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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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a) praktischen: derselbe Kursus wie in Klasse L. Es treten hinzu erhöhte
Anforderungen im Avantgarden-, Arrieregarden- und Vorpostendienst, b) theo¬
retischen: derselbe Kursus wie in Klasse L. Es treten hinzu: ip Die Grund¬
züge in der Feldbefestignng und die des Festnngskrieges. b) Das Studium
eines Werkes über die Kriegskunst.

Sämtliche Schüler der Lehranstalten mit militärischem Unterricht werden
Kadetten genannt. Sie erscheinen täglich zum Rapport. In deu Schulen der
Klasse ^ müssen wöchentlich vier, in den der Klasse ö fünf und in den der
Klasse v sechs Stunden für die militärische Unterweisung zur Verfügung stehn.
Der als militärischer Lehrer bei der Anstalt angestellte Offizier hat viertel¬
jährlich an seine militärischen Vorgesetzten zu berichten, ob der Geist der An¬
stalt ein guter ist, und ob sie die vom Staat gestellten Bedingungen erfüllt.
Ferner berichtet er über die Schüler, die besondre Befähigung für den mili¬
tärischen Beruf gezeigt haben. Diese werden in das Armeejournal der Ver¬
einigten Staaten eingetragen. Ihnen stehen später besondre Bevorzugung bei
der Beförderung in der Armee in Aussicht. Aus dem letzten Bericht des
Kriegsdcpartements geht hervor, daß zurzeit in den Klassen v und <ü nicht
weniger als 38000 Schüler dergestalt militärisch erzogen werden.

Wenngleich die hier beschriebne militärische Jugenderziehung in den Ver¬
einigten Staaten bis jetzt nur, wie wir gesehen haben, auf die höhern Lehr¬
anstalten beschränkt ist und nicht in allen Stücken unserm Ideal entsprechen
kann, da zum Beispiel die Gymnastik dort anscheinend ganz vernachlässigt
wird, während einige theoretische Unterrichtsgegenstünde uns für den Gesichts¬
kreis der Schüler als zu hoch gesteckt erscheinen, so hat die Einrichtung als
Ganzes betrachtet doch zweifellos hohen Wert und verdient beachtet zu werden.
Um so mehr, wenn erst die Projekte, annähernd gleiche Bestimmungen auch auf
den Volksschulen durchzuführen, der Verwirklichung näher gerückt sein werden.

Auch die Schweiz hat die Bedeutung militärischer Jugenderziehung
längst erkannt, denn schon die Militärorganisation vom Jahre 1874 nahm im
Artikel 81 die Jugend bereits vom zehnten Lebensjahre ab gesetzlich in Anspruch.
Dieser Artikel verlangte wörtlich: "Die Kantone sorgen dafür, daß die männ¬
liche Jugend vom zehnten Lebensjahre ab bis zum Austritt aus der Primär¬
schule, dieselbe mag letztere besuchen oder nicht, durch einen angemessenen
Turnunterricht auf den Militärdienst vorbereitet werde. Für die ältesten Jahr¬
gänge können vom Bunde auch Schießübungen angeordnet werden."

Nun haben aber wohl den Schweizer Behörden im Laufe der Jahre mit den
wachsenden Anforderungen an die Wehrkraft des Volkes und mit den zunehmenden
Interessen einer unter allen Umständen gesicherten Landesverteidigung jene
alten Bestimmungen ans dem Jahre 1874 nicht mehr ausreichend geschienen.
Denn unterm 28. Juni 1906 hat das Militürdepartement ein ganz neues
Programm für den militärischen Vorunterricht der männlichen Jugend heraus-
gegeben und darin verlangt, daß der junge Schweizer Bürger mehr als bisher


a) praktischen: derselbe Kursus wie in Klasse L. Es treten hinzu erhöhte
Anforderungen im Avantgarden-, Arrieregarden- und Vorpostendienst, b) theo¬
retischen: derselbe Kursus wie in Klasse L. Es treten hinzu: ip Die Grund¬
züge in der Feldbefestignng und die des Festnngskrieges. b) Das Studium
eines Werkes über die Kriegskunst.

Sämtliche Schüler der Lehranstalten mit militärischem Unterricht werden
Kadetten genannt. Sie erscheinen täglich zum Rapport. In deu Schulen der
Klasse ^ müssen wöchentlich vier, in den der Klasse ö fünf und in den der
Klasse v sechs Stunden für die militärische Unterweisung zur Verfügung stehn.
Der als militärischer Lehrer bei der Anstalt angestellte Offizier hat viertel¬
jährlich an seine militärischen Vorgesetzten zu berichten, ob der Geist der An¬
stalt ein guter ist, und ob sie die vom Staat gestellten Bedingungen erfüllt.
Ferner berichtet er über die Schüler, die besondre Befähigung für den mili¬
tärischen Beruf gezeigt haben. Diese werden in das Armeejournal der Ver¬
einigten Staaten eingetragen. Ihnen stehen später besondre Bevorzugung bei
der Beförderung in der Armee in Aussicht. Aus dem letzten Bericht des
Kriegsdcpartements geht hervor, daß zurzeit in den Klassen v und <ü nicht
weniger als 38000 Schüler dergestalt militärisch erzogen werden.

Wenngleich die hier beschriebne militärische Jugenderziehung in den Ver¬
einigten Staaten bis jetzt nur, wie wir gesehen haben, auf die höhern Lehr¬
anstalten beschränkt ist und nicht in allen Stücken unserm Ideal entsprechen
kann, da zum Beispiel die Gymnastik dort anscheinend ganz vernachlässigt
wird, während einige theoretische Unterrichtsgegenstünde uns für den Gesichts¬
kreis der Schüler als zu hoch gesteckt erscheinen, so hat die Einrichtung als
Ganzes betrachtet doch zweifellos hohen Wert und verdient beachtet zu werden.
Um so mehr, wenn erst die Projekte, annähernd gleiche Bestimmungen auch auf
den Volksschulen durchzuführen, der Verwirklichung näher gerückt sein werden.

Auch die Schweiz hat die Bedeutung militärischer Jugenderziehung
längst erkannt, denn schon die Militärorganisation vom Jahre 1874 nahm im
Artikel 81 die Jugend bereits vom zehnten Lebensjahre ab gesetzlich in Anspruch.
Dieser Artikel verlangte wörtlich: „Die Kantone sorgen dafür, daß die männ¬
liche Jugend vom zehnten Lebensjahre ab bis zum Austritt aus der Primär¬
schule, dieselbe mag letztere besuchen oder nicht, durch einen angemessenen
Turnunterricht auf den Militärdienst vorbereitet werde. Für die ältesten Jahr¬
gänge können vom Bunde auch Schießübungen angeordnet werden."

Nun haben aber wohl den Schweizer Behörden im Laufe der Jahre mit den
wachsenden Anforderungen an die Wehrkraft des Volkes und mit den zunehmenden
Interessen einer unter allen Umständen gesicherten Landesverteidigung jene
alten Bestimmungen ans dem Jahre 1874 nicht mehr ausreichend geschienen.
Denn unterm 28. Juni 1906 hat das Militürdepartement ein ganz neues
Programm für den militärischen Vorunterricht der männlichen Jugend heraus-
gegeben und darin verlangt, daß der junge Schweizer Bürger mehr als bisher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/351>, abgerufen am 24.07.2024.