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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Werden, für ausreichenden Ersatz Sorge zu tragen. Daß aber unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen des Mannschaftsmangels die Ausbildung und kriegs¬
mäßige Verwendung der Flotte leiden muß, auch wenn sie noch so tüchtige und
brauchbare Seeoffiziere hat, leuchtet ohne weiteres ein und wird auch in ma߬
gebenden Kreisen der amerikanischen Marine unumwunden zugestanden. Am
ehrlichsten vom Admiral Dewey, dem Sieger von Manila, der in offner Aus¬
sprache seine Landsleute davor warnt, auf den Lorbeeren des Krieges mit Spanien
auszuruhen und in einem etwaigen Seekriege mit einer Großmacht auf ebenso
leichte Erfolge zu rechnen. Die spanische Flotte sei kein ebenbürtiger Gegner
gewesen, und die damals gesammelten Erfahrungen, so lehrreich sie auch an sich
gewesen wären, seien nicht ausreichend, daß man darauf mit Sicherheit Hoff¬
nungen auf siegreiche Schlachten in der Zukunft aufbauen könne. Admiral
Dewey verlangt kategorisch, daß weit mehr als bisher für die Ausbildung der
Flotte geschehe, daß vor allen Dingen größeres Gewicht auf die Übungen im
Geschwaderverbande gelegt werde, und er verlangt weiter, daß im Schiffbau die
zahlreichen Fehler vermieden werden, die früher gemacht wurden, und von denen
als die namhaftesten der Einhalt von Etagentürmen, die Verwendung nicht
genügend brauchbarer Kessel und die mangelhafte Beschaffenheit einzelner Ge¬
schützkaliber aufzuführen seien.

Aber noch ein andrer Umstand ist es, der gegenwärtig der Verwendung
der amerikanischen Flotte, namentlich vom Standpunkt einheitlicher und ge¬
schlossener Führung im Stillen Ozean, durchaus hindernd im Wege steht. Das
ist die Gliederung des gesamten Schisfsbestcmdes in eine atlantische, asiatische
und pazifische Flotte, wobei zu berücksichtigen ist, daß zurzeit nur die atlantische
Flotte, in vier Geschwader zu je zwei Divisionen geteilt, einen aus allen Schiffs¬
klassen kriegsmäßig geordneten Verband darstellt. Aber auch wenn man den
günstigen Fall voraussetzen wollte, daß diese Flotte bei einem Kriegsfall in der
kürzesten Zeit ihre Mobilmachung beendigen und nach dem Stillen Ozean ab¬
dampfen könnte, um hier den japanischen Geschwadern entgegenzutreten, so würde
sie, dieselben Abmarschzeiten wie beim Gegner vorausgesetzt, schwerlich noch zur
rechten Zeit eintreffen, um eine entscheidende Niederlage ihrer bis dahin wohl
vereinten asiatischen und pazifischen Flotten zu verhindern. Denn die Entfernung
vom Atlantischen zum Stillen Ozean ist so groß, daß nahezu zwei Monate vergehn
dürsten, bevor die Gegend von San Francisco erreicht werden kann, wobei keinerlei
Zwischenfälle in Rechnung gestellt sind, die unter anderen dadurch eintreten
könnten, daß dem Geschwader auf der langen Fahrt von einer Küste zur andern
nicht eine einzige Kohlenstation zur Verfügung steht. Demgegenüber würde
aber die japanische Flotte schon in etwa fünfundzwanzig Tagen an der West¬
küste von Nordamerika erscheinen können und nach erfolgten: Zurückwerfen der
schwachen asiatischen und pazifischen Flotte verhältnismäßig geringe Schwierig¬
keiten finden, an irgendeiner geeigneten Stelle der mehr als 2000 Kilometer
langen Küste ein genügend starkes Landungskorps auszuschiffen.


Grenzboten I 1907 79
Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

Werden, für ausreichenden Ersatz Sorge zu tragen. Daß aber unter den gegen¬
wärtigen Verhältnissen des Mannschaftsmangels die Ausbildung und kriegs¬
mäßige Verwendung der Flotte leiden muß, auch wenn sie noch so tüchtige und
brauchbare Seeoffiziere hat, leuchtet ohne weiteres ein und wird auch in ma߬
gebenden Kreisen der amerikanischen Marine unumwunden zugestanden. Am
ehrlichsten vom Admiral Dewey, dem Sieger von Manila, der in offner Aus¬
sprache seine Landsleute davor warnt, auf den Lorbeeren des Krieges mit Spanien
auszuruhen und in einem etwaigen Seekriege mit einer Großmacht auf ebenso
leichte Erfolge zu rechnen. Die spanische Flotte sei kein ebenbürtiger Gegner
gewesen, und die damals gesammelten Erfahrungen, so lehrreich sie auch an sich
gewesen wären, seien nicht ausreichend, daß man darauf mit Sicherheit Hoff¬
nungen auf siegreiche Schlachten in der Zukunft aufbauen könne. Admiral
Dewey verlangt kategorisch, daß weit mehr als bisher für die Ausbildung der
Flotte geschehe, daß vor allen Dingen größeres Gewicht auf die Übungen im
Geschwaderverbande gelegt werde, und er verlangt weiter, daß im Schiffbau die
zahlreichen Fehler vermieden werden, die früher gemacht wurden, und von denen
als die namhaftesten der Einhalt von Etagentürmen, die Verwendung nicht
genügend brauchbarer Kessel und die mangelhafte Beschaffenheit einzelner Ge¬
schützkaliber aufzuführen seien.

Aber noch ein andrer Umstand ist es, der gegenwärtig der Verwendung
der amerikanischen Flotte, namentlich vom Standpunkt einheitlicher und ge¬
schlossener Führung im Stillen Ozean, durchaus hindernd im Wege steht. Das
ist die Gliederung des gesamten Schisfsbestcmdes in eine atlantische, asiatische
und pazifische Flotte, wobei zu berücksichtigen ist, daß zurzeit nur die atlantische
Flotte, in vier Geschwader zu je zwei Divisionen geteilt, einen aus allen Schiffs¬
klassen kriegsmäßig geordneten Verband darstellt. Aber auch wenn man den
günstigen Fall voraussetzen wollte, daß diese Flotte bei einem Kriegsfall in der
kürzesten Zeit ihre Mobilmachung beendigen und nach dem Stillen Ozean ab¬
dampfen könnte, um hier den japanischen Geschwadern entgegenzutreten, so würde
sie, dieselben Abmarschzeiten wie beim Gegner vorausgesetzt, schwerlich noch zur
rechten Zeit eintreffen, um eine entscheidende Niederlage ihrer bis dahin wohl
vereinten asiatischen und pazifischen Flotten zu verhindern. Denn die Entfernung
vom Atlantischen zum Stillen Ozean ist so groß, daß nahezu zwei Monate vergehn
dürsten, bevor die Gegend von San Francisco erreicht werden kann, wobei keinerlei
Zwischenfälle in Rechnung gestellt sind, die unter anderen dadurch eintreten
könnten, daß dem Geschwader auf der langen Fahrt von einer Küste zur andern
nicht eine einzige Kohlenstation zur Verfügung steht. Demgegenüber würde
aber die japanische Flotte schon in etwa fünfundzwanzig Tagen an der West¬
küste von Nordamerika erscheinen können und nach erfolgten: Zurückwerfen der
schwachen asiatischen und pazifischen Flotte verhältnismäßig geringe Schwierig¬
keiten finden, an irgendeiner geeigneten Stelle der mehr als 2000 Kilometer
langen Küste ein genügend starkes Landungskorps auszuschiffen.


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[0617] Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika Werden, für ausreichenden Ersatz Sorge zu tragen. Daß aber unter den gegen¬ wärtigen Verhältnissen des Mannschaftsmangels die Ausbildung und kriegs¬ mäßige Verwendung der Flotte leiden muß, auch wenn sie noch so tüchtige und brauchbare Seeoffiziere hat, leuchtet ohne weiteres ein und wird auch in ma߬ gebenden Kreisen der amerikanischen Marine unumwunden zugestanden. Am ehrlichsten vom Admiral Dewey, dem Sieger von Manila, der in offner Aus¬ sprache seine Landsleute davor warnt, auf den Lorbeeren des Krieges mit Spanien auszuruhen und in einem etwaigen Seekriege mit einer Großmacht auf ebenso leichte Erfolge zu rechnen. Die spanische Flotte sei kein ebenbürtiger Gegner gewesen, und die damals gesammelten Erfahrungen, so lehrreich sie auch an sich gewesen wären, seien nicht ausreichend, daß man darauf mit Sicherheit Hoff¬ nungen auf siegreiche Schlachten in der Zukunft aufbauen könne. Admiral Dewey verlangt kategorisch, daß weit mehr als bisher für die Ausbildung der Flotte geschehe, daß vor allen Dingen größeres Gewicht auf die Übungen im Geschwaderverbande gelegt werde, und er verlangt weiter, daß im Schiffbau die zahlreichen Fehler vermieden werden, die früher gemacht wurden, und von denen als die namhaftesten der Einhalt von Etagentürmen, die Verwendung nicht genügend brauchbarer Kessel und die mangelhafte Beschaffenheit einzelner Ge¬ schützkaliber aufzuführen seien. Aber noch ein andrer Umstand ist es, der gegenwärtig der Verwendung der amerikanischen Flotte, namentlich vom Standpunkt einheitlicher und ge¬ schlossener Führung im Stillen Ozean, durchaus hindernd im Wege steht. Das ist die Gliederung des gesamten Schisfsbestcmdes in eine atlantische, asiatische und pazifische Flotte, wobei zu berücksichtigen ist, daß zurzeit nur die atlantische Flotte, in vier Geschwader zu je zwei Divisionen geteilt, einen aus allen Schiffs¬ klassen kriegsmäßig geordneten Verband darstellt. Aber auch wenn man den günstigen Fall voraussetzen wollte, daß diese Flotte bei einem Kriegsfall in der kürzesten Zeit ihre Mobilmachung beendigen und nach dem Stillen Ozean ab¬ dampfen könnte, um hier den japanischen Geschwadern entgegenzutreten, so würde sie, dieselben Abmarschzeiten wie beim Gegner vorausgesetzt, schwerlich noch zur rechten Zeit eintreffen, um eine entscheidende Niederlage ihrer bis dahin wohl vereinten asiatischen und pazifischen Flotten zu verhindern. Denn die Entfernung vom Atlantischen zum Stillen Ozean ist so groß, daß nahezu zwei Monate vergehn dürsten, bevor die Gegend von San Francisco erreicht werden kann, wobei keinerlei Zwischenfälle in Rechnung gestellt sind, die unter anderen dadurch eintreten könnten, daß dem Geschwader auf der langen Fahrt von einer Küste zur andern nicht eine einzige Kohlenstation zur Verfügung steht. Demgegenüber würde aber die japanische Flotte schon in etwa fünfundzwanzig Tagen an der West¬ küste von Nordamerika erscheinen können und nach erfolgten: Zurückwerfen der schwachen asiatischen und pazifischen Flotte verhältnismäßig geringe Schwierig¬ keiten finden, an irgendeiner geeigneten Stelle der mehr als 2000 Kilometer langen Küste ein genügend starkes Landungskorps auszuschiffen. Grenzboten I 1907 79

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/617>, abgerufen am 04.07.2024.