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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

hat für die Kriegsanleihen 7^/^ Millionen Pfund Sterling und für ältere An¬
leihen 21/2 Millionen Pfund Sterling, zusammen also 10 Millionen Pfund
Sterling jährliche Zinsen zu zahlen. Am 31. März 1906 betrug die auswärtige
Schuld Japans 920 Millionen Jen, die innere 930 Millionen Um, die Ge¬
samtschuld 1350 Millionen Um, also ungefähr ein Viertel der englischen
Staatsschuld!

Der japanische Finanzminister Sakatcmi hofft durch Steigerung aller pro¬
duktiven Kräfte des Landes den Nationalwohlstand in ungeahnter Weise ver¬
mehren zu können. Als Mittel hierzu dienen Diskontherabsetzungen der Bank
von Japan, die aber in den Handels kreisen Bedenken erregen, Schiffcchrts-
subveutionen, neue Schutzzölle und charakteristischerweise auch Begünstigungen
der Gasthofbesitzer, die den fremden Reisenden den Aufenthalt im Lande ange¬
nehmer machen.

In dem Halleschen Werke wird weiter ausgeführt: die Entwicklungsmöglich¬
keiten in Korea und der Mandschurei würden vom japanischen Finanzminister
mit rosigen Farben geschildert und durch eine Studienreise des Premierministers
in den Vordergrund gestellt- Wenn also die japanische Handelswelt in den
nächsten Jahren dem Grüudungsfieber verfalle, so habe die neueste Wirtschafts¬
politik der jetzigen Regierung den Anstoß dazu gegeben. Als das bei der
Denkweise der Japaner wirksamste Stimulans benutzte sie dabei den Hinweis,
daß man den rührigen Fremden zuvorkommen und es ihnen gleichtun müsse.
Alle diese Ermahnungen der Regierung scheinen aber vorläufig auf unfrucht¬
baren Boden gefallen zu sein, denn die japanischen Unternehmer haben sich bis
jetzt so zurückhaltend gezeigt, daß die Banken Mühe hatten, für ihre Depositen¬
gelder nutzbringende Verwendung zu finden. Von den japanischen Industrien
haben nur die Bergbau- und Hütten-, die Baumwollweberei-, die Schiffsbcm-
und die Kriegsmaterial-Industrien eine gewisse Bedeutung erlangt, während
sich z. B. die Wollweberei noch nicht entwickeln konnte, da Japan keine Wolle
produziert, und die Stahlwerke nicht prosperieren, weil Japan an abbaufähigen
Eisenlagern zu arm ist. Neuerdings hat sich die Petrvleumproduktion so gehoben,
daß ein Drittel des ganzen japanischen Konsums von ihr gedeckt wird. Da nun
infolge der zweijährigen Abwesenheit so vieler Arbeitskräfte (etwa 5 Prozent
der Bevölkerung) auf dem Kriegsschauplatz eine starke Steigerung der Löhne
eingetreten war und sich auch nachher erhalten hat, so ist an eine rasche In¬
dustrialisierung Japans vorläufig nicht zu denken. Die japanische Landwirt¬
schaft, die schon jetzt nicht imstande ist, die heimische Bevölkerung zu ernähren,
wird aber kaum in die Lage kommen, den Nationalreichtum in nennenswerter
Weise zu vermehren.

Der japanische Handel wird dagegen aller Voraussicht nach seinen offen¬
siven Charakter immer mehr verschärfen und sich in ähnlicher Weise ent¬
wickeln, wie es der englische in Europa getan hat. Korea ist durch den Ver¬
trag vom 17. November 1905 unter ein japanisches Handelsprotektorat gestellt


Grenzboten I 1907 87
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

hat für die Kriegsanleihen 7^/^ Millionen Pfund Sterling und für ältere An¬
leihen 21/2 Millionen Pfund Sterling, zusammen also 10 Millionen Pfund
Sterling jährliche Zinsen zu zahlen. Am 31. März 1906 betrug die auswärtige
Schuld Japans 920 Millionen Jen, die innere 930 Millionen Um, die Ge¬
samtschuld 1350 Millionen Um, also ungefähr ein Viertel der englischen
Staatsschuld!

Der japanische Finanzminister Sakatcmi hofft durch Steigerung aller pro¬
duktiven Kräfte des Landes den Nationalwohlstand in ungeahnter Weise ver¬
mehren zu können. Als Mittel hierzu dienen Diskontherabsetzungen der Bank
von Japan, die aber in den Handels kreisen Bedenken erregen, Schiffcchrts-
subveutionen, neue Schutzzölle und charakteristischerweise auch Begünstigungen
der Gasthofbesitzer, die den fremden Reisenden den Aufenthalt im Lande ange¬
nehmer machen.

In dem Halleschen Werke wird weiter ausgeführt: die Entwicklungsmöglich¬
keiten in Korea und der Mandschurei würden vom japanischen Finanzminister
mit rosigen Farben geschildert und durch eine Studienreise des Premierministers
in den Vordergrund gestellt- Wenn also die japanische Handelswelt in den
nächsten Jahren dem Grüudungsfieber verfalle, so habe die neueste Wirtschafts¬
politik der jetzigen Regierung den Anstoß dazu gegeben. Als das bei der
Denkweise der Japaner wirksamste Stimulans benutzte sie dabei den Hinweis,
daß man den rührigen Fremden zuvorkommen und es ihnen gleichtun müsse.
Alle diese Ermahnungen der Regierung scheinen aber vorläufig auf unfrucht¬
baren Boden gefallen zu sein, denn die japanischen Unternehmer haben sich bis
jetzt so zurückhaltend gezeigt, daß die Banken Mühe hatten, für ihre Depositen¬
gelder nutzbringende Verwendung zu finden. Von den japanischen Industrien
haben nur die Bergbau- und Hütten-, die Baumwollweberei-, die Schiffsbcm-
und die Kriegsmaterial-Industrien eine gewisse Bedeutung erlangt, während
sich z. B. die Wollweberei noch nicht entwickeln konnte, da Japan keine Wolle
produziert, und die Stahlwerke nicht prosperieren, weil Japan an abbaufähigen
Eisenlagern zu arm ist. Neuerdings hat sich die Petrvleumproduktion so gehoben,
daß ein Drittel des ganzen japanischen Konsums von ihr gedeckt wird. Da nun
infolge der zweijährigen Abwesenheit so vieler Arbeitskräfte (etwa 5 Prozent
der Bevölkerung) auf dem Kriegsschauplatz eine starke Steigerung der Löhne
eingetreten war und sich auch nachher erhalten hat, so ist an eine rasche In¬
dustrialisierung Japans vorläufig nicht zu denken. Die japanische Landwirt¬
schaft, die schon jetzt nicht imstande ist, die heimische Bevölkerung zu ernähren,
wird aber kaum in die Lage kommen, den Nationalreichtum in nennenswerter
Weise zu vermehren.

Der japanische Handel wird dagegen aller Voraussicht nach seinen offen¬
siven Charakter immer mehr verschärfen und sich in ähnlicher Weise ent¬
wickeln, wie es der englische in Europa getan hat. Korea ist durch den Ver¬
trag vom 17. November 1905 unter ein japanisches Handelsprotektorat gestellt


Grenzboten I 1907 87
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[0681] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen hat für die Kriegsanleihen 7^/^ Millionen Pfund Sterling und für ältere An¬ leihen 21/2 Millionen Pfund Sterling, zusammen also 10 Millionen Pfund Sterling jährliche Zinsen zu zahlen. Am 31. März 1906 betrug die auswärtige Schuld Japans 920 Millionen Jen, die innere 930 Millionen Um, die Ge¬ samtschuld 1350 Millionen Um, also ungefähr ein Viertel der englischen Staatsschuld! Der japanische Finanzminister Sakatcmi hofft durch Steigerung aller pro¬ duktiven Kräfte des Landes den Nationalwohlstand in ungeahnter Weise ver¬ mehren zu können. Als Mittel hierzu dienen Diskontherabsetzungen der Bank von Japan, die aber in den Handels kreisen Bedenken erregen, Schiffcchrts- subveutionen, neue Schutzzölle und charakteristischerweise auch Begünstigungen der Gasthofbesitzer, die den fremden Reisenden den Aufenthalt im Lande ange¬ nehmer machen. In dem Halleschen Werke wird weiter ausgeführt: die Entwicklungsmöglich¬ keiten in Korea und der Mandschurei würden vom japanischen Finanzminister mit rosigen Farben geschildert und durch eine Studienreise des Premierministers in den Vordergrund gestellt- Wenn also die japanische Handelswelt in den nächsten Jahren dem Grüudungsfieber verfalle, so habe die neueste Wirtschafts¬ politik der jetzigen Regierung den Anstoß dazu gegeben. Als das bei der Denkweise der Japaner wirksamste Stimulans benutzte sie dabei den Hinweis, daß man den rührigen Fremden zuvorkommen und es ihnen gleichtun müsse. Alle diese Ermahnungen der Regierung scheinen aber vorläufig auf unfrucht¬ baren Boden gefallen zu sein, denn die japanischen Unternehmer haben sich bis jetzt so zurückhaltend gezeigt, daß die Banken Mühe hatten, für ihre Depositen¬ gelder nutzbringende Verwendung zu finden. Von den japanischen Industrien haben nur die Bergbau- und Hütten-, die Baumwollweberei-, die Schiffsbcm- und die Kriegsmaterial-Industrien eine gewisse Bedeutung erlangt, während sich z. B. die Wollweberei noch nicht entwickeln konnte, da Japan keine Wolle produziert, und die Stahlwerke nicht prosperieren, weil Japan an abbaufähigen Eisenlagern zu arm ist. Neuerdings hat sich die Petrvleumproduktion so gehoben, daß ein Drittel des ganzen japanischen Konsums von ihr gedeckt wird. Da nun infolge der zweijährigen Abwesenheit so vieler Arbeitskräfte (etwa 5 Prozent der Bevölkerung) auf dem Kriegsschauplatz eine starke Steigerung der Löhne eingetreten war und sich auch nachher erhalten hat, so ist an eine rasche In¬ dustrialisierung Japans vorläufig nicht zu denken. Die japanische Landwirt¬ schaft, die schon jetzt nicht imstande ist, die heimische Bevölkerung zu ernähren, wird aber kaum in die Lage kommen, den Nationalreichtum in nennenswerter Weise zu vermehren. Der japanische Handel wird dagegen aller Voraussicht nach seinen offen¬ siven Charakter immer mehr verschärfen und sich in ähnlicher Weise ent¬ wickeln, wie es der englische in Europa getan hat. Korea ist durch den Ver¬ trag vom 17. November 1905 unter ein japanisches Handelsprotektorat gestellt Grenzboten I 1907 87

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/681>, abgerufen am 24.07.2024.