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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Line Ferienfahrt nach Brasilien

Der Strand zieht sich meilenweit bis zu der schon erwähnten Batterie hin, dient
allgemein als Reit- und Fahrweg und wird auch den ganzen Tag über als
Badeplatz benutzt. Er ist sehr flach und besteht aus reinem weißem, von der
starken Brandung festgeschlagnem Sande. An der Landseite ist er fast ununter¬
brochen mit Villen besetzt, deren Einfriedigungen bei hoher Flut von den Wellen
bespült werden, während auf der andern Seite eine weit hervortretende, mit
dichtem Wald besetzte Halbinsel und zwei ebenfalls bewaldete hohe Felseneilande,
die Ilha Porchat und die Ilha das Cobras, vorgelagert sind. Die See ist be¬
ständig von ein- und ausfahrenden Ozeandampfern und Küstenfahrern sowie von
Dampfbaggern und Fischerfahrzeugen belebt, und die Berge der unmittelbar an
die See herantretenden Serra do Mar fesseln den Blick immer von neuem, weil sie
sich demi Auge während der Fahrt immer wieder von andern Seiten darbieten.

Auch an sich waren die Fahrten sehr vergnüglich, da wir entweder in dem
ganz seichten Wasser oder doch so nahe daran fuhren, daß der Wasserstaub der
Brandung uns einhüllte und die letzten Ausläufer der Wellen in den Wagen
schlugen. Der Boden des Wagens war eigens hierfür mit Abflußspalten ver¬
sehen, und der Burro war an die See gewöhnt, durchschritt auch die sich ins
Meer ergießenden Bäche ohne Sträuben. Zauberhaft schön war es in der
Vollmondwoche sowie beim Meerleuchten; nicht nur die Wellen und die vom
Trolly hochgeschleuderten Spritzer leuchteten, sondern auch das in den Gleisen
und Hufspuren austretende Wasser; sogar der nebenherlaufende Terrier hinterließ
leuchtende Fährten.

Zu der soeben erwähnten Ilha Porchat, einem Kleinod landschaftlicher Schön¬
heit, gingen wir an einem klaren Morgen bei der tiefsten Ebbe trocknen Fußes hin¬
über. Der Pfad, den wir unter Führung einer ortskundigen Dame einschlugen,
war wenig begangen und ziemlich angreifend, zumal da die Felsen auf weitern
Strecken recht schlüpfrig waren und uns an einigen Stellen zum Kriechen, an
andern zu gewagten Sprüngen und Kletterkunststücken nötigten. Wir wurden
für unsre Mühe aber reichlich entschädigt, da wir in den zerrissenen und hoch-
umbrandeten Klippen der Insel einen völlig neuen und ungemein wirkungsvollen
Vordergrund erhielten, der dem ganzen Bilde einen Zug ins Romantische verlieh.
Hat man solche Schönheit genossen, so erscheint es fast unglaublich, daß viele
gebildete Santisten -- so nennen sich die Einwohner von Santos -- noch nie¬
mals einen Fuß auf die Ilha Porchat gesetzt haben. Dieselbe Erfahrung machten
wir aber, als wir nach der keineswegs beschwerlichen Besteigung des Monserrate
die vom Gipfel sich darbietende Aussicht rühmten.

Auch die weitere Umgebung suchten wir nach Möglichkeit kennen zu lernen.
So unternahmen wir an einem Sonntag unter Führung eines englischen Kapitäns
einen Ausflug nach dem Seebade Guaruja. Wir mußten zunächst vom Kai
in Santos aus auf einem kleinen Dampfer den Hafen durchqueren und dann
eine durch undurchdringlich dichten, mittelhohen Wald führende Kleinbahn be¬
nutzen. Guaruja liegt an einer vom Ozean ziemlich weit zurücktretenden Bucht,


Line Ferienfahrt nach Brasilien

Der Strand zieht sich meilenweit bis zu der schon erwähnten Batterie hin, dient
allgemein als Reit- und Fahrweg und wird auch den ganzen Tag über als
Badeplatz benutzt. Er ist sehr flach und besteht aus reinem weißem, von der
starken Brandung festgeschlagnem Sande. An der Landseite ist er fast ununter¬
brochen mit Villen besetzt, deren Einfriedigungen bei hoher Flut von den Wellen
bespült werden, während auf der andern Seite eine weit hervortretende, mit
dichtem Wald besetzte Halbinsel und zwei ebenfalls bewaldete hohe Felseneilande,
die Ilha Porchat und die Ilha das Cobras, vorgelagert sind. Die See ist be¬
ständig von ein- und ausfahrenden Ozeandampfern und Küstenfahrern sowie von
Dampfbaggern und Fischerfahrzeugen belebt, und die Berge der unmittelbar an
die See herantretenden Serra do Mar fesseln den Blick immer von neuem, weil sie
sich demi Auge während der Fahrt immer wieder von andern Seiten darbieten.

Auch an sich waren die Fahrten sehr vergnüglich, da wir entweder in dem
ganz seichten Wasser oder doch so nahe daran fuhren, daß der Wasserstaub der
Brandung uns einhüllte und die letzten Ausläufer der Wellen in den Wagen
schlugen. Der Boden des Wagens war eigens hierfür mit Abflußspalten ver¬
sehen, und der Burro war an die See gewöhnt, durchschritt auch die sich ins
Meer ergießenden Bäche ohne Sträuben. Zauberhaft schön war es in der
Vollmondwoche sowie beim Meerleuchten; nicht nur die Wellen und die vom
Trolly hochgeschleuderten Spritzer leuchteten, sondern auch das in den Gleisen
und Hufspuren austretende Wasser; sogar der nebenherlaufende Terrier hinterließ
leuchtende Fährten.

Zu der soeben erwähnten Ilha Porchat, einem Kleinod landschaftlicher Schön¬
heit, gingen wir an einem klaren Morgen bei der tiefsten Ebbe trocknen Fußes hin¬
über. Der Pfad, den wir unter Führung einer ortskundigen Dame einschlugen,
war wenig begangen und ziemlich angreifend, zumal da die Felsen auf weitern
Strecken recht schlüpfrig waren und uns an einigen Stellen zum Kriechen, an
andern zu gewagten Sprüngen und Kletterkunststücken nötigten. Wir wurden
für unsre Mühe aber reichlich entschädigt, da wir in den zerrissenen und hoch-
umbrandeten Klippen der Insel einen völlig neuen und ungemein wirkungsvollen
Vordergrund erhielten, der dem ganzen Bilde einen Zug ins Romantische verlieh.
Hat man solche Schönheit genossen, so erscheint es fast unglaublich, daß viele
gebildete Santisten — so nennen sich die Einwohner von Santos — noch nie¬
mals einen Fuß auf die Ilha Porchat gesetzt haben. Dieselbe Erfahrung machten
wir aber, als wir nach der keineswegs beschwerlichen Besteigung des Monserrate
die vom Gipfel sich darbietende Aussicht rühmten.

Auch die weitere Umgebung suchten wir nach Möglichkeit kennen zu lernen.
So unternahmen wir an einem Sonntag unter Führung eines englischen Kapitäns
einen Ausflug nach dem Seebade Guaruja. Wir mußten zunächst vom Kai
in Santos aus auf einem kleinen Dampfer den Hafen durchqueren und dann
eine durch undurchdringlich dichten, mittelhohen Wald führende Kleinbahn be¬
nutzen. Guaruja liegt an einer vom Ozean ziemlich weit zurücktretenden Bucht,


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[0269] Line Ferienfahrt nach Brasilien Der Strand zieht sich meilenweit bis zu der schon erwähnten Batterie hin, dient allgemein als Reit- und Fahrweg und wird auch den ganzen Tag über als Badeplatz benutzt. Er ist sehr flach und besteht aus reinem weißem, von der starken Brandung festgeschlagnem Sande. An der Landseite ist er fast ununter¬ brochen mit Villen besetzt, deren Einfriedigungen bei hoher Flut von den Wellen bespült werden, während auf der andern Seite eine weit hervortretende, mit dichtem Wald besetzte Halbinsel und zwei ebenfalls bewaldete hohe Felseneilande, die Ilha Porchat und die Ilha das Cobras, vorgelagert sind. Die See ist be¬ ständig von ein- und ausfahrenden Ozeandampfern und Küstenfahrern sowie von Dampfbaggern und Fischerfahrzeugen belebt, und die Berge der unmittelbar an die See herantretenden Serra do Mar fesseln den Blick immer von neuem, weil sie sich demi Auge während der Fahrt immer wieder von andern Seiten darbieten. Auch an sich waren die Fahrten sehr vergnüglich, da wir entweder in dem ganz seichten Wasser oder doch so nahe daran fuhren, daß der Wasserstaub der Brandung uns einhüllte und die letzten Ausläufer der Wellen in den Wagen schlugen. Der Boden des Wagens war eigens hierfür mit Abflußspalten ver¬ sehen, und der Burro war an die See gewöhnt, durchschritt auch die sich ins Meer ergießenden Bäche ohne Sträuben. Zauberhaft schön war es in der Vollmondwoche sowie beim Meerleuchten; nicht nur die Wellen und die vom Trolly hochgeschleuderten Spritzer leuchteten, sondern auch das in den Gleisen und Hufspuren austretende Wasser; sogar der nebenherlaufende Terrier hinterließ leuchtende Fährten. Zu der soeben erwähnten Ilha Porchat, einem Kleinod landschaftlicher Schön¬ heit, gingen wir an einem klaren Morgen bei der tiefsten Ebbe trocknen Fußes hin¬ über. Der Pfad, den wir unter Führung einer ortskundigen Dame einschlugen, war wenig begangen und ziemlich angreifend, zumal da die Felsen auf weitern Strecken recht schlüpfrig waren und uns an einigen Stellen zum Kriechen, an andern zu gewagten Sprüngen und Kletterkunststücken nötigten. Wir wurden für unsre Mühe aber reichlich entschädigt, da wir in den zerrissenen und hoch- umbrandeten Klippen der Insel einen völlig neuen und ungemein wirkungsvollen Vordergrund erhielten, der dem ganzen Bilde einen Zug ins Romantische verlieh. Hat man solche Schönheit genossen, so erscheint es fast unglaublich, daß viele gebildete Santisten — so nennen sich die Einwohner von Santos — noch nie¬ mals einen Fuß auf die Ilha Porchat gesetzt haben. Dieselbe Erfahrung machten wir aber, als wir nach der keineswegs beschwerlichen Besteigung des Monserrate die vom Gipfel sich darbietende Aussicht rühmten. Auch die weitere Umgebung suchten wir nach Möglichkeit kennen zu lernen. So unternahmen wir an einem Sonntag unter Führung eines englischen Kapitäns einen Ausflug nach dem Seebade Guaruja. Wir mußten zunächst vom Kai in Santos aus auf einem kleinen Dampfer den Hafen durchqueren und dann eine durch undurchdringlich dichten, mittelhohen Wald führende Kleinbahn be¬ nutzen. Guaruja liegt an einer vom Ozean ziemlich weit zurücktretenden Bucht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/269>, abgerufen am 04.07.2024.