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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

Ich sage "zurzeit noch", denn es kann morgen der Tag kommen, wo
uns die Farbenfabriken auch diese Wünsche noch erfüllen. Erst vor kurzem
ist unser Farbenschatz durch ein Purpurrot bereichert worden, das an Echtheit
noch weit über dem Indigo steht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser
Farbstoff mit dem Purpur der Alten identisch ist, der aus der Purpurschnecke
gewonnen wurde und seiner Seltenheit und seines hohen Preises wegen nur
von den Reichsten der Reichen getragen werden konnte. Und heute kann ihn
jeder tragen, er ist sogar schon für Armeetuche verwandt worden.

Auch ein Grün ist ganz kürzlich gekommen, das alles bisher dagewesne
an Klarheit, Schönheit und Echtheit weit übertrifft.

Doch wir müssen uns vorderhand mit der Natur trösten, die auf der
Pflanzenfaser sehr klare Farben auch nicht lichtecht hervorbringen kann. Der
lila Flieder, die Rosen, die Hyazinthen, sie alle verbleichen rasch im Sonnen¬
schein, noch ehe sie ausgeblüht haben; das frische Grün der Laubbäume hält
sich nur einen Sommer, und nur das dunkle Grün des Lorbeers und ähnlicher
immergrüner Pflanzen, das Schwarzgrün der Tannen, das Graugrün des
Olivenbaums und der Kaktusarten sind bestündig -- nun, diese Töne kann
der Färber auch echt herstellen.

Wohlgemerkt, ich spreche jetzt von den pflanzlichen Fasern, und ich kann
den Vergleich mit der Natur noch weiter führen, denn auf tierischer Faser ist
es dem Färber möglich, die Farben des Papageies, des Pfauen, des Paradies¬
vogels und der Schmetterlinge nachzuahmen. Doch fängt mein Vergleich hier
an zu hinken, denn diese tierischen Farben rühren meist nicht von wirklichen
Farbstoffen her.

Bei der Seide liegen die Verhältnisse ganz ähnlich wie bei der Wolle;
es ist nicht schwer, echte Färbungen herzustellen, es ist aber noch viel leichter
und billiger, die Farbe lose daraus zu malen und das Erzeugnis in dieser
Form dem dankbaren Publikum zu verkaufen. Vor einigen Jahren kaufte ich
mir einen seidnen Tennisgürtel, der mir wegen seines satten dunkeln Blaurots
besonders gut gefiel. Ich zahlte 3 Mark dafür. Es war ein heißer Tag,
und als ich abends vom Tennisspiel heimkam, fand ich zu meinem Schrecken,
daß mein neues weißes Flanellhemd durch und durch rot war, wo es den
Gürtel berührt hatte. Entrüstet ging ich zum Verkäufer, beklagte mich und
schimpfte. Aber da kam ich schön an. "Kein Mensch erwartet, daß seidne
Gürtel schweißecht sind!" Das war seine Antwort, und von Umtauschen war
keine Rede. Ich war so erstaunt über die Belehrung, daß man mit seidnen
Gürteln nur still im Schatten sitzen darf, daß ich wieder ging. Ich muß ge¬
steh", daß ich mich da genau so verhalten habe, wie ich das Publikum bitte,
sich nicht zu verhalten. Hätte ich mir erst weiblichen Rat eingeholt, so wäre
es mir vielleicht besser ergangen, hätte ich aber vor dem Einkauf mein Taschen¬
tuch an dem Gürtel gerieben oder erst feucht gemacht und dann darauf gedrückt,
so hätte ich gesehen, daß die Farbe schon bei der Berührung mit kaltem Wasser


Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

Ich sage „zurzeit noch", denn es kann morgen der Tag kommen, wo
uns die Farbenfabriken auch diese Wünsche noch erfüllen. Erst vor kurzem
ist unser Farbenschatz durch ein Purpurrot bereichert worden, das an Echtheit
noch weit über dem Indigo steht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser
Farbstoff mit dem Purpur der Alten identisch ist, der aus der Purpurschnecke
gewonnen wurde und seiner Seltenheit und seines hohen Preises wegen nur
von den Reichsten der Reichen getragen werden konnte. Und heute kann ihn
jeder tragen, er ist sogar schon für Armeetuche verwandt worden.

Auch ein Grün ist ganz kürzlich gekommen, das alles bisher dagewesne
an Klarheit, Schönheit und Echtheit weit übertrifft.

Doch wir müssen uns vorderhand mit der Natur trösten, die auf der
Pflanzenfaser sehr klare Farben auch nicht lichtecht hervorbringen kann. Der
lila Flieder, die Rosen, die Hyazinthen, sie alle verbleichen rasch im Sonnen¬
schein, noch ehe sie ausgeblüht haben; das frische Grün der Laubbäume hält
sich nur einen Sommer, und nur das dunkle Grün des Lorbeers und ähnlicher
immergrüner Pflanzen, das Schwarzgrün der Tannen, das Graugrün des
Olivenbaums und der Kaktusarten sind bestündig — nun, diese Töne kann
der Färber auch echt herstellen.

Wohlgemerkt, ich spreche jetzt von den pflanzlichen Fasern, und ich kann
den Vergleich mit der Natur noch weiter führen, denn auf tierischer Faser ist
es dem Färber möglich, die Farben des Papageies, des Pfauen, des Paradies¬
vogels und der Schmetterlinge nachzuahmen. Doch fängt mein Vergleich hier
an zu hinken, denn diese tierischen Farben rühren meist nicht von wirklichen
Farbstoffen her.

Bei der Seide liegen die Verhältnisse ganz ähnlich wie bei der Wolle;
es ist nicht schwer, echte Färbungen herzustellen, es ist aber noch viel leichter
und billiger, die Farbe lose daraus zu malen und das Erzeugnis in dieser
Form dem dankbaren Publikum zu verkaufen. Vor einigen Jahren kaufte ich
mir einen seidnen Tennisgürtel, der mir wegen seines satten dunkeln Blaurots
besonders gut gefiel. Ich zahlte 3 Mark dafür. Es war ein heißer Tag,
und als ich abends vom Tennisspiel heimkam, fand ich zu meinem Schrecken,
daß mein neues weißes Flanellhemd durch und durch rot war, wo es den
Gürtel berührt hatte. Entrüstet ging ich zum Verkäufer, beklagte mich und
schimpfte. Aber da kam ich schön an. „Kein Mensch erwartet, daß seidne
Gürtel schweißecht sind!" Das war seine Antwort, und von Umtauschen war
keine Rede. Ich war so erstaunt über die Belehrung, daß man mit seidnen
Gürteln nur still im Schatten sitzen darf, daß ich wieder ging. Ich muß ge¬
steh», daß ich mich da genau so verhalten habe, wie ich das Publikum bitte,
sich nicht zu verhalten. Hätte ich mir erst weiblichen Rat eingeholt, so wäre
es mir vielleicht besser ergangen, hätte ich aber vor dem Einkauf mein Taschen¬
tuch an dem Gürtel gerieben oder erst feucht gemacht und dann darauf gedrückt,
so hätte ich gesehen, daß die Farbe schon bei der Berührung mit kaltem Wasser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/580>, abgerufen am 02.07.2024.