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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Bernard Shaw als Dramatiker

besser, wenn die Ägypter ihr Leben lebten, statt es mit Hilfe ihrer Bücher zu
verträumen." Dieses Stück hat wohl dem Kritiker der MinbnrAd RsviöM
(Juli 1902) vorgeschwebt, als er Shaws Stück bezeichnete als tWvinMnA
Msreisss in äialkvtio vbion Ur. Liao inisöglls xla^s. Das dritte Stück aus
den ?1g^8 lor ?uriwus ist die unterhaltende und satirische Komödie eg.xtg.in
LrgWbounä's Oonversion, die 1906 im Lonrt Insatrs mit großem Erfolge auf¬
geführt worden ist. Die Mutter des Kapitäns Braßbound ist nach dessen An¬
sicht von dem pedantischen und engherzigen Richter Howard Hallam ungerecht
beurteilt worden. Eines Tages trifft er diesen Richter in Marokko, der zu
seiner und der Lady Cicely Sicherheit eine Eskorte verlangt hat; Braßbound
leitet diese Eskorte und will an Hallam Rache nehmen. Er führt ihn und
die Lady nach einem entlegnen Schloß im Atlasgebirge und verrät sie den
Arabern. Aber die liebenswürdige Cicely, eine der reizendsten Frauengestalten,
die Shaw gezeichnet hat, bekehrt den Kapitän zu edlern Gefühlen. Mittler¬
weile kommen die arabischen Räuber, und nur dadurch, daß ein amerikanischer
Kreuzer ein Landungskorps schickt, werden die Engländer gerettet. Tiefern
Gehalt hat das Stück nicht, aber es ist geschickt nach Art der guten Melo¬
dramen aufgebaut und wirkt durch die spannende Handlung, durch einen geist¬
vollen Dialog und durch die malerischen Gruppen, die aus den verschiedensten
auf der Szene zusammenkommenden Nationalitäten vorgeführt werden.

In dem Lustspiel "Mensch und Übermensch. Eine Komödie und eine
Philosophie" (Nan g.na Lnxörnmn. Lornkä/ sunt g I^bilosoxn^, London,
Archibald Constable Co., 1903) gibt Shaw fein gezeichnete Charakterstudien
mit der Gruudthese, daß der Man im Leben der Gehetzte sei und das Weib
der Hetzer.

Haben Sie Maeterlincks Buch über die Biene gelesen? fragt der Held
John Tänner den in Anna Whitefield verliebten Oetcwius Ramsden. "Es ist
eine schreckliche Lehre für die Menschheit. Sie glauben, daß Sie Annas Be¬
werber seien, daß Sie der Verfolger seien und Anna die Verfolgte, daß es
Ihre Sache sei, zu werben, zu überreden, zu überwinden, zu siegen. Armer
Narr! Sie sind der Verfolgte, Sie sind der Gejagte auf der Reiherbeize,
Sie sind das ausgewählte Opfer. Sie brauchen gar nicht voll Sehnsucht durch
die Stäbe der Mausefalle nach dem Speck zu schauen: die Tür ist offen, und
sie wird offen bleiben, bis sie sich hinter Ihnen für immer schließt.. . . Gehn
Sie zur Biene, Sie Dichter, beobachten Sie ihre Gewohnheiten, und seien Sie
klug! Bei Gott, Octavius, wenn die Weiber ohne unsre Arbeit fertig würden,
und wir ihren Kindern die Nahrung aufäßen, statt sie ihnen zu verschaffen,
sie würden uus toten, wie die Spinne ihre Männchen tötet oder die Biene
die Drohnen. Und sie würden ganz recht haben, wenn wir Männer zu nichts
weiter gut wären als zur Liebe."

Wie John nun selbst, trotz seiner Philosophie, von derselben Anna, deren
Vormund er ist, verfolgt wird und schließlich in die Falle geht, das ist das
Problem dieser Komödie. John flieht in seinem Automobil nach Spanien,


Bernard Shaw als Dramatiker

besser, wenn die Ägypter ihr Leben lebten, statt es mit Hilfe ihrer Bücher zu
verträumen." Dieses Stück hat wohl dem Kritiker der MinbnrAd RsviöM
(Juli 1902) vorgeschwebt, als er Shaws Stück bezeichnete als tWvinMnA
Msreisss in äialkvtio vbion Ur. Liao inisöglls xla^s. Das dritte Stück aus
den ?1g^8 lor ?uriwus ist die unterhaltende und satirische Komödie eg.xtg.in
LrgWbounä's Oonversion, die 1906 im Lonrt Insatrs mit großem Erfolge auf¬
geführt worden ist. Die Mutter des Kapitäns Braßbound ist nach dessen An¬
sicht von dem pedantischen und engherzigen Richter Howard Hallam ungerecht
beurteilt worden. Eines Tages trifft er diesen Richter in Marokko, der zu
seiner und der Lady Cicely Sicherheit eine Eskorte verlangt hat; Braßbound
leitet diese Eskorte und will an Hallam Rache nehmen. Er führt ihn und
die Lady nach einem entlegnen Schloß im Atlasgebirge und verrät sie den
Arabern. Aber die liebenswürdige Cicely, eine der reizendsten Frauengestalten,
die Shaw gezeichnet hat, bekehrt den Kapitän zu edlern Gefühlen. Mittler¬
weile kommen die arabischen Räuber, und nur dadurch, daß ein amerikanischer
Kreuzer ein Landungskorps schickt, werden die Engländer gerettet. Tiefern
Gehalt hat das Stück nicht, aber es ist geschickt nach Art der guten Melo¬
dramen aufgebaut und wirkt durch die spannende Handlung, durch einen geist¬
vollen Dialog und durch die malerischen Gruppen, die aus den verschiedensten
auf der Szene zusammenkommenden Nationalitäten vorgeführt werden.

In dem Lustspiel „Mensch und Übermensch. Eine Komödie und eine
Philosophie" (Nan g.na Lnxörnmn. Lornkä/ sunt g I^bilosoxn^, London,
Archibald Constable Co., 1903) gibt Shaw fein gezeichnete Charakterstudien
mit der Gruudthese, daß der Man im Leben der Gehetzte sei und das Weib
der Hetzer.

Haben Sie Maeterlincks Buch über die Biene gelesen? fragt der Held
John Tänner den in Anna Whitefield verliebten Oetcwius Ramsden. „Es ist
eine schreckliche Lehre für die Menschheit. Sie glauben, daß Sie Annas Be¬
werber seien, daß Sie der Verfolger seien und Anna die Verfolgte, daß es
Ihre Sache sei, zu werben, zu überreden, zu überwinden, zu siegen. Armer
Narr! Sie sind der Verfolgte, Sie sind der Gejagte auf der Reiherbeize,
Sie sind das ausgewählte Opfer. Sie brauchen gar nicht voll Sehnsucht durch
die Stäbe der Mausefalle nach dem Speck zu schauen: die Tür ist offen, und
sie wird offen bleiben, bis sie sich hinter Ihnen für immer schließt.. . . Gehn
Sie zur Biene, Sie Dichter, beobachten Sie ihre Gewohnheiten, und seien Sie
klug! Bei Gott, Octavius, wenn die Weiber ohne unsre Arbeit fertig würden,
und wir ihren Kindern die Nahrung aufäßen, statt sie ihnen zu verschaffen,
sie würden uus toten, wie die Spinne ihre Männchen tötet oder die Biene
die Drohnen. Und sie würden ganz recht haben, wenn wir Männer zu nichts
weiter gut wären als zur Liebe."

Wie John nun selbst, trotz seiner Philosophie, von derselben Anna, deren
Vormund er ist, verfolgt wird und schließlich in die Falle geht, das ist das
Problem dieser Komödie. John flieht in seinem Automobil nach Spanien,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/571>, abgerufen am 24.07.2024.