Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.Uunstgeschichtliche Umschau Die Bedenken, Zweifel und Fragen, die den Lesern bei dieser Zeit- Kunstgeschichtliche Umschau . ^>as waren schöne Zeiten, als wir begeistert den Mulder lasen! Aber ein jedes Ding hat seine Zeit. Es kam die (Zöntennals bei der Uunstgeschichtliche Umschau Die Bedenken, Zweifel und Fragen, die den Lesern bei dieser Zeit- Kunstgeschichtliche Umschau . ^>as waren schöne Zeiten, als wir begeistert den Mulder lasen! Aber ein jedes Ding hat seine Zeit. Es kam die (Zöntennals bei der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0645" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301899"/> <fw type="header" place="top"> Uunstgeschichtliche Umschau</fw><lb/> <p xml:id="ID_2350"> Die Bedenken, Zweifel und Fragen, die den Lesern bei dieser Zeit-<lb/> schriftenschan aufgestiegen sein werden, mögen sie sich vorläufig selbst beant¬<lb/> worten. Wollte ich darauf eingehen, so würde ein halbes Dutzend Artikel<lb/> daraus werden. Ich habe mich auch der kleinsten Glossen schon aus dem<lb/> Grunde enthalten, weil ich den Eindruck dieses ganz objektiven Referats nicht<lb/> abschwächen wollte. Wir sehen daraus, daß in unserm Vaterlande Tausende<lb/> von gebildeten Katholiken leben, die, ohne ihrer Kirche im mindesten untreu<lb/> zu werden, den besten Teil der deutschen Kultur mit uns gemein haben; die<lb/> eifrig an der Überbrückung der Kluft arbeiten, die sie von uns trennt, und die<lb/> nach tätiger Teilnahme am höchsten und feinsten Geistesleben der Nation ver¬<lb/> langen. Das höchste und feinste Geistesleben werden ja gerade Katholiken vom<lb/> Schlage Falkenbergs für sich in Anspruch nehmen. Indes können wir uns mit<lb/> denen nicht auseinandersetzen, denn dadurch würden wir uns in die langwierigen<lb/> E<note type="byline"> L. I-</note> rörterungen verwickeln, die hier vermieden werden sollen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Kunstgeschichtliche Umschau</head><lb/> <p xml:id="ID_2351"> . ^>as waren schöne Zeiten, als wir begeistert den Mulder lasen!<lb/> Jung waren wir, und jugendlich stürmisch; keck sprach dieses Buch<lb/> zu uns von der neuen Kunst des alten Jahrhunderts. Der brave<lb/> Lübke und auch der greise Springer erschienen nun ganz und gar<lb/> ! unmöglich und überholt. Die drei dicken Bände lasen sich wie<lb/> ein spannender Roman. Ein rhythmisches Auf und Nieder belebte die Dar¬<lb/> stellung, die Gruppen der Wahlverwandten bildeten sich vor unfein Augen,<lb/> kämpften und unterlagen, oder sie bestanden unerschütterlich den stumpfen Geist<lb/> der Zeit. Es war eine Freude, an diesem vielgestaltigen Leben teilzunehmen,<lb/> die Welt der bunten Bilder — Mulder hatte ja nur die Malerei allein im<lb/> Auge — erschien so unendlich reich und zukunftsreich. Wir begeisterten uns<lb/> um so heißer für sie, je weniger positive Kenntnis wir von ihr hatten, je ver¬<lb/> schwommener wir unsre Vorstellungen über sie an den schlechten Reproduktionen<lb/> jener Jahre genährt hatten. Auf Treu und Glauben gingen wir mit unserm<lb/> Führer durch dick und dünn. Ging es doch wider die Philister! Gegen die<lb/> Gartenlanbenkunst! Gegen den Kitsch! Ach ja, es waren schöne Zeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2352" next="#ID_2353"> Aber ein jedes Ding hat seine Zeit. Es kam die (Zöntennals bei der<lb/> Weltausstellung von 1900 und zeigte neue Richtungslinien. Der eine oder<lb/> der andre von uns ging nach England, durchstöberte die Sammlungen, dachte<lb/> an Mulder und schüttelte den Kopf. Und es kam das Allerschlimmste und<lb/> Allerschönste: die Jahrhundertausstellung deutscher Kunst Anno 1906 in Berlin.<lb/> Schlimm für so manche Kunstgeschichte, schön und erkenntnisschwer für uns.<lb/> Wir sahen, daß Deutschland seine eigne, feine und besinnliche Kunst gehabt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0645]
Uunstgeschichtliche Umschau
Die Bedenken, Zweifel und Fragen, die den Lesern bei dieser Zeit-
schriftenschan aufgestiegen sein werden, mögen sie sich vorläufig selbst beant¬
worten. Wollte ich darauf eingehen, so würde ein halbes Dutzend Artikel
daraus werden. Ich habe mich auch der kleinsten Glossen schon aus dem
Grunde enthalten, weil ich den Eindruck dieses ganz objektiven Referats nicht
abschwächen wollte. Wir sehen daraus, daß in unserm Vaterlande Tausende
von gebildeten Katholiken leben, die, ohne ihrer Kirche im mindesten untreu
zu werden, den besten Teil der deutschen Kultur mit uns gemein haben; die
eifrig an der Überbrückung der Kluft arbeiten, die sie von uns trennt, und die
nach tätiger Teilnahme am höchsten und feinsten Geistesleben der Nation ver¬
langen. Das höchste und feinste Geistesleben werden ja gerade Katholiken vom
Schlage Falkenbergs für sich in Anspruch nehmen. Indes können wir uns mit
denen nicht auseinandersetzen, denn dadurch würden wir uns in die langwierigen
E L. I- rörterungen verwickeln, die hier vermieden werden sollen.
Kunstgeschichtliche Umschau
. ^>as waren schöne Zeiten, als wir begeistert den Mulder lasen!
Jung waren wir, und jugendlich stürmisch; keck sprach dieses Buch
zu uns von der neuen Kunst des alten Jahrhunderts. Der brave
Lübke und auch der greise Springer erschienen nun ganz und gar
! unmöglich und überholt. Die drei dicken Bände lasen sich wie
ein spannender Roman. Ein rhythmisches Auf und Nieder belebte die Dar¬
stellung, die Gruppen der Wahlverwandten bildeten sich vor unfein Augen,
kämpften und unterlagen, oder sie bestanden unerschütterlich den stumpfen Geist
der Zeit. Es war eine Freude, an diesem vielgestaltigen Leben teilzunehmen,
die Welt der bunten Bilder — Mulder hatte ja nur die Malerei allein im
Auge — erschien so unendlich reich und zukunftsreich. Wir begeisterten uns
um so heißer für sie, je weniger positive Kenntnis wir von ihr hatten, je ver¬
schwommener wir unsre Vorstellungen über sie an den schlechten Reproduktionen
jener Jahre genährt hatten. Auf Treu und Glauben gingen wir mit unserm
Führer durch dick und dünn. Ging es doch wider die Philister! Gegen die
Gartenlanbenkunst! Gegen den Kitsch! Ach ja, es waren schöne Zeiten.
Aber ein jedes Ding hat seine Zeit. Es kam die (Zöntennals bei der
Weltausstellung von 1900 und zeigte neue Richtungslinien. Der eine oder
der andre von uns ging nach England, durchstöberte die Sammlungen, dachte
an Mulder und schüttelte den Kopf. Und es kam das Allerschlimmste und
Allerschönste: die Jahrhundertausstellung deutscher Kunst Anno 1906 in Berlin.
Schlimm für so manche Kunstgeschichte, schön und erkenntnisschwer für uns.
Wir sahen, daß Deutschland seine eigne, feine und besinnliche Kunst gehabt
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