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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Line Ferienfahrt nach Brasilien

deren Strand für Badezwecke besonders geeignet ist. Die wohl meist aus der
Stadt SSo Paulo, aber auch von weiter her aus dem Innern stammenden
Badegäste wohnen zum kleinern Teil in dem einladend aussehenden Hotel, zum
größern Teil in saubern, von Gärten umgebnen Holzhäusern, deren Bestandteile
in Nordamerika gefertigt und erst an Ort und Stelle zusammengesetzt worden
sind. Die Bauart des Hotels und dieser Logierhäuser paßt ausgezeichnet zu
der Umgebung, sodaß wir den Eindruck der vollsten Harmonie gewannen und
selbst Lust bekamen, hier gelegentlich einige Wochen zuzubringen. Von Guaruja
aus machten wir noch eine längere Wagenfahrt nach der Schildkrötenbucht. Wir
hielten in einem Dörfchen, dessen Bewohner sich nur vom Fange großer See¬
schildkröten nähren, und sahen schon in einem Garten eins dieser Tiere, wie
es in sein trauriges Schicksal ergeben dalag, ohne auch nur an dem fesselnden
Stricke zu zerren. So ungeschickt die Tiere auf dem Lande sind, so gewandt
sind sie im Wasser, wie wir alsbald von einer Anhöhe aus zu beobachten Ge¬
legenheit hatten. In den auf und nieder gehenden Wogen, die sich an den wild
durcheinander liegenden Felsblöcken brachen, wiegte sich eine mächtige Schildkröte
hin und her, sodaß wir jeden Augenblick glaubten, sie müsse an den Felsen zer¬
schellen. Aber das Tier war der Wellen Herr und wußte sich ihrer mit großer
Geschicklichkeit zu bedienen, um sich in der von ihm gewünschten Richtung treiben
zu lassen. Leider kam es nicht an den Strand, sonst hätten wir gewiß den
Versuch gemacht, es zu erlegen und uns zu der vortrefflichen argentinischen
Hammelkeule, die der Hauptbestandteil unsers mitgebrachten Frühstücks war, noch
ein delikates Schildkrötensteak zuzubereiten.

An einem andern Sonntage hatte der Deutsche Klub in Gemeinschaft mit
einigen Herren vom Prinz Sigismund einen Ausflug in den Urwald veran¬
staltet. An der Bondstation Matadouro (Schlachthof), wo ein Motorboot der
Firma Zerenner, von Bülow und Komp. und eins der größten Rettungsboote
des Prinz Sigismund bereit lagen, fand sich die lustige Gesellschaft zusammen.
Nachdem wir die großen Körbe und Kisten mit allen möglichen Mundvorräten
und einige ausgekühlte Füsser Bier gehörig verstaut hatten, und das Rettungs¬
boot von der Bartaffe ins Schlepptau genommen worden war, setzten wir uns
in Bewegung. Dreiviertel Stunden fuhren wir auf dem Meeresarm hinter SSo
Vicente und bogen dann in die Mündung des Rio Branco (Weißer Fluß) ein.
Zur linken Hand hatten wir niedriges Schwemmland, die sogenannte Moskito¬
küste, die an menschlichen Behausungen nur wenig Fischerhütten aufweist. Die
Bewohner, die wir auf ihren Einbäumen beim Aufnehmen der am Abend zuvor
ausgelegten Netze trafen, führen in ihren in der einfachsten Weise aus Lehm
und Palmblüttern errichteten Baracken wahrlich kein beneidenswertes Dasein;
sie müssen bei Tage und bei Nacht durch qualmige Feuer die blutgierigen
Moskitos abzuwehren suchen und werden doch halb von ihnen aufgezehrt. An
diesem Ufer trafen wir auch einige Krokodile, die sich sonnten, und sobald ihnen
unsre Nähe bedrohlich schien, in den Fluß hinabglitten. Am andern Ufer steigt


Line Ferienfahrt nach Brasilien

deren Strand für Badezwecke besonders geeignet ist. Die wohl meist aus der
Stadt SSo Paulo, aber auch von weiter her aus dem Innern stammenden
Badegäste wohnen zum kleinern Teil in dem einladend aussehenden Hotel, zum
größern Teil in saubern, von Gärten umgebnen Holzhäusern, deren Bestandteile
in Nordamerika gefertigt und erst an Ort und Stelle zusammengesetzt worden
sind. Die Bauart des Hotels und dieser Logierhäuser paßt ausgezeichnet zu
der Umgebung, sodaß wir den Eindruck der vollsten Harmonie gewannen und
selbst Lust bekamen, hier gelegentlich einige Wochen zuzubringen. Von Guaruja
aus machten wir noch eine längere Wagenfahrt nach der Schildkrötenbucht. Wir
hielten in einem Dörfchen, dessen Bewohner sich nur vom Fange großer See¬
schildkröten nähren, und sahen schon in einem Garten eins dieser Tiere, wie
es in sein trauriges Schicksal ergeben dalag, ohne auch nur an dem fesselnden
Stricke zu zerren. So ungeschickt die Tiere auf dem Lande sind, so gewandt
sind sie im Wasser, wie wir alsbald von einer Anhöhe aus zu beobachten Ge¬
legenheit hatten. In den auf und nieder gehenden Wogen, die sich an den wild
durcheinander liegenden Felsblöcken brachen, wiegte sich eine mächtige Schildkröte
hin und her, sodaß wir jeden Augenblick glaubten, sie müsse an den Felsen zer¬
schellen. Aber das Tier war der Wellen Herr und wußte sich ihrer mit großer
Geschicklichkeit zu bedienen, um sich in der von ihm gewünschten Richtung treiben
zu lassen. Leider kam es nicht an den Strand, sonst hätten wir gewiß den
Versuch gemacht, es zu erlegen und uns zu der vortrefflichen argentinischen
Hammelkeule, die der Hauptbestandteil unsers mitgebrachten Frühstücks war, noch
ein delikates Schildkrötensteak zuzubereiten.

An einem andern Sonntage hatte der Deutsche Klub in Gemeinschaft mit
einigen Herren vom Prinz Sigismund einen Ausflug in den Urwald veran¬
staltet. An der Bondstation Matadouro (Schlachthof), wo ein Motorboot der
Firma Zerenner, von Bülow und Komp. und eins der größten Rettungsboote
des Prinz Sigismund bereit lagen, fand sich die lustige Gesellschaft zusammen.
Nachdem wir die großen Körbe und Kisten mit allen möglichen Mundvorräten
und einige ausgekühlte Füsser Bier gehörig verstaut hatten, und das Rettungs¬
boot von der Bartaffe ins Schlepptau genommen worden war, setzten wir uns
in Bewegung. Dreiviertel Stunden fuhren wir auf dem Meeresarm hinter SSo
Vicente und bogen dann in die Mündung des Rio Branco (Weißer Fluß) ein.
Zur linken Hand hatten wir niedriges Schwemmland, die sogenannte Moskito¬
küste, die an menschlichen Behausungen nur wenig Fischerhütten aufweist. Die
Bewohner, die wir auf ihren Einbäumen beim Aufnehmen der am Abend zuvor
ausgelegten Netze trafen, führen in ihren in der einfachsten Weise aus Lehm
und Palmblüttern errichteten Baracken wahrlich kein beneidenswertes Dasein;
sie müssen bei Tage und bei Nacht durch qualmige Feuer die blutgierigen
Moskitos abzuwehren suchen und werden doch halb von ihnen aufgezehrt. An
diesem Ufer trafen wir auch einige Krokodile, die sich sonnten, und sobald ihnen
unsre Nähe bedrohlich schien, in den Fluß hinabglitten. Am andern Ufer steigt


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[0270] Line Ferienfahrt nach Brasilien deren Strand für Badezwecke besonders geeignet ist. Die wohl meist aus der Stadt SSo Paulo, aber auch von weiter her aus dem Innern stammenden Badegäste wohnen zum kleinern Teil in dem einladend aussehenden Hotel, zum größern Teil in saubern, von Gärten umgebnen Holzhäusern, deren Bestandteile in Nordamerika gefertigt und erst an Ort und Stelle zusammengesetzt worden sind. Die Bauart des Hotels und dieser Logierhäuser paßt ausgezeichnet zu der Umgebung, sodaß wir den Eindruck der vollsten Harmonie gewannen und selbst Lust bekamen, hier gelegentlich einige Wochen zuzubringen. Von Guaruja aus machten wir noch eine längere Wagenfahrt nach der Schildkrötenbucht. Wir hielten in einem Dörfchen, dessen Bewohner sich nur vom Fange großer See¬ schildkröten nähren, und sahen schon in einem Garten eins dieser Tiere, wie es in sein trauriges Schicksal ergeben dalag, ohne auch nur an dem fesselnden Stricke zu zerren. So ungeschickt die Tiere auf dem Lande sind, so gewandt sind sie im Wasser, wie wir alsbald von einer Anhöhe aus zu beobachten Ge¬ legenheit hatten. In den auf und nieder gehenden Wogen, die sich an den wild durcheinander liegenden Felsblöcken brachen, wiegte sich eine mächtige Schildkröte hin und her, sodaß wir jeden Augenblick glaubten, sie müsse an den Felsen zer¬ schellen. Aber das Tier war der Wellen Herr und wußte sich ihrer mit großer Geschicklichkeit zu bedienen, um sich in der von ihm gewünschten Richtung treiben zu lassen. Leider kam es nicht an den Strand, sonst hätten wir gewiß den Versuch gemacht, es zu erlegen und uns zu der vortrefflichen argentinischen Hammelkeule, die der Hauptbestandteil unsers mitgebrachten Frühstücks war, noch ein delikates Schildkrötensteak zuzubereiten. An einem andern Sonntage hatte der Deutsche Klub in Gemeinschaft mit einigen Herren vom Prinz Sigismund einen Ausflug in den Urwald veran¬ staltet. An der Bondstation Matadouro (Schlachthof), wo ein Motorboot der Firma Zerenner, von Bülow und Komp. und eins der größten Rettungsboote des Prinz Sigismund bereit lagen, fand sich die lustige Gesellschaft zusammen. Nachdem wir die großen Körbe und Kisten mit allen möglichen Mundvorräten und einige ausgekühlte Füsser Bier gehörig verstaut hatten, und das Rettungs¬ boot von der Bartaffe ins Schlepptau genommen worden war, setzten wir uns in Bewegung. Dreiviertel Stunden fuhren wir auf dem Meeresarm hinter SSo Vicente und bogen dann in die Mündung des Rio Branco (Weißer Fluß) ein. Zur linken Hand hatten wir niedriges Schwemmland, die sogenannte Moskito¬ küste, die an menschlichen Behausungen nur wenig Fischerhütten aufweist. Die Bewohner, die wir auf ihren Einbäumen beim Aufnehmen der am Abend zuvor ausgelegten Netze trafen, führen in ihren in der einfachsten Weise aus Lehm und Palmblüttern errichteten Baracken wahrlich kein beneidenswertes Dasein; sie müssen bei Tage und bei Nacht durch qualmige Feuer die blutgierigen Moskitos abzuwehren suchen und werden doch halb von ihnen aufgezehrt. An diesem Ufer trafen wir auch einige Krokodile, die sich sonnten, und sobald ihnen unsre Nähe bedrohlich schien, in den Fluß hinabglitten. Am andern Ufer steigt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/270>, abgerufen am 04.07.2024.