Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärische Jugenderziehung

einmal zu sehen, was für die militärische Jugenderziehung in andern Ländern
geschieht, und was für Einrichtungen dort getroffen sind.

Da ist vor allen Dingen Japan zu nennen, das unbestritten einen Teil
seiner jüngsten Kriegserfolge allein der Tatsache zu verdanken hat, daß es seine
Jugend in den höhern und niedern Schulen ausgesprochen militärisch erzieht
und besonders auch dafür Sorge trügt, daß das Erlernte in der Zwischen¬
zeit vom Verlassen der Schule bis zum Beginn der militärischen Dienstpflicht
nicht wieder verloren geht. Ein zu diesem interessanten Thema aus Tokio
zugegangner Originalbericht enthält alle nähern Einzelheiten und sei hier
eingefügt:

"In alten Zeiten -- das ist für Japan bis vor ungefähr dreißig Jahren --
lernten auch die Samuraifmuen das Fechten, um die Besitzungen ihrer Herren
in deren Abwesenheit verteidigen zu können, ja mehr als das, sie stabilen die
Herzen ihrer jungen Söhne sowohl gegen die abergläubische Furcht wie auch
gegen die natürliche Scheu vor dem Schrecklichen, indem sie sie um Mitternacht
aussandten, abgeschnittn": Köpfe von dem Galgen und den Schlachtfeldern zu
holen oder ihnen ähnliche abschreckende Aufträge erteilten. Heutigentags nimmt
sowohl der Sohn des Landbesitzers wie auch der Sohn des Exsamurai mit
der größten Begeisterung teil an dem Kompagnieexerzicren, das allen Negierungs-
schnlen zur Pflicht gemacht ist, und das die meisten Privatanstalten ange¬
nommen haben. Sogar Kinder von sechs bis sieben Jahren vergnügen sich
bei günstigem Wetter damit, in Reihen hinter einem die Fahne der "aufgehenden
Sonne" tragenden Führer anzutreten und im Tritt und gut militärischer
Ordnung meilenweit in der glühenden Sonne zu marschieren. Um solche Ziele
zu erreichen, sind in den Schulen die Einrichtungen und Bestimmungen für
die körperlichen Übungen und militärischen Spiele sehr sorgfältig ausgesucht.
Dazu gehört, daß jede Schule, nach deu Gesetzen des Landes, über einen
großen freien Platz verfügt. Hier werden in jeder Pause zwischen den einzelnen
Unterrichtsstunden unter Aufsicht und Leitung der Lehrer Spiele getrieben,
meist in der Art, daß sich zwei Parteien bilden, die sich durch verschieden¬
farbige Kopfbedeckungen unterscheiden, und es nun für jede Partei hauptsächlich
darauf ankommt, nicht durch wüste Rauferei, sondern durch körperliche Gewandt¬
heit und geschickte Bewegungen den Gegner abzudrängen und in die von ihm
besetzte Stellung zu gelangen. Während aber an diesen Spielen die Knaben
jedes Alters beteiligt sind, sich sogar nicht ausschließen dürfen, werden die
ältern außerdem noch in der Handhabung des Gewehrs, im Felddienst, im
Aufnehmen sowie in den wichtigsten Gebieten der Kriegskunst unterwiesen.
Wer sich hierbei durch Fleiß, gute Leistungen, Geschicklichkeit und Umsicht be¬
sonders auszeichnet, erhält am Schlüsse des Schuljahres eine Belobigung.

Auch während des theoretischen Schulunterrichts werden die Jungen
wiederholt und nachdrücklich auf die Bedeutung der Armee, überhaupt auf
den Wert des einzelnen Soldaten und die militärischen Pflichten jedes guten


Militärische Jugenderziehung

einmal zu sehen, was für die militärische Jugenderziehung in andern Ländern
geschieht, und was für Einrichtungen dort getroffen sind.

Da ist vor allen Dingen Japan zu nennen, das unbestritten einen Teil
seiner jüngsten Kriegserfolge allein der Tatsache zu verdanken hat, daß es seine
Jugend in den höhern und niedern Schulen ausgesprochen militärisch erzieht
und besonders auch dafür Sorge trügt, daß das Erlernte in der Zwischen¬
zeit vom Verlassen der Schule bis zum Beginn der militärischen Dienstpflicht
nicht wieder verloren geht. Ein zu diesem interessanten Thema aus Tokio
zugegangner Originalbericht enthält alle nähern Einzelheiten und sei hier
eingefügt:

„In alten Zeiten — das ist für Japan bis vor ungefähr dreißig Jahren —
lernten auch die Samuraifmuen das Fechten, um die Besitzungen ihrer Herren
in deren Abwesenheit verteidigen zu können, ja mehr als das, sie stabilen die
Herzen ihrer jungen Söhne sowohl gegen die abergläubische Furcht wie auch
gegen die natürliche Scheu vor dem Schrecklichen, indem sie sie um Mitternacht
aussandten, abgeschnittn«: Köpfe von dem Galgen und den Schlachtfeldern zu
holen oder ihnen ähnliche abschreckende Aufträge erteilten. Heutigentags nimmt
sowohl der Sohn des Landbesitzers wie auch der Sohn des Exsamurai mit
der größten Begeisterung teil an dem Kompagnieexerzicren, das allen Negierungs-
schnlen zur Pflicht gemacht ist, und das die meisten Privatanstalten ange¬
nommen haben. Sogar Kinder von sechs bis sieben Jahren vergnügen sich
bei günstigem Wetter damit, in Reihen hinter einem die Fahne der »aufgehenden
Sonne« tragenden Führer anzutreten und im Tritt und gut militärischer
Ordnung meilenweit in der glühenden Sonne zu marschieren. Um solche Ziele
zu erreichen, sind in den Schulen die Einrichtungen und Bestimmungen für
die körperlichen Übungen und militärischen Spiele sehr sorgfältig ausgesucht.
Dazu gehört, daß jede Schule, nach deu Gesetzen des Landes, über einen
großen freien Platz verfügt. Hier werden in jeder Pause zwischen den einzelnen
Unterrichtsstunden unter Aufsicht und Leitung der Lehrer Spiele getrieben,
meist in der Art, daß sich zwei Parteien bilden, die sich durch verschieden¬
farbige Kopfbedeckungen unterscheiden, und es nun für jede Partei hauptsächlich
darauf ankommt, nicht durch wüste Rauferei, sondern durch körperliche Gewandt¬
heit und geschickte Bewegungen den Gegner abzudrängen und in die von ihm
besetzte Stellung zu gelangen. Während aber an diesen Spielen die Knaben
jedes Alters beteiligt sind, sich sogar nicht ausschließen dürfen, werden die
ältern außerdem noch in der Handhabung des Gewehrs, im Felddienst, im
Aufnehmen sowie in den wichtigsten Gebieten der Kriegskunst unterwiesen.
Wer sich hierbei durch Fleiß, gute Leistungen, Geschicklichkeit und Umsicht be¬
sonders auszeichnet, erhält am Schlüsse des Schuljahres eine Belobigung.

Auch während des theoretischen Schulunterrichts werden die Jungen
wiederholt und nachdrücklich auf die Bedeutung der Armee, überhaupt auf
den Wert des einzelnen Soldaten und die militärischen Pflichten jedes guten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301601"/>
          <fw type="header" place="top"> Militärische Jugenderziehung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1258" prev="#ID_1257"> einmal zu sehen, was für die militärische Jugenderziehung in andern Ländern<lb/>
geschieht, und was für Einrichtungen dort getroffen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1259"> Da ist vor allen Dingen Japan zu nennen, das unbestritten einen Teil<lb/>
seiner jüngsten Kriegserfolge allein der Tatsache zu verdanken hat, daß es seine<lb/>
Jugend in den höhern und niedern Schulen ausgesprochen militärisch erzieht<lb/>
und besonders auch dafür Sorge trügt, daß das Erlernte in der Zwischen¬<lb/>
zeit vom Verlassen der Schule bis zum Beginn der militärischen Dienstpflicht<lb/>
nicht wieder verloren geht. Ein zu diesem interessanten Thema aus Tokio<lb/>
zugegangner Originalbericht enthält alle nähern Einzelheiten und sei hier<lb/>
eingefügt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1260"> &#x201E;In alten Zeiten &#x2014; das ist für Japan bis vor ungefähr dreißig Jahren &#x2014;<lb/>
lernten auch die Samuraifmuen das Fechten, um die Besitzungen ihrer Herren<lb/>
in deren Abwesenheit verteidigen zu können, ja mehr als das, sie stabilen die<lb/>
Herzen ihrer jungen Söhne sowohl gegen die abergläubische Furcht wie auch<lb/>
gegen die natürliche Scheu vor dem Schrecklichen, indem sie sie um Mitternacht<lb/>
aussandten, abgeschnittn«: Köpfe von dem Galgen und den Schlachtfeldern zu<lb/>
holen oder ihnen ähnliche abschreckende Aufträge erteilten. Heutigentags nimmt<lb/>
sowohl der Sohn des Landbesitzers wie auch der Sohn des Exsamurai mit<lb/>
der größten Begeisterung teil an dem Kompagnieexerzicren, das allen Negierungs-<lb/>
schnlen zur Pflicht gemacht ist, und das die meisten Privatanstalten ange¬<lb/>
nommen haben. Sogar Kinder von sechs bis sieben Jahren vergnügen sich<lb/>
bei günstigem Wetter damit, in Reihen hinter einem die Fahne der »aufgehenden<lb/>
Sonne« tragenden Führer anzutreten und im Tritt und gut militärischer<lb/>
Ordnung meilenweit in der glühenden Sonne zu marschieren. Um solche Ziele<lb/>
zu erreichen, sind in den Schulen die Einrichtungen und Bestimmungen für<lb/>
die körperlichen Übungen und militärischen Spiele sehr sorgfältig ausgesucht.<lb/>
Dazu gehört, daß jede Schule, nach deu Gesetzen des Landes, über einen<lb/>
großen freien Platz verfügt. Hier werden in jeder Pause zwischen den einzelnen<lb/>
Unterrichtsstunden unter Aufsicht und Leitung der Lehrer Spiele getrieben,<lb/>
meist in der Art, daß sich zwei Parteien bilden, die sich durch verschieden¬<lb/>
farbige Kopfbedeckungen unterscheiden, und es nun für jede Partei hauptsächlich<lb/>
darauf ankommt, nicht durch wüste Rauferei, sondern durch körperliche Gewandt¬<lb/>
heit und geschickte Bewegungen den Gegner abzudrängen und in die von ihm<lb/>
besetzte Stellung zu gelangen. Während aber an diesen Spielen die Knaben<lb/>
jedes Alters beteiligt sind, sich sogar nicht ausschließen dürfen, werden die<lb/>
ältern außerdem noch in der Handhabung des Gewehrs, im Felddienst, im<lb/>
Aufnehmen sowie in den wichtigsten Gebieten der Kriegskunst unterwiesen.<lb/>
Wer sich hierbei durch Fleiß, gute Leistungen, Geschicklichkeit und Umsicht be¬<lb/>
sonders auszeichnet, erhält am Schlüsse des Schuljahres eine Belobigung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1261" next="#ID_1262"> Auch während des theoretischen Schulunterrichts werden die Jungen<lb/>
wiederholt und nachdrücklich auf die Bedeutung der Armee, überhaupt auf<lb/>
den Wert des einzelnen Soldaten und die militärischen Pflichten jedes guten</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] Militärische Jugenderziehung einmal zu sehen, was für die militärische Jugenderziehung in andern Ländern geschieht, und was für Einrichtungen dort getroffen sind. Da ist vor allen Dingen Japan zu nennen, das unbestritten einen Teil seiner jüngsten Kriegserfolge allein der Tatsache zu verdanken hat, daß es seine Jugend in den höhern und niedern Schulen ausgesprochen militärisch erzieht und besonders auch dafür Sorge trügt, daß das Erlernte in der Zwischen¬ zeit vom Verlassen der Schule bis zum Beginn der militärischen Dienstpflicht nicht wieder verloren geht. Ein zu diesem interessanten Thema aus Tokio zugegangner Originalbericht enthält alle nähern Einzelheiten und sei hier eingefügt: „In alten Zeiten — das ist für Japan bis vor ungefähr dreißig Jahren — lernten auch die Samuraifmuen das Fechten, um die Besitzungen ihrer Herren in deren Abwesenheit verteidigen zu können, ja mehr als das, sie stabilen die Herzen ihrer jungen Söhne sowohl gegen die abergläubische Furcht wie auch gegen die natürliche Scheu vor dem Schrecklichen, indem sie sie um Mitternacht aussandten, abgeschnittn«: Köpfe von dem Galgen und den Schlachtfeldern zu holen oder ihnen ähnliche abschreckende Aufträge erteilten. Heutigentags nimmt sowohl der Sohn des Landbesitzers wie auch der Sohn des Exsamurai mit der größten Begeisterung teil an dem Kompagnieexerzicren, das allen Negierungs- schnlen zur Pflicht gemacht ist, und das die meisten Privatanstalten ange¬ nommen haben. Sogar Kinder von sechs bis sieben Jahren vergnügen sich bei günstigem Wetter damit, in Reihen hinter einem die Fahne der »aufgehenden Sonne« tragenden Führer anzutreten und im Tritt und gut militärischer Ordnung meilenweit in der glühenden Sonne zu marschieren. Um solche Ziele zu erreichen, sind in den Schulen die Einrichtungen und Bestimmungen für die körperlichen Übungen und militärischen Spiele sehr sorgfältig ausgesucht. Dazu gehört, daß jede Schule, nach deu Gesetzen des Landes, über einen großen freien Platz verfügt. Hier werden in jeder Pause zwischen den einzelnen Unterrichtsstunden unter Aufsicht und Leitung der Lehrer Spiele getrieben, meist in der Art, daß sich zwei Parteien bilden, die sich durch verschieden¬ farbige Kopfbedeckungen unterscheiden, und es nun für jede Partei hauptsächlich darauf ankommt, nicht durch wüste Rauferei, sondern durch körperliche Gewandt¬ heit und geschickte Bewegungen den Gegner abzudrängen und in die von ihm besetzte Stellung zu gelangen. Während aber an diesen Spielen die Knaben jedes Alters beteiligt sind, sich sogar nicht ausschließen dürfen, werden die ältern außerdem noch in der Handhabung des Gewehrs, im Felddienst, im Aufnehmen sowie in den wichtigsten Gebieten der Kriegskunst unterwiesen. Wer sich hierbei durch Fleiß, gute Leistungen, Geschicklichkeit und Umsicht be¬ sonders auszeichnet, erhält am Schlüsse des Schuljahres eine Belobigung. Auch während des theoretischen Schulunterrichts werden die Jungen wiederholt und nachdrücklich auf die Bedeutung der Armee, überhaupt auf den Wert des einzelnen Soldaten und die militärischen Pflichten jedes guten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/347>, abgerufen am 24.07.2024.