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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Fünfzig Jahre deutscher Schiffahrt

or einem halben Jahrhundert schrieb ein Bremer Blatt in einem
Bericht über die Probefahrt des ersten Amerikadampfers des
Norddeutschen Lloyd: "Wer ein deutsches Herz hatte, dem mußte
es höher schlagen bei dem Gedanken, daß dieser herrliche Dampfer
die deutsche Flagge über den Ozean tragen und ein Pionier für
weitere Schöpfungen des nationalen Handels werden solle." Die Schaffung
eiues einigen deutschen Reichs lag damals noch in weiter Ferne, so heiß es auch
von den Patrioten ersehnt und erstrebt wurde; aber allenthalben in Deutschland
regten sich in Handel und Industrie die lange zurückgehaltnem Kräfte. Wenn
es in dieser Sturm- und Drangperiode der deutschen Wirtschaftsgeschichte einige
mutige und weitschauende Bremer Kaufleute wagten, ohne Rückhalt an einem
einigen deutschen Staatswesen und einer starken Kriegsflotte, allein im Vertrauen
auf ihre eigne Kraft und Tüchtigkeit eine Schiffahrtsgesellschaft zu gründen, die
es mit den schon zu stattlicher Größe herangewachsnen fremden Handelsflotten,
die den Personen- und Güterverkehr auf dem Atlantischen Ozean vermittelten,
aufnehmen sollte, so sah man mit Recht darin eine nationale Tat, die nicht
bloß glückverheißend für die Zukunft der politischen und der wirtschaftlichen
Bestrebungen Deutschlands war, sondern von der auch eine unmittelbare fördernde
Rückwirkung auf diese Bestrebungen erwartet werden konnte. Und wenn man
heute, wo der norddeutsche Lloyd auf eine fünfzigjährige Geschichte zurückschallen
kann, unter seinen Verdiensten und Leistungen das rühmenswerteste nennen soll,
so ist es das, daß er die Hoffnung der damaligen Vaterlandsfreunde bis zum
heutigen Tage aufs schönste erfüllt hat.

"Wir müssen dem Kapital auch eine angemessene Rente sichern, sonst hat
unser Institut keinen Bestand und kann nicht ans die Dauer segensreich wirken",
über diesem Grundsatz, den seinerzeit der Gründer des Lloyd, Konsul H. H. Meier,
mit Recht als obersten Geschäftsgrnndsatz aufstellte, hat keiner der Männer, die
die Leitung der Gesellschaft in Händen hatten, von dem Gründer an bis auf
den jetzigen Leiter, den andern Grundsatz vergessen, daß eine große Schiffahrts¬
gesellschaft neben rein geschäftlichen auch große nationale Aufgaben und Pflichten
hat. Als der Kaiser im April 1890 zum erstenmal auf einem Lloyddampfer
war, sagte er in einer Rede auf den Norddeutschen Lloyd: "Ein jeder Neubau,
den die Gesellschaft bestellt, ein jeder neuer Erfolg, den Ihre Schiffe erringen,
eine jede neue Linie, die begründet wird, erfüllt Mich -- und nicht nur Mich,




Fünfzig Jahre deutscher Schiffahrt

or einem halben Jahrhundert schrieb ein Bremer Blatt in einem
Bericht über die Probefahrt des ersten Amerikadampfers des
Norddeutschen Lloyd: „Wer ein deutsches Herz hatte, dem mußte
es höher schlagen bei dem Gedanken, daß dieser herrliche Dampfer
die deutsche Flagge über den Ozean tragen und ein Pionier für
weitere Schöpfungen des nationalen Handels werden solle." Die Schaffung
eiues einigen deutschen Reichs lag damals noch in weiter Ferne, so heiß es auch
von den Patrioten ersehnt und erstrebt wurde; aber allenthalben in Deutschland
regten sich in Handel und Industrie die lange zurückgehaltnem Kräfte. Wenn
es in dieser Sturm- und Drangperiode der deutschen Wirtschaftsgeschichte einige
mutige und weitschauende Bremer Kaufleute wagten, ohne Rückhalt an einem
einigen deutschen Staatswesen und einer starken Kriegsflotte, allein im Vertrauen
auf ihre eigne Kraft und Tüchtigkeit eine Schiffahrtsgesellschaft zu gründen, die
es mit den schon zu stattlicher Größe herangewachsnen fremden Handelsflotten,
die den Personen- und Güterverkehr auf dem Atlantischen Ozean vermittelten,
aufnehmen sollte, so sah man mit Recht darin eine nationale Tat, die nicht
bloß glückverheißend für die Zukunft der politischen und der wirtschaftlichen
Bestrebungen Deutschlands war, sondern von der auch eine unmittelbare fördernde
Rückwirkung auf diese Bestrebungen erwartet werden konnte. Und wenn man
heute, wo der norddeutsche Lloyd auf eine fünfzigjährige Geschichte zurückschallen
kann, unter seinen Verdiensten und Leistungen das rühmenswerteste nennen soll,
so ist es das, daß er die Hoffnung der damaligen Vaterlandsfreunde bis zum
heutigen Tage aufs schönste erfüllt hat.

„Wir müssen dem Kapital auch eine angemessene Rente sichern, sonst hat
unser Institut keinen Bestand und kann nicht ans die Dauer segensreich wirken",
über diesem Grundsatz, den seinerzeit der Gründer des Lloyd, Konsul H. H. Meier,
mit Recht als obersten Geschäftsgrnndsatz aufstellte, hat keiner der Männer, die
die Leitung der Gesellschaft in Händen hatten, von dem Gründer an bis auf
den jetzigen Leiter, den andern Grundsatz vergessen, daß eine große Schiffahrts¬
gesellschaft neben rein geschäftlichen auch große nationale Aufgaben und Pflichten
hat. Als der Kaiser im April 1890 zum erstenmal auf einem Lloyddampfer
war, sagte er in einer Rede auf den Norddeutschen Lloyd: „Ein jeder Neubau,
den die Gesellschaft bestellt, ein jeder neuer Erfolg, den Ihre Schiffe erringen,
eine jede neue Linie, die begründet wird, erfüllt Mich — und nicht nur Mich,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/403>, abgerufen am 04.07.2024.