist eine be¬
ständige gewesen, seit der Zeit, wo vor einem halben Jahrhundert Commodore
Perry durch eine Expedition nach Japan zuerst dessen Inseln der westlichen
Zivilisation erschloß. Seitdem ist das Wachstum Japans geradezu erstaunlich
gewesen. Seine Zivilisation ist älter als die der Völker Nordeuropas, von
denen die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hauptsächlich abstammt. Aber
vor fünfzig Jahren war Japans Entwicklung noch dieselbe wie im Mittelalter.
Während dieser fünfzig Jahre ist der Fortschritt dieses Landes auf allen
Gebieten des menschlichen Lebens ein Wunder für die Welt gewesen, und
es steht jetzt als eine der größten zivilisierten Nationen da, groß in den
Künsten des Krieges und in denen des Friedens, groß in militärischer, in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/682>, abgerufen am 04.07.2024.