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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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dem Urteil überei", daß die Haltung und die Kleidung der Zöglinge und die
Ordnung und die Reinlichkeit in den Räumen gleich musterhaft waren.

Bis Kap Ortegal blieb das Wetter schön, als wir aber in die Bai von
Biscaya einbogen, wurde es windig und wolkig. Seit Monaten hatten wir
solchen Himmel nicht mehr gesehen, wie er sich beim Eintritt in die nördlichen
Gewässer zeigte. Nunmehr verstanden wir den Sinn einer in Sav Paulo ge¬
hörten Äußerung, daß der Himmel in Brasilien viel höher sei als in Deutsch¬
land. Für die Dcmia traf es sich günstig, daß der Wind aus Südwesten kam,
infolgedessen hatte sie nicht mir ruhige, sondern auch schnelle Fahrt, während
die uns begegnenden Schiffe schwer gegen die See ankämpfen mußten. Es war
ein schöner Anblick, wenn sie stiegen, dann wieder tief eintauchten und reichlich
Wasser übernahmen. Außer vielen kleinern Schiffen kamen uns auch größere
Ozeandampfer entgegen, unter andern der Bürgermeister, die Aachen, die The-
rapia und die Pretoria; diese glitt in der Dunkelheit mit ihren vielen Lichtern
und erleuchteten Fenstern wie ein glänzendes Meteor an uus vorüber. Im
Kanal hielten wir uns so nahe der englischen Küste, daß wir bei Tage alle
hervortretenden Punkte unterscheiden und bei Nacht außer den Leuchtfeuern auch
die Lichter größerer und kleinerer Ortschaften deutlich zu erkennen vermochten.
Je mehr wir uns Dover näherten, desto lebhafter wurde der Schiffsverkehr.
Um das anregende Schauspiel recht lange zu genießen, blieben wir in dieser
Nacht trotz einiger heftiger Regenböen bis nach Mitternacht an Deck.

In der Nordsee wurde die Luft umsichtig, sodaß Kapitän Bonath die
Kommandobrücke nicht verlassen konnte und dem am 9. September veranstalteten
Abschiedsessen leider gänzlich fernbleiben mußte. In der Nacht zum 10. Sep¬
tember klärte sich jedoch das Wetter wieder auf. Am Morgen hatten wir die
Frende, Helgoland zu sehen und die Manöver unsrer sich zwischen der Weser-
und der Elbemündung in voller Tätigkeit befindenden Flotte bis in die kleinsten
Einzelheiten verfolgen zu können.

Bald wurde der Lotse an Bord genommen und -- weil wir aus dem ver¬
dächtigen Südamerika kamen -- die gelbe Quarantäneflagge gehißt. Dann
empfingen wir in Cuxhaven den Besuch des revidierenden Arztes, fuhren weiter
stromaufwärts, wurden bis zu dem Anlegeplatz im Knhwerder Hafen geschleppt
und waren damit wieder in der Heimat angelangt.




Wenn ich diese anspruchslose Schilderung der Öffentlichkeit übergebe, so bin
ich selbstverständlich nicht etwa in dem Glauben, damit irgend etwas Neues zu
bieten. Mich leitet vielmehr, wie ich schon angedeutet habe, nur die Absicht,
an einem praktischen Beispiel darzulegen, daß bei den heutigen Verbindungen
keine lange Zeit dazu gehört, jenseits des Ozeans liegende Länder und die
Pracht der Tropen aus eigner Anschauung kennen zu lernen.


Grenzboten I 1907 "l!
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dem Urteil überei», daß die Haltung und die Kleidung der Zöglinge und die
Ordnung und die Reinlichkeit in den Räumen gleich musterhaft waren.

Bis Kap Ortegal blieb das Wetter schön, als wir aber in die Bai von
Biscaya einbogen, wurde es windig und wolkig. Seit Monaten hatten wir
solchen Himmel nicht mehr gesehen, wie er sich beim Eintritt in die nördlichen
Gewässer zeigte. Nunmehr verstanden wir den Sinn einer in Sav Paulo ge¬
hörten Äußerung, daß der Himmel in Brasilien viel höher sei als in Deutsch¬
land. Für die Dcmia traf es sich günstig, daß der Wind aus Südwesten kam,
infolgedessen hatte sie nicht mir ruhige, sondern auch schnelle Fahrt, während
die uns begegnenden Schiffe schwer gegen die See ankämpfen mußten. Es war
ein schöner Anblick, wenn sie stiegen, dann wieder tief eintauchten und reichlich
Wasser übernahmen. Außer vielen kleinern Schiffen kamen uns auch größere
Ozeandampfer entgegen, unter andern der Bürgermeister, die Aachen, die The-
rapia und die Pretoria; diese glitt in der Dunkelheit mit ihren vielen Lichtern
und erleuchteten Fenstern wie ein glänzendes Meteor an uus vorüber. Im
Kanal hielten wir uns so nahe der englischen Küste, daß wir bei Tage alle
hervortretenden Punkte unterscheiden und bei Nacht außer den Leuchtfeuern auch
die Lichter größerer und kleinerer Ortschaften deutlich zu erkennen vermochten.
Je mehr wir uns Dover näherten, desto lebhafter wurde der Schiffsverkehr.
Um das anregende Schauspiel recht lange zu genießen, blieben wir in dieser
Nacht trotz einiger heftiger Regenböen bis nach Mitternacht an Deck.

In der Nordsee wurde die Luft umsichtig, sodaß Kapitän Bonath die
Kommandobrücke nicht verlassen konnte und dem am 9. September veranstalteten
Abschiedsessen leider gänzlich fernbleiben mußte. In der Nacht zum 10. Sep¬
tember klärte sich jedoch das Wetter wieder auf. Am Morgen hatten wir die
Frende, Helgoland zu sehen und die Manöver unsrer sich zwischen der Weser-
und der Elbemündung in voller Tätigkeit befindenden Flotte bis in die kleinsten
Einzelheiten verfolgen zu können.

Bald wurde der Lotse an Bord genommen und — weil wir aus dem ver¬
dächtigen Südamerika kamen — die gelbe Quarantäneflagge gehißt. Dann
empfingen wir in Cuxhaven den Besuch des revidierenden Arztes, fuhren weiter
stromaufwärts, wurden bis zu dem Anlegeplatz im Knhwerder Hafen geschleppt
und waren damit wieder in der Heimat angelangt.




Wenn ich diese anspruchslose Schilderung der Öffentlichkeit übergebe, so bin
ich selbstverständlich nicht etwa in dem Glauben, damit irgend etwas Neues zu
bieten. Mich leitet vielmehr, wie ich schon angedeutet habe, nur die Absicht,
an einem praktischen Beispiel darzulegen, daß bei den heutigen Verbindungen
keine lange Zeit dazu gehört, jenseits des Ozeans liegende Länder und die
Pracht der Tropen aus eigner Anschauung kennen zu lernen.


Grenzboten I 1907 «l!
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/489>, abgerufen am 24.07.2024.