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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

do Sui aufgehoben, verschiedne Berufskonsulate wurden errichtet, und einer der
fähigsten deutschen Diplomaten, dem es bald gelang, mit den leitenden brasi¬
lianischen Kreisen gute Beziehungen anzuknüpfen, wurde 1898 nach Rio gesandt.
Aber dabei ist es dank der Interesselosigkeit des deutschen Volks geblieben, und
jetzt sind die früher so gefürchteten Jankees infolge ihres Eingehens auf den eiteln
Nationalcharakter der Brasilianer dort zu einer Beliebtheit gelangt, die wahr¬
scheinlich vorübergehend ist, aber doch immerhin unserm Handel durch die den
Amerikanern gewährten Zollerleichterungen schwere Wunden schlägt.

Jetzt ist das eingetreten, was eintreten mußte: Japan gilt, nachdem Deutsch¬
land versagt hat, jetzt als die einzige Macht, die den latino-amerikanischen Re¬
publiken nützen und sie unter Umständen auch gegen die Vereinigten Staaten
schützen kann. Zunächst ist Japan in der Lage, einen großen Teil des in allen
diesen Ländern herrschenden Bedarfs an Arbeitskräften, ohne die eine moderne
Aufschließung schlechterdings unmöglich ist, in einer nach den schon gemachten
Erfahrungen erwünschten Weise zu decken. Ferner hat Japan vorzügliche direkte
Dampferverbindungen, die immer weiter ausgedehnt werden, ins Leben gerufen.
Die Togo Kisen Kaisha fährt nach Mexiko und Chile. Die von Japan sub¬
ventionierte französische OoniMAnis ass (AarZviM Rsrmis hat einen Dienst von
Jokohama nach Buenos Aires eingerichtet. Die Nippon Düsen Kaisha beab¬
sichtigt ebenfalls verschiedne Verbindungen mit amerikanischen Republiken ein¬
zurichten. Daß man aber in Japan auch politische Vorteile aus den Beziehungen
mit latino-amerikanischen Republiken ziehn wird, ist bei seiner rücksichtslosen
Diplomatie selbstverständlich. Natürlich wird das bei der Schweigsamkeit der
Japaner in allen ihr Land betreffenden großen Fragen nicht in die Welt hinaus¬
posaunt werden.

Es kommt aber noch ein Punkt hinzu, der im allgemeinen viel zu wenig
beachtet wird. Die Latino-Amerikaner werden in Europa und in Nordamerika
ohne Unterschied über die Achsel angesehen, und der in Paris für sie geprägte
Spottname rastg-eoukrö haftet ihnen jetzt überall an, wo sie sich zeigen. Sie
werden mit Japanern, Koreanern, Siamesen und Chinesen auf eine Stufe ge¬
stellt und nirgends für voll angesehen. Nun sehen sie, daß die Japaner jeden¬
falls die ersten Vertreter Ostasiens sind, und daß sie durch ihre großen
kriegerischen Erfolge allmählich die Achtung der zivilisierten Welt errungen
haben. Es ist also ganz natürlich, daß sie sich zu diesen hingezogen fühlen,
besonders da diese jeden Annäherungsversuch herzlich erwidern und durch Er¬
richtung von diplomatischen Vertretungen und durch Entsendung feingebildeter
Diplomaten fast nach allen amerikanischen Staaten sich schnell deren Sym¬
pathien erworben haben. Die eingewanderten Japaner sind aber merkwürdiger¬
weise in Peru und^Mexiko von den eingebornen Indianern kaum zu unter¬
scheiden. Das geht so weit, daß Präsident Porfirio Diaz während des russisch¬
japanischen Krieges^als ihm der japanische Gesandte ein Album mit den Photo¬
graphien der japanischen Generale überreicht hatte, einen Bleistift nahm und


Die amerikanisch-japanischen Beziehungen

do Sui aufgehoben, verschiedne Berufskonsulate wurden errichtet, und einer der
fähigsten deutschen Diplomaten, dem es bald gelang, mit den leitenden brasi¬
lianischen Kreisen gute Beziehungen anzuknüpfen, wurde 1898 nach Rio gesandt.
Aber dabei ist es dank der Interesselosigkeit des deutschen Volks geblieben, und
jetzt sind die früher so gefürchteten Jankees infolge ihres Eingehens auf den eiteln
Nationalcharakter der Brasilianer dort zu einer Beliebtheit gelangt, die wahr¬
scheinlich vorübergehend ist, aber doch immerhin unserm Handel durch die den
Amerikanern gewährten Zollerleichterungen schwere Wunden schlägt.

Jetzt ist das eingetreten, was eintreten mußte: Japan gilt, nachdem Deutsch¬
land versagt hat, jetzt als die einzige Macht, die den latino-amerikanischen Re¬
publiken nützen und sie unter Umständen auch gegen die Vereinigten Staaten
schützen kann. Zunächst ist Japan in der Lage, einen großen Teil des in allen
diesen Ländern herrschenden Bedarfs an Arbeitskräften, ohne die eine moderne
Aufschließung schlechterdings unmöglich ist, in einer nach den schon gemachten
Erfahrungen erwünschten Weise zu decken. Ferner hat Japan vorzügliche direkte
Dampferverbindungen, die immer weiter ausgedehnt werden, ins Leben gerufen.
Die Togo Kisen Kaisha fährt nach Mexiko und Chile. Die von Japan sub¬
ventionierte französische OoniMAnis ass (AarZviM Rsrmis hat einen Dienst von
Jokohama nach Buenos Aires eingerichtet. Die Nippon Düsen Kaisha beab¬
sichtigt ebenfalls verschiedne Verbindungen mit amerikanischen Republiken ein¬
zurichten. Daß man aber in Japan auch politische Vorteile aus den Beziehungen
mit latino-amerikanischen Republiken ziehn wird, ist bei seiner rücksichtslosen
Diplomatie selbstverständlich. Natürlich wird das bei der Schweigsamkeit der
Japaner in allen ihr Land betreffenden großen Fragen nicht in die Welt hinaus¬
posaunt werden.

Es kommt aber noch ein Punkt hinzu, der im allgemeinen viel zu wenig
beachtet wird. Die Latino-Amerikaner werden in Europa und in Nordamerika
ohne Unterschied über die Achsel angesehen, und der in Paris für sie geprägte
Spottname rastg-eoukrö haftet ihnen jetzt überall an, wo sie sich zeigen. Sie
werden mit Japanern, Koreanern, Siamesen und Chinesen auf eine Stufe ge¬
stellt und nirgends für voll angesehen. Nun sehen sie, daß die Japaner jeden¬
falls die ersten Vertreter Ostasiens sind, und daß sie durch ihre großen
kriegerischen Erfolge allmählich die Achtung der zivilisierten Welt errungen
haben. Es ist also ganz natürlich, daß sie sich zu diesen hingezogen fühlen,
besonders da diese jeden Annäherungsversuch herzlich erwidern und durch Er¬
richtung von diplomatischen Vertretungen und durch Entsendung feingebildeter
Diplomaten fast nach allen amerikanischen Staaten sich schnell deren Sym¬
pathien erworben haben. Die eingewanderten Japaner sind aber merkwürdiger¬
weise in Peru und^Mexiko von den eingebornen Indianern kaum zu unter¬
scheiden. Das geht so weit, daß Präsident Porfirio Diaz während des russisch¬
japanischen Krieges^als ihm der japanische Gesandte ein Album mit den Photo¬
graphien der japanischen Generale überreicht hatte, einen Bleistift nahm und


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[0676] Die amerikanisch-japanischen Beziehungen do Sui aufgehoben, verschiedne Berufskonsulate wurden errichtet, und einer der fähigsten deutschen Diplomaten, dem es bald gelang, mit den leitenden brasi¬ lianischen Kreisen gute Beziehungen anzuknüpfen, wurde 1898 nach Rio gesandt. Aber dabei ist es dank der Interesselosigkeit des deutschen Volks geblieben, und jetzt sind die früher so gefürchteten Jankees infolge ihres Eingehens auf den eiteln Nationalcharakter der Brasilianer dort zu einer Beliebtheit gelangt, die wahr¬ scheinlich vorübergehend ist, aber doch immerhin unserm Handel durch die den Amerikanern gewährten Zollerleichterungen schwere Wunden schlägt. Jetzt ist das eingetreten, was eintreten mußte: Japan gilt, nachdem Deutsch¬ land versagt hat, jetzt als die einzige Macht, die den latino-amerikanischen Re¬ publiken nützen und sie unter Umständen auch gegen die Vereinigten Staaten schützen kann. Zunächst ist Japan in der Lage, einen großen Teil des in allen diesen Ländern herrschenden Bedarfs an Arbeitskräften, ohne die eine moderne Aufschließung schlechterdings unmöglich ist, in einer nach den schon gemachten Erfahrungen erwünschten Weise zu decken. Ferner hat Japan vorzügliche direkte Dampferverbindungen, die immer weiter ausgedehnt werden, ins Leben gerufen. Die Togo Kisen Kaisha fährt nach Mexiko und Chile. Die von Japan sub¬ ventionierte französische OoniMAnis ass (AarZviM Rsrmis hat einen Dienst von Jokohama nach Buenos Aires eingerichtet. Die Nippon Düsen Kaisha beab¬ sichtigt ebenfalls verschiedne Verbindungen mit amerikanischen Republiken ein¬ zurichten. Daß man aber in Japan auch politische Vorteile aus den Beziehungen mit latino-amerikanischen Republiken ziehn wird, ist bei seiner rücksichtslosen Diplomatie selbstverständlich. Natürlich wird das bei der Schweigsamkeit der Japaner in allen ihr Land betreffenden großen Fragen nicht in die Welt hinaus¬ posaunt werden. Es kommt aber noch ein Punkt hinzu, der im allgemeinen viel zu wenig beachtet wird. Die Latino-Amerikaner werden in Europa und in Nordamerika ohne Unterschied über die Achsel angesehen, und der in Paris für sie geprägte Spottname rastg-eoukrö haftet ihnen jetzt überall an, wo sie sich zeigen. Sie werden mit Japanern, Koreanern, Siamesen und Chinesen auf eine Stufe ge¬ stellt und nirgends für voll angesehen. Nun sehen sie, daß die Japaner jeden¬ falls die ersten Vertreter Ostasiens sind, und daß sie durch ihre großen kriegerischen Erfolge allmählich die Achtung der zivilisierten Welt errungen haben. Es ist also ganz natürlich, daß sie sich zu diesen hingezogen fühlen, besonders da diese jeden Annäherungsversuch herzlich erwidern und durch Er¬ richtung von diplomatischen Vertretungen und durch Entsendung feingebildeter Diplomaten fast nach allen amerikanischen Staaten sich schnell deren Sym¬ pathien erworben haben. Die eingewanderten Japaner sind aber merkwürdiger¬ weise in Peru und^Mexiko von den eingebornen Indianern kaum zu unter¬ scheiden. Das geht so weit, daß Präsident Porfirio Diaz während des russisch¬ japanischen Krieges^als ihm der japanische Gesandte ein Album mit den Photo¬ graphien der japanischen Generale überreicht hatte, einen Bleistift nahm und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/676>, abgerufen am 25.07.2024.