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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

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Line Ferienfahrt nach Brasilien

Infolge der Behaglichkeit unsers Lebens überkam uns ein gewisses Heimat¬
gefühl, das uns die Vergänglichkeit dieses Daseins fast vergessen machte. Hierzu
trug wesentlich der Umstand bei, daß wir eine Anzahl von Haustieren um uns
hatten. Ein Hund und zwei niedliche Katzen hatten sich uns schnell angeschlossen,
sodaß die Trennung später schwer fiel. Auch für einen gutbesetzten Geflttgelhof
hatte mein Schwager gesorgt. Die Hühner und die Enten, die er zu uns in
die Winterfrische gesandt hatte, waren durchweg edel gezogne Tiere, die jeder
Voliere zur Zierde gereicht hätten und sich übrigens auch im Kochtopf und in
der Bratpfanne sehr bewährt haben. Anfänglich hat es uns in Erstaunen ge¬
setzt, daß die Tiere vor den sich häufig unter sie mischenden Aasgeiern nicht
die geringste Furcht zeigten. Wir machten jedoch bald die Wahrnehmung, daß
die Geier, die von weitem wie Truthennen aussehen und deshalb im Geflügel-
Hof gar nicht auffallen, das in sie gesetzte Vertrauen durchaus rechtfertigten
und sich niemals an den Tieren, auch nicht an den kleinsten Kücken vergriffen.

Das Hauswesen wurde auf echt brasilianische Art geführt und verursachte
der Hausfrau nicht viel Kopfzerbrechen, obgleich wir wöchentlich mehrmals Gäste
bei uns sahen. An die Preise, die in Santos und Sav Vicente bedeutend höher
sind als z. B. in der Stadt Sav Paulo, konnten wir uns freilich nur schwer
gewöhnen. Billig war nur das Rindfleisch, 400 Reis ^ 60 Pfennige das Pfund,
dafür war es aber unvorteilhaft geschnitten und in ausgewählten Stücken über¬
haupt nicht zu haben; eine Flasche Milch von dreiviertel Lidern -- am Hause
von der die Runde machenden Kuh gemolken -- kostete 700 Reis -- 1 Mark
5 Pfennige, das Pfund Butter 3 Milreis 4^ Mark, eine Flasche brasi¬
lianisches Vier von der Größe einer Champagnerflasche 1 Milreis ^ Mark,
alles andre war entsprechend teuer. Aber das war einmal nicht zu ändern.
Morgens, während wir auf der Veranda saßen, erschienen teils Weiße, teils
schwarze Männer, meldeten sich durch lautes Händeklatschen an und brachten in
ihren großen, auf dem Kopfe getragnen Körben das bestellte Fleisch sowie zur
Auswahl Fische, Obst und Gemüse, von diesem außer den gangbaren europäischen
Sorten auch Palmkohl in der Form von Holzbündeln, Machocho usw. Wenn
in schwierigern Fällen die Sprachkenntnisse auf unsrer Seite nicht ausreichten,
mußte die von deutschen Eltern aus dem Staate Santa Katharina stammende,
auch der portugiesischen Sprache mächtige Köchin Hedwig zur Hilfe gerufen
werden, um das Geschäft zum Abschluß zu bringen. Damit war im wesentlichen
die Arbeit der Hausfrau beendet; das übrige konnte sie der Köchin, die für ihren
Lohn von 80 Milreis 120 Mark monatlich auch Gutes leistete, getrost über¬
lassen. Der Köchin war auch die Vermittlung des Verkehrs mit unserm nur
portugiesisch sprechenden Alfonso übertragen, der den Garten instant zu halten
und außerdem das Maultier und den Wagen zu besorgen hatte.

Unser braver Burro (Esel) -- so werden die Muti gewöhnlich genannt --
mußte uns in dem gerade vier Personen fassenden Trolly (Wägelchen) regelmüßig
in der Morgenfrische oder in den Abendstunden auf dem Strande spazieren fahren.


Line Ferienfahrt nach Brasilien

Infolge der Behaglichkeit unsers Lebens überkam uns ein gewisses Heimat¬
gefühl, das uns die Vergänglichkeit dieses Daseins fast vergessen machte. Hierzu
trug wesentlich der Umstand bei, daß wir eine Anzahl von Haustieren um uns
hatten. Ein Hund und zwei niedliche Katzen hatten sich uns schnell angeschlossen,
sodaß die Trennung später schwer fiel. Auch für einen gutbesetzten Geflttgelhof
hatte mein Schwager gesorgt. Die Hühner und die Enten, die er zu uns in
die Winterfrische gesandt hatte, waren durchweg edel gezogne Tiere, die jeder
Voliere zur Zierde gereicht hätten und sich übrigens auch im Kochtopf und in
der Bratpfanne sehr bewährt haben. Anfänglich hat es uns in Erstaunen ge¬
setzt, daß die Tiere vor den sich häufig unter sie mischenden Aasgeiern nicht
die geringste Furcht zeigten. Wir machten jedoch bald die Wahrnehmung, daß
die Geier, die von weitem wie Truthennen aussehen und deshalb im Geflügel-
Hof gar nicht auffallen, das in sie gesetzte Vertrauen durchaus rechtfertigten
und sich niemals an den Tieren, auch nicht an den kleinsten Kücken vergriffen.

Das Hauswesen wurde auf echt brasilianische Art geführt und verursachte
der Hausfrau nicht viel Kopfzerbrechen, obgleich wir wöchentlich mehrmals Gäste
bei uns sahen. An die Preise, die in Santos und Sav Vicente bedeutend höher
sind als z. B. in der Stadt Sav Paulo, konnten wir uns freilich nur schwer
gewöhnen. Billig war nur das Rindfleisch, 400 Reis ^ 60 Pfennige das Pfund,
dafür war es aber unvorteilhaft geschnitten und in ausgewählten Stücken über¬
haupt nicht zu haben; eine Flasche Milch von dreiviertel Lidern — am Hause
von der die Runde machenden Kuh gemolken — kostete 700 Reis — 1 Mark
5 Pfennige, das Pfund Butter 3 Milreis 4^ Mark, eine Flasche brasi¬
lianisches Vier von der Größe einer Champagnerflasche 1 Milreis ^ Mark,
alles andre war entsprechend teuer. Aber das war einmal nicht zu ändern.
Morgens, während wir auf der Veranda saßen, erschienen teils Weiße, teils
schwarze Männer, meldeten sich durch lautes Händeklatschen an und brachten in
ihren großen, auf dem Kopfe getragnen Körben das bestellte Fleisch sowie zur
Auswahl Fische, Obst und Gemüse, von diesem außer den gangbaren europäischen
Sorten auch Palmkohl in der Form von Holzbündeln, Machocho usw. Wenn
in schwierigern Fällen die Sprachkenntnisse auf unsrer Seite nicht ausreichten,
mußte die von deutschen Eltern aus dem Staate Santa Katharina stammende,
auch der portugiesischen Sprache mächtige Köchin Hedwig zur Hilfe gerufen
werden, um das Geschäft zum Abschluß zu bringen. Damit war im wesentlichen
die Arbeit der Hausfrau beendet; das übrige konnte sie der Köchin, die für ihren
Lohn von 80 Milreis 120 Mark monatlich auch Gutes leistete, getrost über¬
lassen. Der Köchin war auch die Vermittlung des Verkehrs mit unserm nur
portugiesisch sprechenden Alfonso übertragen, der den Garten instant zu halten
und außerdem das Maultier und den Wagen zu besorgen hatte.

Unser braver Burro (Esel) — so werden die Muti gewöhnlich genannt —
mußte uns in dem gerade vier Personen fassenden Trolly (Wägelchen) regelmüßig
in der Morgenfrische oder in den Abendstunden auf dem Strande spazieren fahren.


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[0268] Line Ferienfahrt nach Brasilien Infolge der Behaglichkeit unsers Lebens überkam uns ein gewisses Heimat¬ gefühl, das uns die Vergänglichkeit dieses Daseins fast vergessen machte. Hierzu trug wesentlich der Umstand bei, daß wir eine Anzahl von Haustieren um uns hatten. Ein Hund und zwei niedliche Katzen hatten sich uns schnell angeschlossen, sodaß die Trennung später schwer fiel. Auch für einen gutbesetzten Geflttgelhof hatte mein Schwager gesorgt. Die Hühner und die Enten, die er zu uns in die Winterfrische gesandt hatte, waren durchweg edel gezogne Tiere, die jeder Voliere zur Zierde gereicht hätten und sich übrigens auch im Kochtopf und in der Bratpfanne sehr bewährt haben. Anfänglich hat es uns in Erstaunen ge¬ setzt, daß die Tiere vor den sich häufig unter sie mischenden Aasgeiern nicht die geringste Furcht zeigten. Wir machten jedoch bald die Wahrnehmung, daß die Geier, die von weitem wie Truthennen aussehen und deshalb im Geflügel- Hof gar nicht auffallen, das in sie gesetzte Vertrauen durchaus rechtfertigten und sich niemals an den Tieren, auch nicht an den kleinsten Kücken vergriffen. Das Hauswesen wurde auf echt brasilianische Art geführt und verursachte der Hausfrau nicht viel Kopfzerbrechen, obgleich wir wöchentlich mehrmals Gäste bei uns sahen. An die Preise, die in Santos und Sav Vicente bedeutend höher sind als z. B. in der Stadt Sav Paulo, konnten wir uns freilich nur schwer gewöhnen. Billig war nur das Rindfleisch, 400 Reis ^ 60 Pfennige das Pfund, dafür war es aber unvorteilhaft geschnitten und in ausgewählten Stücken über¬ haupt nicht zu haben; eine Flasche Milch von dreiviertel Lidern — am Hause von der die Runde machenden Kuh gemolken — kostete 700 Reis — 1 Mark 5 Pfennige, das Pfund Butter 3 Milreis 4^ Mark, eine Flasche brasi¬ lianisches Vier von der Größe einer Champagnerflasche 1 Milreis ^ Mark, alles andre war entsprechend teuer. Aber das war einmal nicht zu ändern. Morgens, während wir auf der Veranda saßen, erschienen teils Weiße, teils schwarze Männer, meldeten sich durch lautes Händeklatschen an und brachten in ihren großen, auf dem Kopfe getragnen Körben das bestellte Fleisch sowie zur Auswahl Fische, Obst und Gemüse, von diesem außer den gangbaren europäischen Sorten auch Palmkohl in der Form von Holzbündeln, Machocho usw. Wenn in schwierigern Fällen die Sprachkenntnisse auf unsrer Seite nicht ausreichten, mußte die von deutschen Eltern aus dem Staate Santa Katharina stammende, auch der portugiesischen Sprache mächtige Köchin Hedwig zur Hilfe gerufen werden, um das Geschäft zum Abschluß zu bringen. Damit war im wesentlichen die Arbeit der Hausfrau beendet; das übrige konnte sie der Köchin, die für ihren Lohn von 80 Milreis 120 Mark monatlich auch Gutes leistete, getrost über¬ lassen. Der Köchin war auch die Vermittlung des Verkehrs mit unserm nur portugiesisch sprechenden Alfonso übertragen, der den Garten instant zu halten und außerdem das Maultier und den Wagen zu besorgen hatte. Unser braver Burro (Esel) — so werden die Muti gewöhnlich genannt — mußte uns in dem gerade vier Personen fassenden Trolly (Wägelchen) regelmüßig in der Morgenfrische oder in den Abendstunden auf dem Strande spazieren fahren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/268>, abgerufen am 04.07.2024.