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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Das höhere Schulwesen in Luroxa

wenn die Anstalt Unterricht in diesen Sprachen nicht erteilt hat, Finnland hat
seit 1884 achtstufige Lyzeen, von denen die klassischen Latein treiben, an dessen
Stelle in den Reallyzeen Französisch tritt. Schweden hat 1905 mit der Durch¬
führung der Reform seines Schulwesens begonnen, um das Prinzip der Ein¬
heitsschule zu verwirklichen, wie es in Norwegen und in Dänemark schon aus¬
gestaltet worden ist. Auf die drei Jahresstufen der allgemeinen Volksschule
baut sich zunächst die sechsstufige Realschule auf, deren Ziel eine allgemeine
bürgerliche Bildung ist. Aus der fünften Klasse der Realschule erfolgt der
Übergang in das vierstufige Gymnasium, das sich sofort in zwei Linien, das
lateinlose Realgymnasium und das Lateingymnastum, gabelt, aber durch das am
Schlüsse abzulegende sogenannte Studentenexamen ganz allgemein den Zugang
zum Hochschulstudium eröffnet. Die besondern Aufnahmebestimmungen einzelner
Universitätsfakultäten und der übrigen Hochschulen verlangen jedoch von dem
Abiturienten, je nachdem er von einem Realgymnasium oder einem Latein¬
gymnasium kommt, gewisse Ergänzungsprüfungen. Der fremdsprachige Unterricht
erstreckt sich in der Realschule auf das Deutsche und das Englische, wozu im
Gymnasium noch das Französische und im Lateingymnasium außerdem noch das
Latein treten. Wahlfrei ist in der Realschule der Unterricht im Französischen,
im Lateingymnasium der Unterricht im Griechischen.

In Norwegen baut sich seit 1896 die aus der sogenannten vierstufigen
Mittelschule und dem dreistufigen Gymnasium bestehende höhere Schule auf die
fünfstufige Elementarschule auf. Das Gymnasium gabelt sich von der zweiten
Stufe an in eine mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung, das sogenannte
Realgymnasium, und in eine sprachlich-historische Abteilung, die sich unter Um¬
ständen auf der obersten Stufe wieder in eine lateinische und eine lateinlose
spalten kann. Im allgemeinen ist der Unterricht in den klassischen Sprachen
der Universität überwiesen, nur einigen Gymnasien, wie der Kathedralschule in
Christiania, ist der Unterricht im Latein bei entsprechender Verminderung der
Lehrstunden in andern Fächern freigegeben. Mittelschule wie Gymnasium schließen
mit einer Abgangsprüfung, dem Mittelschulexamen und dem examsn artmrn.
Jenes berechtigt zum Eintritt in das Gymnasium und zum Besuche der drei
technischen Hochschulen in Christiania, Trondhjem und Bergen, dieses zum Uni¬
versitätsstudium, das in allen Fakultäten mit einem vorbereitenden Unterricht
in Philosophie und alten Sprachen beginnt, wozu für Theologen noch Griechisch
und Hebräisch kommen.

Dänemark führt seit 1903 das Prinzip der Einheitsschule durch. An den
allgemeinen Volksschulunterricht schließt sich für Kinder im Alter von elf bis
zwölf Jahren die vierstufige Mittelschule mit fremdsprachigem Unterricht in
Deutsch und Englisch sowie fakultativen Unterricht in Latein oder Französisch
auf der obersten Stufe an. Das am Schluß des vierten Jahreskursus abzu¬
legende Mittelschulexamen eröffnet den Zugang zu dem dreistufigen Gymnasium,
das sich in drei Abteilungen gabelt: die klassisch-sprachliche mit Latein und


Das höhere Schulwesen in Luroxa

wenn die Anstalt Unterricht in diesen Sprachen nicht erteilt hat, Finnland hat
seit 1884 achtstufige Lyzeen, von denen die klassischen Latein treiben, an dessen
Stelle in den Reallyzeen Französisch tritt. Schweden hat 1905 mit der Durch¬
führung der Reform seines Schulwesens begonnen, um das Prinzip der Ein¬
heitsschule zu verwirklichen, wie es in Norwegen und in Dänemark schon aus¬
gestaltet worden ist. Auf die drei Jahresstufen der allgemeinen Volksschule
baut sich zunächst die sechsstufige Realschule auf, deren Ziel eine allgemeine
bürgerliche Bildung ist. Aus der fünften Klasse der Realschule erfolgt der
Übergang in das vierstufige Gymnasium, das sich sofort in zwei Linien, das
lateinlose Realgymnasium und das Lateingymnastum, gabelt, aber durch das am
Schlüsse abzulegende sogenannte Studentenexamen ganz allgemein den Zugang
zum Hochschulstudium eröffnet. Die besondern Aufnahmebestimmungen einzelner
Universitätsfakultäten und der übrigen Hochschulen verlangen jedoch von dem
Abiturienten, je nachdem er von einem Realgymnasium oder einem Latein¬
gymnasium kommt, gewisse Ergänzungsprüfungen. Der fremdsprachige Unterricht
erstreckt sich in der Realschule auf das Deutsche und das Englische, wozu im
Gymnasium noch das Französische und im Lateingymnasium außerdem noch das
Latein treten. Wahlfrei ist in der Realschule der Unterricht im Französischen,
im Lateingymnasium der Unterricht im Griechischen.

In Norwegen baut sich seit 1896 die aus der sogenannten vierstufigen
Mittelschule und dem dreistufigen Gymnasium bestehende höhere Schule auf die
fünfstufige Elementarschule auf. Das Gymnasium gabelt sich von der zweiten
Stufe an in eine mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung, das sogenannte
Realgymnasium, und in eine sprachlich-historische Abteilung, die sich unter Um¬
ständen auf der obersten Stufe wieder in eine lateinische und eine lateinlose
spalten kann. Im allgemeinen ist der Unterricht in den klassischen Sprachen
der Universität überwiesen, nur einigen Gymnasien, wie der Kathedralschule in
Christiania, ist der Unterricht im Latein bei entsprechender Verminderung der
Lehrstunden in andern Fächern freigegeben. Mittelschule wie Gymnasium schließen
mit einer Abgangsprüfung, dem Mittelschulexamen und dem examsn artmrn.
Jenes berechtigt zum Eintritt in das Gymnasium und zum Besuche der drei
technischen Hochschulen in Christiania, Trondhjem und Bergen, dieses zum Uni¬
versitätsstudium, das in allen Fakultäten mit einem vorbereitenden Unterricht
in Philosophie und alten Sprachen beginnt, wozu für Theologen noch Griechisch
und Hebräisch kommen.

Dänemark führt seit 1903 das Prinzip der Einheitsschule durch. An den
allgemeinen Volksschulunterricht schließt sich für Kinder im Alter von elf bis
zwölf Jahren die vierstufige Mittelschule mit fremdsprachigem Unterricht in
Deutsch und Englisch sowie fakultativen Unterricht in Latein oder Französisch
auf der obersten Stufe an. Das am Schluß des vierten Jahreskursus abzu¬
legende Mittelschulexamen eröffnet den Zugang zu dem dreistufigen Gymnasium,
das sich in drei Abteilungen gabelt: die klassisch-sprachliche mit Latein und


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[0631] Das höhere Schulwesen in Luroxa wenn die Anstalt Unterricht in diesen Sprachen nicht erteilt hat, Finnland hat seit 1884 achtstufige Lyzeen, von denen die klassischen Latein treiben, an dessen Stelle in den Reallyzeen Französisch tritt. Schweden hat 1905 mit der Durch¬ führung der Reform seines Schulwesens begonnen, um das Prinzip der Ein¬ heitsschule zu verwirklichen, wie es in Norwegen und in Dänemark schon aus¬ gestaltet worden ist. Auf die drei Jahresstufen der allgemeinen Volksschule baut sich zunächst die sechsstufige Realschule auf, deren Ziel eine allgemeine bürgerliche Bildung ist. Aus der fünften Klasse der Realschule erfolgt der Übergang in das vierstufige Gymnasium, das sich sofort in zwei Linien, das lateinlose Realgymnasium und das Lateingymnastum, gabelt, aber durch das am Schlüsse abzulegende sogenannte Studentenexamen ganz allgemein den Zugang zum Hochschulstudium eröffnet. Die besondern Aufnahmebestimmungen einzelner Universitätsfakultäten und der übrigen Hochschulen verlangen jedoch von dem Abiturienten, je nachdem er von einem Realgymnasium oder einem Latein¬ gymnasium kommt, gewisse Ergänzungsprüfungen. Der fremdsprachige Unterricht erstreckt sich in der Realschule auf das Deutsche und das Englische, wozu im Gymnasium noch das Französische und im Lateingymnasium außerdem noch das Latein treten. Wahlfrei ist in der Realschule der Unterricht im Französischen, im Lateingymnasium der Unterricht im Griechischen. In Norwegen baut sich seit 1896 die aus der sogenannten vierstufigen Mittelschule und dem dreistufigen Gymnasium bestehende höhere Schule auf die fünfstufige Elementarschule auf. Das Gymnasium gabelt sich von der zweiten Stufe an in eine mathematisch-naturwissenschaftliche Abteilung, das sogenannte Realgymnasium, und in eine sprachlich-historische Abteilung, die sich unter Um¬ ständen auf der obersten Stufe wieder in eine lateinische und eine lateinlose spalten kann. Im allgemeinen ist der Unterricht in den klassischen Sprachen der Universität überwiesen, nur einigen Gymnasien, wie der Kathedralschule in Christiania, ist der Unterricht im Latein bei entsprechender Verminderung der Lehrstunden in andern Fächern freigegeben. Mittelschule wie Gymnasium schließen mit einer Abgangsprüfung, dem Mittelschulexamen und dem examsn artmrn. Jenes berechtigt zum Eintritt in das Gymnasium und zum Besuche der drei technischen Hochschulen in Christiania, Trondhjem und Bergen, dieses zum Uni¬ versitätsstudium, das in allen Fakultäten mit einem vorbereitenden Unterricht in Philosophie und alten Sprachen beginnt, wozu für Theologen noch Griechisch und Hebräisch kommen. Dänemark führt seit 1903 das Prinzip der Einheitsschule durch. An den allgemeinen Volksschulunterricht schließt sich für Kinder im Alter von elf bis zwölf Jahren die vierstufige Mittelschule mit fremdsprachigem Unterricht in Deutsch und Englisch sowie fakultativen Unterricht in Latein oder Französisch auf der obersten Stufe an. Das am Schluß des vierten Jahreskursus abzu¬ legende Mittelschulexamen eröffnet den Zugang zu dem dreistufigen Gymnasium, das sich in drei Abteilungen gabelt: die klassisch-sprachliche mit Latein und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/631>, abgerufen am 26.07.2024.