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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Line Ferienfahrt nach Brasilien

mir noch nicht bekanntes wildes Gebirgstal unternehmen und der gerade statt¬
findenden Feier des Kirchweihfestes als Zuschauer beiwohnen. Die Bergkirche
war reizend geschmückt, und zwar nur mit Fahnen, Lampions, Palmenwedeln,
Laubwerk, Koniferenzweigen und sehr vielen Blumen, unter Vermeidung alles
nichtigen Beiwerks, wie es anderwärts beliebt ist; namentlich waren auffallend
schöne und große Exemplare von Hortensien in sehr dekorativer Weise verwandt
worden. Das Treiben des aus Anlaß der Kirmes zusammengeströmten Volks
war lebhaft, aber durchaus gesittet. Für unsre Anschauungen war es ver¬
wunderlich, daß man auch hier -- ebenso wie es in Brasilien geschieht -- das
bei solchen Festen unvermeidliche Feuerwerk am hellen lichten Tage abbrannte.
Die Talfahrt wurde auch diesmal auf Bergschlitten ausgeführt; nachher hatten
wir noch genügend Muße, in einigen Basaren preiswerte Stickereien und Korb¬
waren einzukaufen.

Noch lange Zeit, nachdem sich die Dania in Bewegung gesetzt hatte, blieben
wir an Deck, weil der Weg dicht bei den kleinern Inseln der Madeiragruppe
vorbeiführte und die Tageszeit zu ihrer Betrachtung günstiger war als bei der
Ausreise. Die größte der Nebeninseln heißt Porto Santo (Heiliger Hafen)
und ihr Hauptort La Vilha; sie hat etwa 1300 Einwohner, während drei
kleinere unter dem Namen Ilhas desertas Wüsteninseln) zusammengefaßte Eilande
nur von wenig hundert Menschen bewohnt werden. Die Einwohner bauen
etwas Getreide, namentlich Gerste, und leben im übrigen von Schafzucht und
Fischfang, liegen wohl auch der Jagd auf die vielen wilden Ziegen und Kaninchen
ob. Die ebenfalls zu der Gruppe gehörenden Salvados sind nur klein und
nicht bewohnt. Porto Santo, dessen größte Erhebung etwa 500 Meter beträgt,
und auch die andern Inseln weisen malerische Felsenformationen und schroffe
Klippenabstürze auf.

Die ganze Mcideiragruppc ist so reizvoll, und namentlich die Hauptinsel
ist so paradiesisch schön, daß jeder sie auch zum zweitenmal gern sehen wird.
Gleichwohl wird die von der Hamburg-Amerika-Linie und von der Hamburg-
Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft dem Vernehmen nach vor kurzem
getroffne Anordnung, daß die nach Brasilien fahrenden Schiffe auf der Ausreise
Madeira, auf der Heimreise aber die größte der Kanarischen Inseln, Teneriffa,
anlaufen sollen, sicherlich den Beifall aller Reisenden finden.

Der 5. September war für Lissabon bestimmt. Wir frischem unsre Er¬
innerungen auf, sahen aber auch manches Neue. Wenigstens kurz erwähnen
möchte ich die Kirche Belem mit den Grabmälern des Sängers des Ozeans,
Luiz Vaz de Camoes, und des großen Seefahrers Vasco da Gamal, sowie das
angrenzende ehemalige Hieronymitentloster mit seinen wundervollen Kreuzgängen.
Zufällig waren wir Zeugen, wie die in diesem Kloster untergebrachten Waisen¬
knaben, die bisher lustig auf dem Hofe gespielt hatten, abteiluugswrise in einen
Saal marschierten, an gedeckten Tafeln Platz nahmen und ihr einfaches Mittag¬
essen verzehrten, wir besichtigten nachher auch die Schlafsäle und stimmten in


Line Ferienfahrt nach Brasilien

mir noch nicht bekanntes wildes Gebirgstal unternehmen und der gerade statt¬
findenden Feier des Kirchweihfestes als Zuschauer beiwohnen. Die Bergkirche
war reizend geschmückt, und zwar nur mit Fahnen, Lampions, Palmenwedeln,
Laubwerk, Koniferenzweigen und sehr vielen Blumen, unter Vermeidung alles
nichtigen Beiwerks, wie es anderwärts beliebt ist; namentlich waren auffallend
schöne und große Exemplare von Hortensien in sehr dekorativer Weise verwandt
worden. Das Treiben des aus Anlaß der Kirmes zusammengeströmten Volks
war lebhaft, aber durchaus gesittet. Für unsre Anschauungen war es ver¬
wunderlich, daß man auch hier — ebenso wie es in Brasilien geschieht — das
bei solchen Festen unvermeidliche Feuerwerk am hellen lichten Tage abbrannte.
Die Talfahrt wurde auch diesmal auf Bergschlitten ausgeführt; nachher hatten
wir noch genügend Muße, in einigen Basaren preiswerte Stickereien und Korb¬
waren einzukaufen.

Noch lange Zeit, nachdem sich die Dania in Bewegung gesetzt hatte, blieben
wir an Deck, weil der Weg dicht bei den kleinern Inseln der Madeiragruppe
vorbeiführte und die Tageszeit zu ihrer Betrachtung günstiger war als bei der
Ausreise. Die größte der Nebeninseln heißt Porto Santo (Heiliger Hafen)
und ihr Hauptort La Vilha; sie hat etwa 1300 Einwohner, während drei
kleinere unter dem Namen Ilhas desertas Wüsteninseln) zusammengefaßte Eilande
nur von wenig hundert Menschen bewohnt werden. Die Einwohner bauen
etwas Getreide, namentlich Gerste, und leben im übrigen von Schafzucht und
Fischfang, liegen wohl auch der Jagd auf die vielen wilden Ziegen und Kaninchen
ob. Die ebenfalls zu der Gruppe gehörenden Salvados sind nur klein und
nicht bewohnt. Porto Santo, dessen größte Erhebung etwa 500 Meter beträgt,
und auch die andern Inseln weisen malerische Felsenformationen und schroffe
Klippenabstürze auf.

Die ganze Mcideiragruppc ist so reizvoll, und namentlich die Hauptinsel
ist so paradiesisch schön, daß jeder sie auch zum zweitenmal gern sehen wird.
Gleichwohl wird die von der Hamburg-Amerika-Linie und von der Hamburg-
Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft dem Vernehmen nach vor kurzem
getroffne Anordnung, daß die nach Brasilien fahrenden Schiffe auf der Ausreise
Madeira, auf der Heimreise aber die größte der Kanarischen Inseln, Teneriffa,
anlaufen sollen, sicherlich den Beifall aller Reisenden finden.

Der 5. September war für Lissabon bestimmt. Wir frischem unsre Er¬
innerungen auf, sahen aber auch manches Neue. Wenigstens kurz erwähnen
möchte ich die Kirche Belem mit den Grabmälern des Sängers des Ozeans,
Luiz Vaz de Camoes, und des großen Seefahrers Vasco da Gamal, sowie das
angrenzende ehemalige Hieronymitentloster mit seinen wundervollen Kreuzgängen.
Zufällig waren wir Zeugen, wie die in diesem Kloster untergebrachten Waisen¬
knaben, die bisher lustig auf dem Hofe gespielt hatten, abteiluugswrise in einen
Saal marschierten, an gedeckten Tafeln Platz nahmen und ihr einfaches Mittag¬
essen verzehrten, wir besichtigten nachher auch die Schlafsäle und stimmten in


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[0488] Line Ferienfahrt nach Brasilien mir noch nicht bekanntes wildes Gebirgstal unternehmen und der gerade statt¬ findenden Feier des Kirchweihfestes als Zuschauer beiwohnen. Die Bergkirche war reizend geschmückt, und zwar nur mit Fahnen, Lampions, Palmenwedeln, Laubwerk, Koniferenzweigen und sehr vielen Blumen, unter Vermeidung alles nichtigen Beiwerks, wie es anderwärts beliebt ist; namentlich waren auffallend schöne und große Exemplare von Hortensien in sehr dekorativer Weise verwandt worden. Das Treiben des aus Anlaß der Kirmes zusammengeströmten Volks war lebhaft, aber durchaus gesittet. Für unsre Anschauungen war es ver¬ wunderlich, daß man auch hier — ebenso wie es in Brasilien geschieht — das bei solchen Festen unvermeidliche Feuerwerk am hellen lichten Tage abbrannte. Die Talfahrt wurde auch diesmal auf Bergschlitten ausgeführt; nachher hatten wir noch genügend Muße, in einigen Basaren preiswerte Stickereien und Korb¬ waren einzukaufen. Noch lange Zeit, nachdem sich die Dania in Bewegung gesetzt hatte, blieben wir an Deck, weil der Weg dicht bei den kleinern Inseln der Madeiragruppe vorbeiführte und die Tageszeit zu ihrer Betrachtung günstiger war als bei der Ausreise. Die größte der Nebeninseln heißt Porto Santo (Heiliger Hafen) und ihr Hauptort La Vilha; sie hat etwa 1300 Einwohner, während drei kleinere unter dem Namen Ilhas desertas Wüsteninseln) zusammengefaßte Eilande nur von wenig hundert Menschen bewohnt werden. Die Einwohner bauen etwas Getreide, namentlich Gerste, und leben im übrigen von Schafzucht und Fischfang, liegen wohl auch der Jagd auf die vielen wilden Ziegen und Kaninchen ob. Die ebenfalls zu der Gruppe gehörenden Salvados sind nur klein und nicht bewohnt. Porto Santo, dessen größte Erhebung etwa 500 Meter beträgt, und auch die andern Inseln weisen malerische Felsenformationen und schroffe Klippenabstürze auf. Die ganze Mcideiragruppc ist so reizvoll, und namentlich die Hauptinsel ist so paradiesisch schön, daß jeder sie auch zum zweitenmal gern sehen wird. Gleichwohl wird die von der Hamburg-Amerika-Linie und von der Hamburg- Südamerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft dem Vernehmen nach vor kurzem getroffne Anordnung, daß die nach Brasilien fahrenden Schiffe auf der Ausreise Madeira, auf der Heimreise aber die größte der Kanarischen Inseln, Teneriffa, anlaufen sollen, sicherlich den Beifall aller Reisenden finden. Der 5. September war für Lissabon bestimmt. Wir frischem unsre Er¬ innerungen auf, sahen aber auch manches Neue. Wenigstens kurz erwähnen möchte ich die Kirche Belem mit den Grabmälern des Sängers des Ozeans, Luiz Vaz de Camoes, und des großen Seefahrers Vasco da Gamal, sowie das angrenzende ehemalige Hieronymitentloster mit seinen wundervollen Kreuzgängen. Zufällig waren wir Zeugen, wie die in diesem Kloster untergebrachten Waisen¬ knaben, die bisher lustig auf dem Hofe gespielt hatten, abteiluugswrise in einen Saal marschierten, an gedeckten Tafeln Platz nahmen und ihr einfaches Mittag¬ essen verzehrten, wir besichtigten nachher auch die Schlafsäle und stimmten in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/488>, abgerufen am 24.07.2024.