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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

auch auf andern technischen Gebieten viel von ihnen lernen könnte. Perry
hatte nämlich nicht nur mit seinen Kriegsschiffen auf sie Eindruck gemacht,
sondern anch mit einer kleinen Eisenbahn und mit einer Telegraphenlinie, die
er bei Jokohama bauen und vor den Augen der staunenden Japaner in Betrieb
setzen lind funktioniere,: ließ.

Die Russen erreichten im Dezember 1854 ebenfalls die Zulassung zu zwei
Hufen. Weitere Vertrüge folgten 1857 mit den Amerikanern, Russen, Eng¬
ländern und Franzosen, 1860 mit Preußen (Graf Enlenburgsche Expedition) und
Holland. Anfangs wußte aber die japanische Bevölkerung ihren Fremdenhaß nicht
zu verbergen und verwundete oder tötete in den Vertragshäfen einige Engländer
und beschoß einzelne Handelsschiffe. Diese Vorgänge führten im Juli 1863 zur
Beschießung von Shimonoseki durch Amerikaner und Franzosen, im August des¬
selben Jahres von Kagoshima durch die Engländer und schließlich am 5. und
6. September 1864 zu einem erfolgreichen Angriff auf Shimonoseki durch ein
kombiniertes amerikanisch-englisch-holländisch-französisches Geschwader. Preußen
war also nicht beteiligt. Die Erfolge der Weißen beseitigten die letzten Bedenken
der Japaner, die moderne Zivilisation anzunehmen, und bewirkten außerdem eine
Einigung des Landes. Der Damno von Echizen sandte eine Eingabe an den
Mikado, in der ausgeführt war, "daß man sich nicht mehr von den Fremden ab¬
schließen dürfe, da deren Bildung so sehr zugenommen habe, und deren kriegerische
Überlegenheit zu bedeutend sei". Dem Beispiele der Familie Echizen folgten 241
andre Daimios und verzichteten zugunsten des Staates auf ihre uralten Privi¬
legien und auf deu größern Teil ihrer Einkünfte. Die Samurais, die Vasallen
der Daimios, verloren zugleich ihre bisherigen Vorrechte. Als Äquivalent für
ihre Verzichtleistungen wurden viele Daimios in leitenden Stellen des Staats¬
rath, der Ministerien, der Diplomatie, des Heeres und der Marine unter¬
gebracht, während die Samurais Offizier- und Beamtenstellen erhielten.

Ohne Überstürzung hat Japan dann die Formen eines modernen Staates
bei sich eingeführt. Erst im Jahre 1889 wurde eine Verfassung erlassen, und
1890 vom Mikado das erste Parlament eröffnet, nachdem allerdings der da¬
mals regierende Shogun schon am 19. November 1867 seine Gewalt an den
Mikado zurückgegeben hatte. Das stehende Heer zählte zunächst nur 40000 Mann
im Frieden und 75000 Mann im Kriegsfalle, erreichte erst 1883 die Kriegs¬
stärke von 200 000 Mann (7 Divisionen), 1898 nach dem Kriege mit China
13 Divisionen und stieg zuletzt im Kriege mit Rußland auf mehr als
1 Million Mann. Gleichen Schritt hielt die Vergrößerung der Kriegsflotte
und auch die der Handelsflotte. In den vergangnen Jahrhunderten hatten sich
die Japaner nur wenig um Seeschisfahrt gekümmert. Lignitz erwähnt das Edikt
des Shoguns Jyeyasu, der 1598 den Bau größerer Seeschiffe verbot, da er
besorgte, daß der Adel durch den Handel über See zu reich und zu mächtig
werden würde. Nach Beginn der modernen Reformbewegung wurden aber sofort
japanische Seeleute auf englischen Schiffen ausgebildet und englische Schiff-


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

auch auf andern technischen Gebieten viel von ihnen lernen könnte. Perry
hatte nämlich nicht nur mit seinen Kriegsschiffen auf sie Eindruck gemacht,
sondern anch mit einer kleinen Eisenbahn und mit einer Telegraphenlinie, die
er bei Jokohama bauen und vor den Augen der staunenden Japaner in Betrieb
setzen lind funktioniere,: ließ.

Die Russen erreichten im Dezember 1854 ebenfalls die Zulassung zu zwei
Hufen. Weitere Vertrüge folgten 1857 mit den Amerikanern, Russen, Eng¬
ländern und Franzosen, 1860 mit Preußen (Graf Enlenburgsche Expedition) und
Holland. Anfangs wußte aber die japanische Bevölkerung ihren Fremdenhaß nicht
zu verbergen und verwundete oder tötete in den Vertragshäfen einige Engländer
und beschoß einzelne Handelsschiffe. Diese Vorgänge führten im Juli 1863 zur
Beschießung von Shimonoseki durch Amerikaner und Franzosen, im August des¬
selben Jahres von Kagoshima durch die Engländer und schließlich am 5. und
6. September 1864 zu einem erfolgreichen Angriff auf Shimonoseki durch ein
kombiniertes amerikanisch-englisch-holländisch-französisches Geschwader. Preußen
war also nicht beteiligt. Die Erfolge der Weißen beseitigten die letzten Bedenken
der Japaner, die moderne Zivilisation anzunehmen, und bewirkten außerdem eine
Einigung des Landes. Der Damno von Echizen sandte eine Eingabe an den
Mikado, in der ausgeführt war, „daß man sich nicht mehr von den Fremden ab¬
schließen dürfe, da deren Bildung so sehr zugenommen habe, und deren kriegerische
Überlegenheit zu bedeutend sei". Dem Beispiele der Familie Echizen folgten 241
andre Daimios und verzichteten zugunsten des Staates auf ihre uralten Privi¬
legien und auf deu größern Teil ihrer Einkünfte. Die Samurais, die Vasallen
der Daimios, verloren zugleich ihre bisherigen Vorrechte. Als Äquivalent für
ihre Verzichtleistungen wurden viele Daimios in leitenden Stellen des Staats¬
rath, der Ministerien, der Diplomatie, des Heeres und der Marine unter¬
gebracht, während die Samurais Offizier- und Beamtenstellen erhielten.

Ohne Überstürzung hat Japan dann die Formen eines modernen Staates
bei sich eingeführt. Erst im Jahre 1889 wurde eine Verfassung erlassen, und
1890 vom Mikado das erste Parlament eröffnet, nachdem allerdings der da¬
mals regierende Shogun schon am 19. November 1867 seine Gewalt an den
Mikado zurückgegeben hatte. Das stehende Heer zählte zunächst nur 40000 Mann
im Frieden und 75000 Mann im Kriegsfalle, erreichte erst 1883 die Kriegs¬
stärke von 200 000 Mann (7 Divisionen), 1898 nach dem Kriege mit China
13 Divisionen und stieg zuletzt im Kriege mit Rußland auf mehr als
1 Million Mann. Gleichen Schritt hielt die Vergrößerung der Kriegsflotte
und auch die der Handelsflotte. In den vergangnen Jahrhunderten hatten sich
die Japaner nur wenig um Seeschisfahrt gekümmert. Lignitz erwähnt das Edikt
des Shoguns Jyeyasu, der 1598 den Bau größerer Seeschiffe verbot, da er
besorgte, daß der Adel durch den Handel über See zu reich und zu mächtig
werden würde. Nach Beginn der modernen Reformbewegung wurden aber sofort
japanische Seeleute auf englischen Schiffen ausgebildet und englische Schiff-


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[0678] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen auch auf andern technischen Gebieten viel von ihnen lernen könnte. Perry hatte nämlich nicht nur mit seinen Kriegsschiffen auf sie Eindruck gemacht, sondern anch mit einer kleinen Eisenbahn und mit einer Telegraphenlinie, die er bei Jokohama bauen und vor den Augen der staunenden Japaner in Betrieb setzen lind funktioniere,: ließ. Die Russen erreichten im Dezember 1854 ebenfalls die Zulassung zu zwei Hufen. Weitere Vertrüge folgten 1857 mit den Amerikanern, Russen, Eng¬ ländern und Franzosen, 1860 mit Preußen (Graf Enlenburgsche Expedition) und Holland. Anfangs wußte aber die japanische Bevölkerung ihren Fremdenhaß nicht zu verbergen und verwundete oder tötete in den Vertragshäfen einige Engländer und beschoß einzelne Handelsschiffe. Diese Vorgänge führten im Juli 1863 zur Beschießung von Shimonoseki durch Amerikaner und Franzosen, im August des¬ selben Jahres von Kagoshima durch die Engländer und schließlich am 5. und 6. September 1864 zu einem erfolgreichen Angriff auf Shimonoseki durch ein kombiniertes amerikanisch-englisch-holländisch-französisches Geschwader. Preußen war also nicht beteiligt. Die Erfolge der Weißen beseitigten die letzten Bedenken der Japaner, die moderne Zivilisation anzunehmen, und bewirkten außerdem eine Einigung des Landes. Der Damno von Echizen sandte eine Eingabe an den Mikado, in der ausgeführt war, „daß man sich nicht mehr von den Fremden ab¬ schließen dürfe, da deren Bildung so sehr zugenommen habe, und deren kriegerische Überlegenheit zu bedeutend sei". Dem Beispiele der Familie Echizen folgten 241 andre Daimios und verzichteten zugunsten des Staates auf ihre uralten Privi¬ legien und auf deu größern Teil ihrer Einkünfte. Die Samurais, die Vasallen der Daimios, verloren zugleich ihre bisherigen Vorrechte. Als Äquivalent für ihre Verzichtleistungen wurden viele Daimios in leitenden Stellen des Staats¬ rath, der Ministerien, der Diplomatie, des Heeres und der Marine unter¬ gebracht, während die Samurais Offizier- und Beamtenstellen erhielten. Ohne Überstürzung hat Japan dann die Formen eines modernen Staates bei sich eingeführt. Erst im Jahre 1889 wurde eine Verfassung erlassen, und 1890 vom Mikado das erste Parlament eröffnet, nachdem allerdings der da¬ mals regierende Shogun schon am 19. November 1867 seine Gewalt an den Mikado zurückgegeben hatte. Das stehende Heer zählte zunächst nur 40000 Mann im Frieden und 75000 Mann im Kriegsfalle, erreichte erst 1883 die Kriegs¬ stärke von 200 000 Mann (7 Divisionen), 1898 nach dem Kriege mit China 13 Divisionen und stieg zuletzt im Kriege mit Rußland auf mehr als 1 Million Mann. Gleichen Schritt hielt die Vergrößerung der Kriegsflotte und auch die der Handelsflotte. In den vergangnen Jahrhunderten hatten sich die Japaner nur wenig um Seeschisfahrt gekümmert. Lignitz erwähnt das Edikt des Shoguns Jyeyasu, der 1598 den Bau größerer Seeschiffe verbot, da er besorgte, daß der Adel durch den Handel über See zu reich und zu mächtig werden würde. Nach Beginn der modernen Reformbewegung wurden aber sofort japanische Seeleute auf englischen Schiffen ausgebildet und englische Schiff-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/678>, abgerufen am 24.07.2024.