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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

desselben Typs wie des oben angegebnen, um damit zwei ganz homogene
Schiffe von überlegner Größe in einem Geschwaderverbande zu haben. Der
Nachfolger Bonapartes, Mr. Metcals, hat dieses Programm zu seinem eignen
gemacht und erreicht, daß unterm 24. Januar von der Marinekommission des
Repräsentantenhauses das beantragte zweite Riesenschlachtschiff bewilligt worden
ist. Mit diesen beiden großen Linienschiffen steht der amerikanischen Marine
ohne Zweifel ein gewaltiger Zuwachs bevor, der um so höher anzuschlagen ist, als
die Flotte noch dazu in den vorhin schon erwähnten Panzerschiffen "Michigan"
und "South Carolina" eine Verstärkung erhalten wird, die an Kampfkraft nicht
viel hinter den Schiffen der Dreadnoughtklasse zurückstehn dürfte. Denn werden
jene beiden Neubauten auch nur eine Wasserverdrängung von 16000 Tonnen
haben und eine Schnelligkeit von achtzehn Knoten erreichen, so geben ihnen doch
die Bestückung von acht 30,5-Zentimeter-Geschützen in vier Türmen und der
Panzerschutz mit einem Gesamtgewichte von 2000 Tonnen eine ganz bedeutende
Stärke. Der Gesamtbestand der amerikanischen Schlachtschiffflotte
wird sich nach Ablieferung der vier zuletzt genannten Schiffe auf
vierundzwanzig stellen, von denen nur drei vor dem Jahre 1893
erbaut sind. Ihnen sind als die nächst stärkern Schiffe elf fertige Panzer¬
kreuzer hinzuzuzählen, während noch vier solcher Kreuzer moderner Konstruktion
im Bau sind.

Diesen verhältnismäßig sehr günstigen Angaben gegenüber darf freilich nicht
in Abrede gestellt werden, daß die amerikanische Flotte so lange nicht auf volle
militärische Verwertung ihres zahlreichen und guten Schiffsmaterials Anspruch
erheben kann, als es ihr nicht gelungen sein wird, den großen Mangel an
Mannschaft zur Besetzung ihrer Schiffe aus der Welt zu schaffen. Zwar spricht
der neuerdings veröffentlichte Bericht des Navigationsbureaus aus, daß in der
Anwerbung von Rekruten gute Fortschritte gemacht werden; eine Besserung der
unerfreulichen Verhältnisse wird auch von dem dem Kongreß vorgelegten Schiffs¬
subventionsgesetz erhofft, das zunächst den zu unterstützenden Dampferlinien
Matrosen zuführen soll, die später der Kriegsflotte als Reserve zugute kommen
könnten, und auch Mittel sind jetzt schon vom Repräsentantenhause bewilligt
worden, um 3000 Matrosen und 900 Marinesoldaten anzuwerben. In Wirk¬
lichkeit aber ist es um den Bemannungsstand recht schlecht bestellt, denn erst
in diesen Tagen hat das Marineamt bekannt machen müssen, daß die Indienst¬
stellung von vier neuen Schlachtschiffen "Georgia", "Minnesota", "Vermont" und
"Kansas" sowie des Kreuzers "Se. Paul" bis zum 15. März hinausgeschoben
worden sei, weil es für diese Schiffe an der notwendigen Mannschaft fehle.

Insgesamt sollen die offnen Stellen an dem gesetzmäßig festgelegten Friedens¬
besatzungsstande der Flotte von 37000 Mann rund 5000 Mann betragen, und
Schwarzseher haben vielleicht nicht ganz unrecht, wenn sie behaupten, daß sich
bis zum Jahre 1910 die Abgänge an der Schiffsbemannung vervierfacht haben
werden, wenn von der Regierung nicht die ernsthaftesten Anstrengungen gemacht


Die militärpolitische Lage in den vereinigten Staaten von Nordamerika

desselben Typs wie des oben angegebnen, um damit zwei ganz homogene
Schiffe von überlegner Größe in einem Geschwaderverbande zu haben. Der
Nachfolger Bonapartes, Mr. Metcals, hat dieses Programm zu seinem eignen
gemacht und erreicht, daß unterm 24. Januar von der Marinekommission des
Repräsentantenhauses das beantragte zweite Riesenschlachtschiff bewilligt worden
ist. Mit diesen beiden großen Linienschiffen steht der amerikanischen Marine
ohne Zweifel ein gewaltiger Zuwachs bevor, der um so höher anzuschlagen ist, als
die Flotte noch dazu in den vorhin schon erwähnten Panzerschiffen „Michigan"
und „South Carolina" eine Verstärkung erhalten wird, die an Kampfkraft nicht
viel hinter den Schiffen der Dreadnoughtklasse zurückstehn dürfte. Denn werden
jene beiden Neubauten auch nur eine Wasserverdrängung von 16000 Tonnen
haben und eine Schnelligkeit von achtzehn Knoten erreichen, so geben ihnen doch
die Bestückung von acht 30,5-Zentimeter-Geschützen in vier Türmen und der
Panzerschutz mit einem Gesamtgewichte von 2000 Tonnen eine ganz bedeutende
Stärke. Der Gesamtbestand der amerikanischen Schlachtschiffflotte
wird sich nach Ablieferung der vier zuletzt genannten Schiffe auf
vierundzwanzig stellen, von denen nur drei vor dem Jahre 1893
erbaut sind. Ihnen sind als die nächst stärkern Schiffe elf fertige Panzer¬
kreuzer hinzuzuzählen, während noch vier solcher Kreuzer moderner Konstruktion
im Bau sind.

Diesen verhältnismäßig sehr günstigen Angaben gegenüber darf freilich nicht
in Abrede gestellt werden, daß die amerikanische Flotte so lange nicht auf volle
militärische Verwertung ihres zahlreichen und guten Schiffsmaterials Anspruch
erheben kann, als es ihr nicht gelungen sein wird, den großen Mangel an
Mannschaft zur Besetzung ihrer Schiffe aus der Welt zu schaffen. Zwar spricht
der neuerdings veröffentlichte Bericht des Navigationsbureaus aus, daß in der
Anwerbung von Rekruten gute Fortschritte gemacht werden; eine Besserung der
unerfreulichen Verhältnisse wird auch von dem dem Kongreß vorgelegten Schiffs¬
subventionsgesetz erhofft, das zunächst den zu unterstützenden Dampferlinien
Matrosen zuführen soll, die später der Kriegsflotte als Reserve zugute kommen
könnten, und auch Mittel sind jetzt schon vom Repräsentantenhause bewilligt
worden, um 3000 Matrosen und 900 Marinesoldaten anzuwerben. In Wirk¬
lichkeit aber ist es um den Bemannungsstand recht schlecht bestellt, denn erst
in diesen Tagen hat das Marineamt bekannt machen müssen, daß die Indienst¬
stellung von vier neuen Schlachtschiffen „Georgia", „Minnesota", „Vermont" und
„Kansas" sowie des Kreuzers „Se. Paul" bis zum 15. März hinausgeschoben
worden sei, weil es für diese Schiffe an der notwendigen Mannschaft fehle.

Insgesamt sollen die offnen Stellen an dem gesetzmäßig festgelegten Friedens¬
besatzungsstande der Flotte von 37000 Mann rund 5000 Mann betragen, und
Schwarzseher haben vielleicht nicht ganz unrecht, wenn sie behaupten, daß sich
bis zum Jahre 1910 die Abgänge an der Schiffsbemannung vervierfacht haben
werden, wenn von der Regierung nicht die ernsthaftesten Anstrengungen gemacht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/616>, abgerufen am 04.07.2024.