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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

- Sodann untersucht Guenther die Ursachen der unleugbnreu Verminderung unsrer
Vogelwelt, was Arten und Individuen anlangt, und kommt dabei zu dem Ergebnis,
daß sie weit weniger auf dem Vogelmord (zum Beispiel durch die Italiener) als
auf die immer ungünstiger werdenden Fortpflanzungsbedingungen zurückzuführen
sei. "Auf dem freien Lande sucht man jedes Plätzchen nutzbar zu machen; Und
wo früher die weite Fläche in anmutigster Weise durch kleine Wäldchen, Hecken
und Gestrüpp unterbrochen wurde, da dehnen sich jetzt, soweit das Auge reicht,
einheitliche Felder aus. Wie man die Buschbrüter dadurch vertreibt, daß man
ihnen das Gebüsch wegnimmt, so verkürzt man die Baumhöhleubrüter dadurch, daß
man im Walde nur gesunde Bäume stehen läßt, die nicht das kleinste Loch oder
die geringste moderige Stelle aufweisen, welche diese Vögel zur Anlage einer Nisthöhle
ausnutzen könnten. So wird ihnen die Möglichkeit genommen, sich fortzupflanzen."
Daraus ergibt sich, daß man, und zwar im größten Maßstabe, für künstlichen Ersatz
jener natürlichen Nistgelegenheiten sorgen muß. Der Verfasser empfiehlt die Methode
des Freiherrn von Berlepsch, die längst praktisch erprobt ist und Gegenden, die
der Vogelwelt gänzlich entbehrten, in kurzer Zeit mit gefiederten Sängern aller
Art bevölkert hat. Zunächst kommt es darauf an, durch Anpflanzung von Wei߬
dorn, Wildrose, Weißbuche, Akazie, Fichte, Eberesche, Stachelbeere und Johannis¬
beere an geeigneten Stellen in der Feldmark, an Ufern und Wegböschuugen Vogel¬
gehölze anzulegen, die den Buschbrüteru Schutz und Nistgelegenheit bieten. Hier
sind schon einige Eisenbahnverwaltungen mit gutem Beispiel vorangegangen, indem
sie eine oder beide Seiten des Bahndammes mit Hecken bepflanzten, die ja auch
den Vorteil haben, daß sie die Geleise vor Schneeverwehungen schützen. "Die Be-
pflanznngen der Gera-Einsiedler Linie betrugen M Kilonieter und enthielten über
700 Nester. Das Eisenbahnnetz des gesamten Deutschlands schließt über 42000 Kilo¬
meter in sich, das würde bei einer ähnlichen Bepflanzung der Dämme an die
anderthalb Millionen Nester ergeben und die doppelte Zahl, wenn beide Seiten
der Dämme benutzt würden. Rechnen wir auf jedes Nest vier Eier, so würden
allein den Eisenbahndämmen zwölf Millionen Vögel entfliegen, und von den lang¬
weiligen und häßlichen Schienensträngen würde sich eine Fülle von Schönheit und
Lieblichkeit und des Nutzens über unser Vaterland ergießen."

Für die Höhlenbrüter empfiehlt Guenther die Verwendung der Berlepschschen
Nisthöhlen, die ja längst die unzweckmäßigen, aus Brettchen zusammengeschlagnen,
im besten Falle von Staren, meist aber nur von Sperlingen benutzten Nistkästen
verdrängt haben und von der Fabrik von Berlepschscher Nisthöhlen (Hera. Scheit)
in Büren in Westfalen zu sehr wohlfeilen Preisen bezogen werden können.

Wer die Ratschläge des kleinen Buches beherzigt, der wird auf Erfolg rechnen
können. Allen Naturfreunden, Gartenbesitzern, Landwirten und Weidmännern er¬
öffnet sich hier ein reiches Feld segensreicher und freudenbringender Tätigkeit!


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Maßgebliches und Unmaßgebliches

- Sodann untersucht Guenther die Ursachen der unleugbnreu Verminderung unsrer
Vogelwelt, was Arten und Individuen anlangt, und kommt dabei zu dem Ergebnis,
daß sie weit weniger auf dem Vogelmord (zum Beispiel durch die Italiener) als
auf die immer ungünstiger werdenden Fortpflanzungsbedingungen zurückzuführen
sei. „Auf dem freien Lande sucht man jedes Plätzchen nutzbar zu machen; Und
wo früher die weite Fläche in anmutigster Weise durch kleine Wäldchen, Hecken
und Gestrüpp unterbrochen wurde, da dehnen sich jetzt, soweit das Auge reicht,
einheitliche Felder aus. Wie man die Buschbrüter dadurch vertreibt, daß man
ihnen das Gebüsch wegnimmt, so verkürzt man die Baumhöhleubrüter dadurch, daß
man im Walde nur gesunde Bäume stehen läßt, die nicht das kleinste Loch oder
die geringste moderige Stelle aufweisen, welche diese Vögel zur Anlage einer Nisthöhle
ausnutzen könnten. So wird ihnen die Möglichkeit genommen, sich fortzupflanzen."
Daraus ergibt sich, daß man, und zwar im größten Maßstabe, für künstlichen Ersatz
jener natürlichen Nistgelegenheiten sorgen muß. Der Verfasser empfiehlt die Methode
des Freiherrn von Berlepsch, die längst praktisch erprobt ist und Gegenden, die
der Vogelwelt gänzlich entbehrten, in kurzer Zeit mit gefiederten Sängern aller
Art bevölkert hat. Zunächst kommt es darauf an, durch Anpflanzung von Wei߬
dorn, Wildrose, Weißbuche, Akazie, Fichte, Eberesche, Stachelbeere und Johannis¬
beere an geeigneten Stellen in der Feldmark, an Ufern und Wegböschuugen Vogel¬
gehölze anzulegen, die den Buschbrüteru Schutz und Nistgelegenheit bieten. Hier
sind schon einige Eisenbahnverwaltungen mit gutem Beispiel vorangegangen, indem
sie eine oder beide Seiten des Bahndammes mit Hecken bepflanzten, die ja auch
den Vorteil haben, daß sie die Geleise vor Schneeverwehungen schützen. „Die Be-
pflanznngen der Gera-Einsiedler Linie betrugen M Kilonieter und enthielten über
700 Nester. Das Eisenbahnnetz des gesamten Deutschlands schließt über 42000 Kilo¬
meter in sich, das würde bei einer ähnlichen Bepflanzung der Dämme an die
anderthalb Millionen Nester ergeben und die doppelte Zahl, wenn beide Seiten
der Dämme benutzt würden. Rechnen wir auf jedes Nest vier Eier, so würden
allein den Eisenbahndämmen zwölf Millionen Vögel entfliegen, und von den lang¬
weiligen und häßlichen Schienensträngen würde sich eine Fülle von Schönheit und
Lieblichkeit und des Nutzens über unser Vaterland ergießen."

Für die Höhlenbrüter empfiehlt Guenther die Verwendung der Berlepschschen
Nisthöhlen, die ja längst die unzweckmäßigen, aus Brettchen zusammengeschlagnen,
im besten Falle von Staren, meist aber nur von Sperlingen benutzten Nistkästen
verdrängt haben und von der Fabrik von Berlepschscher Nisthöhlen (Hera. Scheit)
in Büren in Westfalen zu sehr wohlfeilen Preisen bezogen werden können.

Wer die Ratschläge des kleinen Buches beherzigt, der wird auf Erfolg rechnen
können. Allen Naturfreunden, Gartenbesitzern, Landwirten und Weidmännern er¬
öffnet sich hier ein reiches Feld segensreicher und freudenbringender Tätigkeit!


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[0672] Maßgebliches und Unmaßgebliches - Sodann untersucht Guenther die Ursachen der unleugbnreu Verminderung unsrer Vogelwelt, was Arten und Individuen anlangt, und kommt dabei zu dem Ergebnis, daß sie weit weniger auf dem Vogelmord (zum Beispiel durch die Italiener) als auf die immer ungünstiger werdenden Fortpflanzungsbedingungen zurückzuführen sei. „Auf dem freien Lande sucht man jedes Plätzchen nutzbar zu machen; Und wo früher die weite Fläche in anmutigster Weise durch kleine Wäldchen, Hecken und Gestrüpp unterbrochen wurde, da dehnen sich jetzt, soweit das Auge reicht, einheitliche Felder aus. Wie man die Buschbrüter dadurch vertreibt, daß man ihnen das Gebüsch wegnimmt, so verkürzt man die Baumhöhleubrüter dadurch, daß man im Walde nur gesunde Bäume stehen läßt, die nicht das kleinste Loch oder die geringste moderige Stelle aufweisen, welche diese Vögel zur Anlage einer Nisthöhle ausnutzen könnten. So wird ihnen die Möglichkeit genommen, sich fortzupflanzen." Daraus ergibt sich, daß man, und zwar im größten Maßstabe, für künstlichen Ersatz jener natürlichen Nistgelegenheiten sorgen muß. Der Verfasser empfiehlt die Methode des Freiherrn von Berlepsch, die längst praktisch erprobt ist und Gegenden, die der Vogelwelt gänzlich entbehrten, in kurzer Zeit mit gefiederten Sängern aller Art bevölkert hat. Zunächst kommt es darauf an, durch Anpflanzung von Wei߬ dorn, Wildrose, Weißbuche, Akazie, Fichte, Eberesche, Stachelbeere und Johannis¬ beere an geeigneten Stellen in der Feldmark, an Ufern und Wegböschuugen Vogel¬ gehölze anzulegen, die den Buschbrüteru Schutz und Nistgelegenheit bieten. Hier sind schon einige Eisenbahnverwaltungen mit gutem Beispiel vorangegangen, indem sie eine oder beide Seiten des Bahndammes mit Hecken bepflanzten, die ja auch den Vorteil haben, daß sie die Geleise vor Schneeverwehungen schützen. „Die Be- pflanznngen der Gera-Einsiedler Linie betrugen M Kilonieter und enthielten über 700 Nester. Das Eisenbahnnetz des gesamten Deutschlands schließt über 42000 Kilo¬ meter in sich, das würde bei einer ähnlichen Bepflanzung der Dämme an die anderthalb Millionen Nester ergeben und die doppelte Zahl, wenn beide Seiten der Dämme benutzt würden. Rechnen wir auf jedes Nest vier Eier, so würden allein den Eisenbahndämmen zwölf Millionen Vögel entfliegen, und von den lang¬ weiligen und häßlichen Schienensträngen würde sich eine Fülle von Schönheit und Lieblichkeit und des Nutzens über unser Vaterland ergießen." Für die Höhlenbrüter empfiehlt Guenther die Verwendung der Berlepschschen Nisthöhlen, die ja längst die unzweckmäßigen, aus Brettchen zusammengeschlagnen, im besten Falle von Staren, meist aber nur von Sperlingen benutzten Nistkästen verdrängt haben und von der Fabrik von Berlepschscher Nisthöhlen (Hera. Scheit) in Büren in Westfalen zu sehr wohlfeilen Preisen bezogen werden können. Wer die Ratschläge des kleinen Buches beherzigt, der wird auf Erfolg rechnen können. Allen Naturfreunden, Gartenbesitzern, Landwirten und Weidmännern er¬ öffnet sich hier ein reiches Feld segensreicher und freudenbringender Tätigkeit! ' I'R>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/672>, abgerufen am 04.07.2024.