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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Militärische Iugeuderzi>chmlg

Staatsbürgers sowie auf die Verdienste der großen vaterländischen Heerführer
durch eine Art Jnstruktionsstunde hingewiesen. Hier richtet der Lehrer an
seine Schüler zum Beispiel die Frage: Wer ist der glücklichste Mensch auf
der Welt? worauf von allen im Chor geantwortet wird: "Das ist der Samurai,
der das Schwert zieht zur Verteidigung des Vaterlandes." Eine andre Frage
lautet: Wer ist der größte Mann auf Erden? "Das ist der Admiral Togo!"
erwidern die Knaben mit flammender Begeisterung.

Bei cilledem darf aber nicht übersehen werden, daß diese ganze Art der
militärischen Vorbildung der Jugend nicht etwa übertrieben oder gar zu früh¬
zeitig begonnen wird. Der Japaner schickt seine Kinder im allgemeinen gern
in die Schule. Einmal weil der Unterricht in den höhern sowohl wie in den
niedern Volksschulen unentgeltlich erteilt wird, weil die gesamte Lehrzeit nicht
über vier Jahre dauert, und weil wöchentlich nur 17 Stunden für den Unter¬
richt festgesetzt sind. Dazu beginnen alle Schicken im Sommer erst um acht,
im Winter um neun Uhr. Auch die bemittelten Stände haben für ihre Söhne,
die die Gymnasien erster oder zweiter Ordnung besuchen, nur ein ganz geringes
Schulgeld von 2 bis 2^/^ Jen (4 bis 5 Mark) zu entrichten. Übereinstimmend
ist dann für sämtliche Schulen des Landes festgesetzt, daß mit den körperlichen
Übungen nicht vor dem zweiten Schuljahre begonnen werden darf, und die
eigentlichen militärischen Exerzitien erst in den Plan des dritten Jahres auf¬
zunehmen sind. Empfohlen wird aber von den Schulbehörden, daß sich die
Schüler öfters auch während der Ferien zu kleinen soldatischen Übungen
zusammenfinden möchten, wozu einiges Lehrpersonal, freie Plätze und in der
letzten Zeit auch ältere Muratcigewehre, die zum Preise von 1^ bis 2^ Jen
käuflich sind, angeboten werden. An Ferien kennt die japanische Schulordnung
nur die Zeit vom 1. bis 31. August, vom 26. Dezember bis 8. Januar und
vom 27. bis 31. März. So marschierten im August vergangnen Jahres
670 Knaben der Keio Gigiku, einer der führenden Privatschulen, nach einem
Dorfe in einiger Entfernung von Tokio und führten dort vollständig ausge¬
arbeitete Manöver ans, an denen mehrere Offiziere teilnahmen."

Am schnellsten und ausgiebigsten ist dem Beispiel der Japaner in der
militärischen Jugenderziehung Rumänien gefolgt. Denn hier wurde im Vor¬
jahre ein eignes Lehrkorps für Militärschüler errichtet, nachdem ein zuvor im
Distrikt Jlsow gemachter Versuch, die ältern Schüler der Dorfschulen in ver-
schiednen militärischen Dienstzweigen (Exerzieren, Scheibenschießen, Instruktion
über Heereseiurichtungen usw.) durch Militär unterweisen zu lassen, gute Er¬
folge ergeben hatte. Das neue Lehrkorps ist ausschließlich zur theoretischen
und praktischen Ausbildung solcher Schuljugend bestimmt, die Staats- oder
Privatschulen besuchen, und steht, was den Unterricht anlangt, unter dem
Unterrichtsministerium, in jeder andern Hinsicht aber unter dem Kriegs-
ministerium. Von besondrer Wichtigkeit sind aus dem die Errichtung dieses
Lehrkorps betreffenden Gesetz die Artikel 3 und 6 hervorzuheben. Der Artikel 3


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Staatsbürgers sowie auf die Verdienste der großen vaterländischen Heerführer
durch eine Art Jnstruktionsstunde hingewiesen. Hier richtet der Lehrer an
seine Schüler zum Beispiel die Frage: Wer ist der glücklichste Mensch auf
der Welt? worauf von allen im Chor geantwortet wird: »Das ist der Samurai,
der das Schwert zieht zur Verteidigung des Vaterlandes.« Eine andre Frage
lautet: Wer ist der größte Mann auf Erden? »Das ist der Admiral Togo!«
erwidern die Knaben mit flammender Begeisterung.

Bei cilledem darf aber nicht übersehen werden, daß diese ganze Art der
militärischen Vorbildung der Jugend nicht etwa übertrieben oder gar zu früh¬
zeitig begonnen wird. Der Japaner schickt seine Kinder im allgemeinen gern
in die Schule. Einmal weil der Unterricht in den höhern sowohl wie in den
niedern Volksschulen unentgeltlich erteilt wird, weil die gesamte Lehrzeit nicht
über vier Jahre dauert, und weil wöchentlich nur 17 Stunden für den Unter¬
richt festgesetzt sind. Dazu beginnen alle Schicken im Sommer erst um acht,
im Winter um neun Uhr. Auch die bemittelten Stände haben für ihre Söhne,
die die Gymnasien erster oder zweiter Ordnung besuchen, nur ein ganz geringes
Schulgeld von 2 bis 2^/^ Jen (4 bis 5 Mark) zu entrichten. Übereinstimmend
ist dann für sämtliche Schulen des Landes festgesetzt, daß mit den körperlichen
Übungen nicht vor dem zweiten Schuljahre begonnen werden darf, und die
eigentlichen militärischen Exerzitien erst in den Plan des dritten Jahres auf¬
zunehmen sind. Empfohlen wird aber von den Schulbehörden, daß sich die
Schüler öfters auch während der Ferien zu kleinen soldatischen Übungen
zusammenfinden möchten, wozu einiges Lehrpersonal, freie Plätze und in der
letzten Zeit auch ältere Muratcigewehre, die zum Preise von 1^ bis 2^ Jen
käuflich sind, angeboten werden. An Ferien kennt die japanische Schulordnung
nur die Zeit vom 1. bis 31. August, vom 26. Dezember bis 8. Januar und
vom 27. bis 31. März. So marschierten im August vergangnen Jahres
670 Knaben der Keio Gigiku, einer der führenden Privatschulen, nach einem
Dorfe in einiger Entfernung von Tokio und führten dort vollständig ausge¬
arbeitete Manöver ans, an denen mehrere Offiziere teilnahmen."

Am schnellsten und ausgiebigsten ist dem Beispiel der Japaner in der
militärischen Jugenderziehung Rumänien gefolgt. Denn hier wurde im Vor¬
jahre ein eignes Lehrkorps für Militärschüler errichtet, nachdem ein zuvor im
Distrikt Jlsow gemachter Versuch, die ältern Schüler der Dorfschulen in ver-
schiednen militärischen Dienstzweigen (Exerzieren, Scheibenschießen, Instruktion
über Heereseiurichtungen usw.) durch Militär unterweisen zu lassen, gute Er¬
folge ergeben hatte. Das neue Lehrkorps ist ausschließlich zur theoretischen
und praktischen Ausbildung solcher Schuljugend bestimmt, die Staats- oder
Privatschulen besuchen, und steht, was den Unterricht anlangt, unter dem
Unterrichtsministerium, in jeder andern Hinsicht aber unter dem Kriegs-
ministerium. Von besondrer Wichtigkeit sind aus dem die Errichtung dieses
Lehrkorps betreffenden Gesetz die Artikel 3 und 6 hervorzuheben. Der Artikel 3


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[0348] Militärische Iugeuderzi>chmlg Staatsbürgers sowie auf die Verdienste der großen vaterländischen Heerführer durch eine Art Jnstruktionsstunde hingewiesen. Hier richtet der Lehrer an seine Schüler zum Beispiel die Frage: Wer ist der glücklichste Mensch auf der Welt? worauf von allen im Chor geantwortet wird: »Das ist der Samurai, der das Schwert zieht zur Verteidigung des Vaterlandes.« Eine andre Frage lautet: Wer ist der größte Mann auf Erden? »Das ist der Admiral Togo!« erwidern die Knaben mit flammender Begeisterung. Bei cilledem darf aber nicht übersehen werden, daß diese ganze Art der militärischen Vorbildung der Jugend nicht etwa übertrieben oder gar zu früh¬ zeitig begonnen wird. Der Japaner schickt seine Kinder im allgemeinen gern in die Schule. Einmal weil der Unterricht in den höhern sowohl wie in den niedern Volksschulen unentgeltlich erteilt wird, weil die gesamte Lehrzeit nicht über vier Jahre dauert, und weil wöchentlich nur 17 Stunden für den Unter¬ richt festgesetzt sind. Dazu beginnen alle Schicken im Sommer erst um acht, im Winter um neun Uhr. Auch die bemittelten Stände haben für ihre Söhne, die die Gymnasien erster oder zweiter Ordnung besuchen, nur ein ganz geringes Schulgeld von 2 bis 2^/^ Jen (4 bis 5 Mark) zu entrichten. Übereinstimmend ist dann für sämtliche Schulen des Landes festgesetzt, daß mit den körperlichen Übungen nicht vor dem zweiten Schuljahre begonnen werden darf, und die eigentlichen militärischen Exerzitien erst in den Plan des dritten Jahres auf¬ zunehmen sind. Empfohlen wird aber von den Schulbehörden, daß sich die Schüler öfters auch während der Ferien zu kleinen soldatischen Übungen zusammenfinden möchten, wozu einiges Lehrpersonal, freie Plätze und in der letzten Zeit auch ältere Muratcigewehre, die zum Preise von 1^ bis 2^ Jen käuflich sind, angeboten werden. An Ferien kennt die japanische Schulordnung nur die Zeit vom 1. bis 31. August, vom 26. Dezember bis 8. Januar und vom 27. bis 31. März. So marschierten im August vergangnen Jahres 670 Knaben der Keio Gigiku, einer der führenden Privatschulen, nach einem Dorfe in einiger Entfernung von Tokio und führten dort vollständig ausge¬ arbeitete Manöver ans, an denen mehrere Offiziere teilnahmen." Am schnellsten und ausgiebigsten ist dem Beispiel der Japaner in der militärischen Jugenderziehung Rumänien gefolgt. Denn hier wurde im Vor¬ jahre ein eignes Lehrkorps für Militärschüler errichtet, nachdem ein zuvor im Distrikt Jlsow gemachter Versuch, die ältern Schüler der Dorfschulen in ver- schiednen militärischen Dienstzweigen (Exerzieren, Scheibenschießen, Instruktion über Heereseiurichtungen usw.) durch Militär unterweisen zu lassen, gute Er¬ folge ergeben hatte. Das neue Lehrkorps ist ausschließlich zur theoretischen und praktischen Ausbildung solcher Schuljugend bestimmt, die Staats- oder Privatschulen besuchen, und steht, was den Unterricht anlangt, unter dem Unterrichtsministerium, in jeder andern Hinsicht aber unter dem Kriegs- ministerium. Von besondrer Wichtigkeit sind aus dem die Errichtung dieses Lehrkorps betreffenden Gesetz die Artikel 3 und 6 hervorzuheben. Der Artikel 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/348>, abgerufen am 24.07.2024.