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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

mäßig dick, während der Leinenfaden dickere und dünnere Stellen zeigt, weil
die Leinenfaser nicht aus einzelnen wohl getrennten (weil getrennt gewachsnen)
Fasern besteht wie die Baumwolle, sondern aus mehr oder weniger zusammen¬
gewachsen Faserklümpchen, die auch die sorgfältigste Vorbehandlung nicht
ganz trennen kann. Daher kommt die Unregelmäßigkeit in der Dicke des
Fadens. Das Mikroskop löst uns ja sofort alle diese Fragen, aber damit sind
natürlich nur wenige ausgerüstet.

Die Echtheitsproben für Baumwolle sind dieselben, wie die für Wolle
angegebnen, nur wird mau in der Wäsche bis zum Kochen gehn und wohl
auch dem Seifenbad etwas Soda zusetzen, es empfiehlt sich also, die Probe
aus Waschechtheit in dieser Weise vorzunehmen.

Bei den echtesten Färbungen der Baumwolle wird man in den meisten
Fällen beim Verbrennen eines Fadens eine weiße (wie bei Türkischrot), grüne,
graugrüne oder braune Asche erhalten (wie bei Anilinschwarz, Diamantschwarz
und gewissen, dem Türkischrot an Echtheit und im Färbeverfahren verwandten
Farben).

Ist keine Asche vorhanden, so prüfe man auf Reibechtheit. Besonders
wenn Indigo und ihm verwandte Jngminfarben vorliegen, werden die Fär¬
bungen immer mehr oder weniger abreiben, und zwar meist genau im gleichen
Ton wie die Färbung. Das Abreiben ohne weiteres als ein Zeichen der
Güte zu betrachten (wie es die Chinesen heutigentags noch tun), geht natürlich
nicht an, denn es wäre für den Färber ein Leichtes, einen Zusatz zur Färbung
zu machen, der abreibt. Noch eine Klasse von Farbstoffen, die in der letzten Zeit
ihrer Echtheit wegen eine sehr große Anwendung gefunden haben, die so¬
genannten Schwefelfarbstoffe, die meist keine charakteristische Asche beim Ver¬
brennen der Faser hinterlassen, für gewöhnlich völlig reihende sind und sich
durch sehr große Licht-, Wahns- und sonstige Echtheit auszeichnen, zählen wir
zu den echtesten Fürbungen.

Die sicherste Probe ist immer die Waschprobe, bei der nur die ganz echten
Farben siegreich im Vordergrunde bleiben; obwohl die meisten den Seifen¬
schaum etwas anfärben, lassen sie doch die mitgewaschne weiße Faser ganz un¬
berührt.

Während wir bei der Wolle behaupten konnten, daß alle Farbtöne in
der für den jeweiligen Zweck genügenden Echtheit hergestellt werden können,
sind wir bei der Baumwolle in der Wahl der Farben noch etwas beschränkt.

Rosa, Rot und Schwarz. Gelb, Orange und Braun, dunkles Grün,
Hellblau, Blau, Purpur und Violett können in durchaus befriedigender
Echtheit gefärbt werden, auch Mischfarben wie Blaurot, Khaki, Modetöne; aber
wenn wir ein leuchtend klares Himmelblau, seegrün oder Papageigrün, ein
Heliotrop, Veilchenblau oder Scharlachrot auf Baumwolle haben wollen, so
müssen wir zurzeit noch auf die Echtheit verzichten und die gewünschten Farben
lieber in Wolle oder Seide nehmen.


Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben

mäßig dick, während der Leinenfaden dickere und dünnere Stellen zeigt, weil
die Leinenfaser nicht aus einzelnen wohl getrennten (weil getrennt gewachsnen)
Fasern besteht wie die Baumwolle, sondern aus mehr oder weniger zusammen¬
gewachsen Faserklümpchen, die auch die sorgfältigste Vorbehandlung nicht
ganz trennen kann. Daher kommt die Unregelmäßigkeit in der Dicke des
Fadens. Das Mikroskop löst uns ja sofort alle diese Fragen, aber damit sind
natürlich nur wenige ausgerüstet.

Die Echtheitsproben für Baumwolle sind dieselben, wie die für Wolle
angegebnen, nur wird mau in der Wäsche bis zum Kochen gehn und wohl
auch dem Seifenbad etwas Soda zusetzen, es empfiehlt sich also, die Probe
aus Waschechtheit in dieser Weise vorzunehmen.

Bei den echtesten Färbungen der Baumwolle wird man in den meisten
Fällen beim Verbrennen eines Fadens eine weiße (wie bei Türkischrot), grüne,
graugrüne oder braune Asche erhalten (wie bei Anilinschwarz, Diamantschwarz
und gewissen, dem Türkischrot an Echtheit und im Färbeverfahren verwandten
Farben).

Ist keine Asche vorhanden, so prüfe man auf Reibechtheit. Besonders
wenn Indigo und ihm verwandte Jngminfarben vorliegen, werden die Fär¬
bungen immer mehr oder weniger abreiben, und zwar meist genau im gleichen
Ton wie die Färbung. Das Abreiben ohne weiteres als ein Zeichen der
Güte zu betrachten (wie es die Chinesen heutigentags noch tun), geht natürlich
nicht an, denn es wäre für den Färber ein Leichtes, einen Zusatz zur Färbung
zu machen, der abreibt. Noch eine Klasse von Farbstoffen, die in der letzten Zeit
ihrer Echtheit wegen eine sehr große Anwendung gefunden haben, die so¬
genannten Schwefelfarbstoffe, die meist keine charakteristische Asche beim Ver¬
brennen der Faser hinterlassen, für gewöhnlich völlig reihende sind und sich
durch sehr große Licht-, Wahns- und sonstige Echtheit auszeichnen, zählen wir
zu den echtesten Fürbungen.

Die sicherste Probe ist immer die Waschprobe, bei der nur die ganz echten
Farben siegreich im Vordergrunde bleiben; obwohl die meisten den Seifen¬
schaum etwas anfärben, lassen sie doch die mitgewaschne weiße Faser ganz un¬
berührt.

Während wir bei der Wolle behaupten konnten, daß alle Farbtöne in
der für den jeweiligen Zweck genügenden Echtheit hergestellt werden können,
sind wir bei der Baumwolle in der Wahl der Farben noch etwas beschränkt.

Rosa, Rot und Schwarz. Gelb, Orange und Braun, dunkles Grün,
Hellblau, Blau, Purpur und Violett können in durchaus befriedigender
Echtheit gefärbt werden, auch Mischfarben wie Blaurot, Khaki, Modetöne; aber
wenn wir ein leuchtend klares Himmelblau, seegrün oder Papageigrün, ein
Heliotrop, Veilchenblau oder Scharlachrot auf Baumwolle haben wollen, so
müssen wir zurzeit noch auf die Echtheit verzichten und die gewünschten Farben
lieber in Wolle oder Seide nehmen.


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[0579] Aufforderung zum Kampf gegen die unechten Farben mäßig dick, während der Leinenfaden dickere und dünnere Stellen zeigt, weil die Leinenfaser nicht aus einzelnen wohl getrennten (weil getrennt gewachsnen) Fasern besteht wie die Baumwolle, sondern aus mehr oder weniger zusammen¬ gewachsen Faserklümpchen, die auch die sorgfältigste Vorbehandlung nicht ganz trennen kann. Daher kommt die Unregelmäßigkeit in der Dicke des Fadens. Das Mikroskop löst uns ja sofort alle diese Fragen, aber damit sind natürlich nur wenige ausgerüstet. Die Echtheitsproben für Baumwolle sind dieselben, wie die für Wolle angegebnen, nur wird mau in der Wäsche bis zum Kochen gehn und wohl auch dem Seifenbad etwas Soda zusetzen, es empfiehlt sich also, die Probe aus Waschechtheit in dieser Weise vorzunehmen. Bei den echtesten Färbungen der Baumwolle wird man in den meisten Fällen beim Verbrennen eines Fadens eine weiße (wie bei Türkischrot), grüne, graugrüne oder braune Asche erhalten (wie bei Anilinschwarz, Diamantschwarz und gewissen, dem Türkischrot an Echtheit und im Färbeverfahren verwandten Farben). Ist keine Asche vorhanden, so prüfe man auf Reibechtheit. Besonders wenn Indigo und ihm verwandte Jngminfarben vorliegen, werden die Fär¬ bungen immer mehr oder weniger abreiben, und zwar meist genau im gleichen Ton wie die Färbung. Das Abreiben ohne weiteres als ein Zeichen der Güte zu betrachten (wie es die Chinesen heutigentags noch tun), geht natürlich nicht an, denn es wäre für den Färber ein Leichtes, einen Zusatz zur Färbung zu machen, der abreibt. Noch eine Klasse von Farbstoffen, die in der letzten Zeit ihrer Echtheit wegen eine sehr große Anwendung gefunden haben, die so¬ genannten Schwefelfarbstoffe, die meist keine charakteristische Asche beim Ver¬ brennen der Faser hinterlassen, für gewöhnlich völlig reihende sind und sich durch sehr große Licht-, Wahns- und sonstige Echtheit auszeichnen, zählen wir zu den echtesten Fürbungen. Die sicherste Probe ist immer die Waschprobe, bei der nur die ganz echten Farben siegreich im Vordergrunde bleiben; obwohl die meisten den Seifen¬ schaum etwas anfärben, lassen sie doch die mitgewaschne weiße Faser ganz un¬ berührt. Während wir bei der Wolle behaupten konnten, daß alle Farbtöne in der für den jeweiligen Zweck genügenden Echtheit hergestellt werden können, sind wir bei der Baumwolle in der Wahl der Farben noch etwas beschränkt. Rosa, Rot und Schwarz. Gelb, Orange und Braun, dunkles Grün, Hellblau, Blau, Purpur und Violett können in durchaus befriedigender Echtheit gefärbt werden, auch Mischfarben wie Blaurot, Khaki, Modetöne; aber wenn wir ein leuchtend klares Himmelblau, seegrün oder Papageigrün, ein Heliotrop, Veilchenblau oder Scharlachrot auf Baumwolle haben wollen, so müssen wir zurzeit noch auf die Echtheit verzichten und die gewünschten Farben lieber in Wolle oder Seide nehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/579>, abgerufen am 04.07.2024.