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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

unter jedes japanische Bild den Namen eines ihm bekannten Mexikaners schrieb,
so groß war die Ähnlichkeit. Nach der Überlieferung der Azteken und den diese
bestätigenden archäologischen Funden sind die Azteken vom hohen Norden an
der pazifischen Küste entlang gewandert, bis sie sich in Mexiko niederließen.
Es ist also sehr wohl möglich, daß sie aus Japan stammten und nach Art der
Phönizier und Wikinger diese große Küstenfahrt ausgeführt hatten. Auf andre
Weise würde sich die fabelhafte Stammesähnlichkeit kaum erklären lassen. Und
Japan wird ohne Zweifel alle diese Umstände geschickt in seinem Kampfe mit
den Vereinigten Staaten benutzen.

Von hohem Interesse sind darum die Ausführungen, die General von
Lignitz soeben über die gelbe Gefahr veröffentlicht hat.*) Da die Grenzboten
vor kurzem (1897, Heft 8 und 12) eine ausführliche Schilderung der militärischen
Machtmittel der Japaner und der Amerikaner gebracht haben, so soll auf diese
nicht näher eingegangen, sondern vor allem die historische und die politische Seite
der Frage beleuchtet werden.

Wie Lignitz mit Recht hervorhebt, sind es infolge einer seltnen Ironie der
Weltgeschichte gerade die Vereinigten Staaten von Amerika (uicht Nordamerika,
wie Lignitz irrtümlicherweise schreibt) selbst gewesen, die Japan zuerst gezwungen
haben, seine bis dahin bestehende absolute Abschließung vom Auslande aufzu¬
geben und mit ihnen einen Vertrag abzuschließen. Am 8. Juli 1853 erschien
in der Uragabucht südlich von Tokio plötzlich der amerikanische Commodore
Perry mit den zwei den Japanern gewaltig imponierender Kriegsschiffen
Susquehanna und Mississippi nebst zwei Schaluppen, übergab im Auftrage des
Präsidenten Fillmore ein an den Shogun Jyeyoshi gerichtetes Schreiben, worin
die Anknüpfung von Handelsbeziehungen beantragt wurde, und erklärte, er werde
in einigen Monaten wiederkommen und die Antwort abholen. In der Zwischen¬
zeit starb Jyeyoshi, und ihm folgte als Shogun sein Sohn Jyesada. Von
diesem erzwang Perry, nachdem er am 13. Februar 1854, diesmal mit acht
Kriegsschiffen, darunter drei Dampfern, wieder erschienen, dicht bei Tokio vor
Anker gegangen war und so den Japanern jede Aussicht auf Widerstand ge¬
nommen hatte, einen Handelsvertrag, der den Amerikanern die Zulassung zu
den Häfen Shimoda und Hakodate bewilligte. Der Vertrag wurde am 31. März
1854 unterzeichnet. Mit diesem Datum beginnt der Eintritt Japans in die
moderne Kulturwelt.

Die Japaner gaben zwar nach, da ihnen nichts andres übrig blieb, aber
sie faßten auch zugleich den Entschluß, sich das technische Rüstzeug der Weißen
für ihre eignen Zwecke anzueignen, um sich in Zukunft besser wehren zu können.
Sie hatten klar erkannt, daß man nicht mehr die Kraft hätte, die Fremden mit
den bisherigen Machtmitteln abzuweisen, daß man aber in der Kriegskunst und



von Lignitz, Deutschlands Interessen in Ostasien und die gelbe Gesahr. Berlin,
Vossische Buchhandlung. 1907.
Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

unter jedes japanische Bild den Namen eines ihm bekannten Mexikaners schrieb,
so groß war die Ähnlichkeit. Nach der Überlieferung der Azteken und den diese
bestätigenden archäologischen Funden sind die Azteken vom hohen Norden an
der pazifischen Küste entlang gewandert, bis sie sich in Mexiko niederließen.
Es ist also sehr wohl möglich, daß sie aus Japan stammten und nach Art der
Phönizier und Wikinger diese große Küstenfahrt ausgeführt hatten. Auf andre
Weise würde sich die fabelhafte Stammesähnlichkeit kaum erklären lassen. Und
Japan wird ohne Zweifel alle diese Umstände geschickt in seinem Kampfe mit
den Vereinigten Staaten benutzen.

Von hohem Interesse sind darum die Ausführungen, die General von
Lignitz soeben über die gelbe Gefahr veröffentlicht hat.*) Da die Grenzboten
vor kurzem (1897, Heft 8 und 12) eine ausführliche Schilderung der militärischen
Machtmittel der Japaner und der Amerikaner gebracht haben, so soll auf diese
nicht näher eingegangen, sondern vor allem die historische und die politische Seite
der Frage beleuchtet werden.

Wie Lignitz mit Recht hervorhebt, sind es infolge einer seltnen Ironie der
Weltgeschichte gerade die Vereinigten Staaten von Amerika (uicht Nordamerika,
wie Lignitz irrtümlicherweise schreibt) selbst gewesen, die Japan zuerst gezwungen
haben, seine bis dahin bestehende absolute Abschließung vom Auslande aufzu¬
geben und mit ihnen einen Vertrag abzuschließen. Am 8. Juli 1853 erschien
in der Uragabucht südlich von Tokio plötzlich der amerikanische Commodore
Perry mit den zwei den Japanern gewaltig imponierender Kriegsschiffen
Susquehanna und Mississippi nebst zwei Schaluppen, übergab im Auftrage des
Präsidenten Fillmore ein an den Shogun Jyeyoshi gerichtetes Schreiben, worin
die Anknüpfung von Handelsbeziehungen beantragt wurde, und erklärte, er werde
in einigen Monaten wiederkommen und die Antwort abholen. In der Zwischen¬
zeit starb Jyeyoshi, und ihm folgte als Shogun sein Sohn Jyesada. Von
diesem erzwang Perry, nachdem er am 13. Februar 1854, diesmal mit acht
Kriegsschiffen, darunter drei Dampfern, wieder erschienen, dicht bei Tokio vor
Anker gegangen war und so den Japanern jede Aussicht auf Widerstand ge¬
nommen hatte, einen Handelsvertrag, der den Amerikanern die Zulassung zu
den Häfen Shimoda und Hakodate bewilligte. Der Vertrag wurde am 31. März
1854 unterzeichnet. Mit diesem Datum beginnt der Eintritt Japans in die
moderne Kulturwelt.

Die Japaner gaben zwar nach, da ihnen nichts andres übrig blieb, aber
sie faßten auch zugleich den Entschluß, sich das technische Rüstzeug der Weißen
für ihre eignen Zwecke anzueignen, um sich in Zukunft besser wehren zu können.
Sie hatten klar erkannt, daß man nicht mehr die Kraft hätte, die Fremden mit
den bisherigen Machtmitteln abzuweisen, daß man aber in der Kriegskunst und



von Lignitz, Deutschlands Interessen in Ostasien und die gelbe Gesahr. Berlin,
Vossische Buchhandlung. 1907.
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[0677] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen unter jedes japanische Bild den Namen eines ihm bekannten Mexikaners schrieb, so groß war die Ähnlichkeit. Nach der Überlieferung der Azteken und den diese bestätigenden archäologischen Funden sind die Azteken vom hohen Norden an der pazifischen Küste entlang gewandert, bis sie sich in Mexiko niederließen. Es ist also sehr wohl möglich, daß sie aus Japan stammten und nach Art der Phönizier und Wikinger diese große Küstenfahrt ausgeführt hatten. Auf andre Weise würde sich die fabelhafte Stammesähnlichkeit kaum erklären lassen. Und Japan wird ohne Zweifel alle diese Umstände geschickt in seinem Kampfe mit den Vereinigten Staaten benutzen. Von hohem Interesse sind darum die Ausführungen, die General von Lignitz soeben über die gelbe Gefahr veröffentlicht hat.*) Da die Grenzboten vor kurzem (1897, Heft 8 und 12) eine ausführliche Schilderung der militärischen Machtmittel der Japaner und der Amerikaner gebracht haben, so soll auf diese nicht näher eingegangen, sondern vor allem die historische und die politische Seite der Frage beleuchtet werden. Wie Lignitz mit Recht hervorhebt, sind es infolge einer seltnen Ironie der Weltgeschichte gerade die Vereinigten Staaten von Amerika (uicht Nordamerika, wie Lignitz irrtümlicherweise schreibt) selbst gewesen, die Japan zuerst gezwungen haben, seine bis dahin bestehende absolute Abschließung vom Auslande aufzu¬ geben und mit ihnen einen Vertrag abzuschließen. Am 8. Juli 1853 erschien in der Uragabucht südlich von Tokio plötzlich der amerikanische Commodore Perry mit den zwei den Japanern gewaltig imponierender Kriegsschiffen Susquehanna und Mississippi nebst zwei Schaluppen, übergab im Auftrage des Präsidenten Fillmore ein an den Shogun Jyeyoshi gerichtetes Schreiben, worin die Anknüpfung von Handelsbeziehungen beantragt wurde, und erklärte, er werde in einigen Monaten wiederkommen und die Antwort abholen. In der Zwischen¬ zeit starb Jyeyoshi, und ihm folgte als Shogun sein Sohn Jyesada. Von diesem erzwang Perry, nachdem er am 13. Februar 1854, diesmal mit acht Kriegsschiffen, darunter drei Dampfern, wieder erschienen, dicht bei Tokio vor Anker gegangen war und so den Japanern jede Aussicht auf Widerstand ge¬ nommen hatte, einen Handelsvertrag, der den Amerikanern die Zulassung zu den Häfen Shimoda und Hakodate bewilligte. Der Vertrag wurde am 31. März 1854 unterzeichnet. Mit diesem Datum beginnt der Eintritt Japans in die moderne Kulturwelt. Die Japaner gaben zwar nach, da ihnen nichts andres übrig blieb, aber sie faßten auch zugleich den Entschluß, sich das technische Rüstzeug der Weißen für ihre eignen Zwecke anzueignen, um sich in Zukunft besser wehren zu können. Sie hatten klar erkannt, daß man nicht mehr die Kraft hätte, die Fremden mit den bisherigen Machtmitteln abzuweisen, daß man aber in der Kriegskunst und von Lignitz, Deutschlands Interessen in Ostasien und die gelbe Gesahr. Berlin, Vossische Buchhandlung. 1907.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/677>, abgerufen am 24.07.2024.