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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Dresdner Rimstlerhefte

daß das einzelne Möbel nur diesen Platz und keinen andern haben konnte.
Manche dieser Interieurs waren sehr reizvoll, aber dann auch so kostbar, daß
sie nur für Automobilbesitzer zu erschwingen waren, denen es denn ja auch
nicht darauf ankommen kann, alle diese zarten Sachen, sobald sie die ersten
Spuren wirklichen Gebrauchs zeigen, durch ebenso kostbare neue zu ersetzen.

Es war sehr unterhaltend, die Leute durch die einfachern Zimmer wandeln
zu sehen und reden zu hören. Das soll für unsern Stand sein, hin! Dann
gingen sie an die Preiszettel, die an einem Türpfosten hingen. Das Ergebnis
war doch meist -- nicht immer -- das, daß auch die allereinfachsten Sachen
unverhältnismäßig teuer waren. Ein kleiner Handwerksmann, der seine Freunde
herumführte, meinte zwar, sie würden mit der Zeit etwas billiger werden, dies
seien ja nur die ersten Ausstellungsproben, aber das sei andrerseits begreiflich,
daß Möbel, die von Künstlern entworfen würden, auch ihr Geld kosten müßten.
Sollte sich aber das Publikum wirklich dazu verstehn, bei notwendigen Ge¬
brauchsgegenständen eingebildete künstlerische Werte (eingebildet, weil es sie
nicht als Verbesserungen erkennt) zu bezahlen? Nun sind außerdem diese für
einfache Leute bestimmten Möbel durch das Eingreifen der Künstler vielfach
auf eine geradezu primitive Einfachheit gebracht, man könnte sagen, zurück¬
geschraubt worden. Sie haben nichts einladendes, nichts, was lockt oder reizt,
sie scheinen dem kleinen Manne mit verletzender Deutlichkeit sagen zu wollen:
Das da ist für dich und bezeichnet auch äußerlich deinen Stand und dein
Vermögen; willst dus schöner haben, so wird es für dich viel zu teuer, denn
wir liefern nur "in Echt", und das ist, wenn es was herzeigen soll, für die
Kommerzienrüte! Ein vielgefeierter Möbelkünstler hängt zum Beispiel die
Kissen solcher einfacher Sofas mit Lederriemen an Nägel, die in das Holz
geschlagen sind, eine ehrlich sichtbar gemachte Mechanik, die in der Geschichte
des Möbelwesens vielleicht eine Vorstufe des Möbelpolsterns darstellen mag,
dessen wir uns heute dank der Geschicklichkeit unsrer kleinsten Tapezierer täglich
erfreuen. Vielleicht macht sich auch heute noch der Bauer auf diese Weise die
Lehne einer alten Holzbank bequem. Aber so etwas im zwanzigsten Jahrhundert
M die Möbelfabrikation einzuführen ist doch nichts weiter als Affektcition. Und
bei dem feinen Mobiliar für die reichen Leute macht man doch wirkliche, ver¬
nünftige Polsterung. Das ist nur ein einziges Beispiel aus vielen, die den
Unterschied zwischen Hoch und Niedrig oder Reich und Arm allzudeutlich zeigen.
Auch in den Möbelbezügen macht sich diese affektierte Einfachheit breit. Da
haben wir diese stumpffarbigen, halbverschossenen graugrünen Baumwollenstoffe,
die den bescheidnen kleinen Mann tagtäglich daran erinnern: Das ist für dich
und deinesgleichen; früher hast du für denselben Preis ein Plüschsofa gehabt,
aber das ist nicht stilgerecht. Wir leben ja im Zeitalter der Kunsterziehung.
Wird sich das Publikum aber auch diese Erziehung gefallen lassen? Überall
sonst im Leben, wohin wir seyen, finden wir in äußerlichen Dingen das Streben
von unten nach oben, so vor allem in der Kleidung, und was man nicht echt


Dresdner Rimstlerhefte

daß das einzelne Möbel nur diesen Platz und keinen andern haben konnte.
Manche dieser Interieurs waren sehr reizvoll, aber dann auch so kostbar, daß
sie nur für Automobilbesitzer zu erschwingen waren, denen es denn ja auch
nicht darauf ankommen kann, alle diese zarten Sachen, sobald sie die ersten
Spuren wirklichen Gebrauchs zeigen, durch ebenso kostbare neue zu ersetzen.

Es war sehr unterhaltend, die Leute durch die einfachern Zimmer wandeln
zu sehen und reden zu hören. Das soll für unsern Stand sein, hin! Dann
gingen sie an die Preiszettel, die an einem Türpfosten hingen. Das Ergebnis
war doch meist — nicht immer — das, daß auch die allereinfachsten Sachen
unverhältnismäßig teuer waren. Ein kleiner Handwerksmann, der seine Freunde
herumführte, meinte zwar, sie würden mit der Zeit etwas billiger werden, dies
seien ja nur die ersten Ausstellungsproben, aber das sei andrerseits begreiflich,
daß Möbel, die von Künstlern entworfen würden, auch ihr Geld kosten müßten.
Sollte sich aber das Publikum wirklich dazu verstehn, bei notwendigen Ge¬
brauchsgegenständen eingebildete künstlerische Werte (eingebildet, weil es sie
nicht als Verbesserungen erkennt) zu bezahlen? Nun sind außerdem diese für
einfache Leute bestimmten Möbel durch das Eingreifen der Künstler vielfach
auf eine geradezu primitive Einfachheit gebracht, man könnte sagen, zurück¬
geschraubt worden. Sie haben nichts einladendes, nichts, was lockt oder reizt,
sie scheinen dem kleinen Manne mit verletzender Deutlichkeit sagen zu wollen:
Das da ist für dich und bezeichnet auch äußerlich deinen Stand und dein
Vermögen; willst dus schöner haben, so wird es für dich viel zu teuer, denn
wir liefern nur „in Echt", und das ist, wenn es was herzeigen soll, für die
Kommerzienrüte! Ein vielgefeierter Möbelkünstler hängt zum Beispiel die
Kissen solcher einfacher Sofas mit Lederriemen an Nägel, die in das Holz
geschlagen sind, eine ehrlich sichtbar gemachte Mechanik, die in der Geschichte
des Möbelwesens vielleicht eine Vorstufe des Möbelpolsterns darstellen mag,
dessen wir uns heute dank der Geschicklichkeit unsrer kleinsten Tapezierer täglich
erfreuen. Vielleicht macht sich auch heute noch der Bauer auf diese Weise die
Lehne einer alten Holzbank bequem. Aber so etwas im zwanzigsten Jahrhundert
M die Möbelfabrikation einzuführen ist doch nichts weiter als Affektcition. Und
bei dem feinen Mobiliar für die reichen Leute macht man doch wirkliche, ver¬
nünftige Polsterung. Das ist nur ein einziges Beispiel aus vielen, die den
Unterschied zwischen Hoch und Niedrig oder Reich und Arm allzudeutlich zeigen.
Auch in den Möbelbezügen macht sich diese affektierte Einfachheit breit. Da
haben wir diese stumpffarbigen, halbverschossenen graugrünen Baumwollenstoffe,
die den bescheidnen kleinen Mann tagtäglich daran erinnern: Das ist für dich
und deinesgleichen; früher hast du für denselben Preis ein Plüschsofa gehabt,
aber das ist nicht stilgerecht. Wir leben ja im Zeitalter der Kunsterziehung.
Wird sich das Publikum aber auch diese Erziehung gefallen lassen? Überall
sonst im Leben, wohin wir seyen, finden wir in äußerlichen Dingen das Streben
von unten nach oben, so vor allem in der Kleidung, und was man nicht echt


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[0609] Dresdner Rimstlerhefte daß das einzelne Möbel nur diesen Platz und keinen andern haben konnte. Manche dieser Interieurs waren sehr reizvoll, aber dann auch so kostbar, daß sie nur für Automobilbesitzer zu erschwingen waren, denen es denn ja auch nicht darauf ankommen kann, alle diese zarten Sachen, sobald sie die ersten Spuren wirklichen Gebrauchs zeigen, durch ebenso kostbare neue zu ersetzen. Es war sehr unterhaltend, die Leute durch die einfachern Zimmer wandeln zu sehen und reden zu hören. Das soll für unsern Stand sein, hin! Dann gingen sie an die Preiszettel, die an einem Türpfosten hingen. Das Ergebnis war doch meist — nicht immer — das, daß auch die allereinfachsten Sachen unverhältnismäßig teuer waren. Ein kleiner Handwerksmann, der seine Freunde herumführte, meinte zwar, sie würden mit der Zeit etwas billiger werden, dies seien ja nur die ersten Ausstellungsproben, aber das sei andrerseits begreiflich, daß Möbel, die von Künstlern entworfen würden, auch ihr Geld kosten müßten. Sollte sich aber das Publikum wirklich dazu verstehn, bei notwendigen Ge¬ brauchsgegenständen eingebildete künstlerische Werte (eingebildet, weil es sie nicht als Verbesserungen erkennt) zu bezahlen? Nun sind außerdem diese für einfache Leute bestimmten Möbel durch das Eingreifen der Künstler vielfach auf eine geradezu primitive Einfachheit gebracht, man könnte sagen, zurück¬ geschraubt worden. Sie haben nichts einladendes, nichts, was lockt oder reizt, sie scheinen dem kleinen Manne mit verletzender Deutlichkeit sagen zu wollen: Das da ist für dich und bezeichnet auch äußerlich deinen Stand und dein Vermögen; willst dus schöner haben, so wird es für dich viel zu teuer, denn wir liefern nur „in Echt", und das ist, wenn es was herzeigen soll, für die Kommerzienrüte! Ein vielgefeierter Möbelkünstler hängt zum Beispiel die Kissen solcher einfacher Sofas mit Lederriemen an Nägel, die in das Holz geschlagen sind, eine ehrlich sichtbar gemachte Mechanik, die in der Geschichte des Möbelwesens vielleicht eine Vorstufe des Möbelpolsterns darstellen mag, dessen wir uns heute dank der Geschicklichkeit unsrer kleinsten Tapezierer täglich erfreuen. Vielleicht macht sich auch heute noch der Bauer auf diese Weise die Lehne einer alten Holzbank bequem. Aber so etwas im zwanzigsten Jahrhundert M die Möbelfabrikation einzuführen ist doch nichts weiter als Affektcition. Und bei dem feinen Mobiliar für die reichen Leute macht man doch wirkliche, ver¬ nünftige Polsterung. Das ist nur ein einziges Beispiel aus vielen, die den Unterschied zwischen Hoch und Niedrig oder Reich und Arm allzudeutlich zeigen. Auch in den Möbelbezügen macht sich diese affektierte Einfachheit breit. Da haben wir diese stumpffarbigen, halbverschossenen graugrünen Baumwollenstoffe, die den bescheidnen kleinen Mann tagtäglich daran erinnern: Das ist für dich und deinesgleichen; früher hast du für denselben Preis ein Plüschsofa gehabt, aber das ist nicht stilgerecht. Wir leben ja im Zeitalter der Kunsterziehung. Wird sich das Publikum aber auch diese Erziehung gefallen lassen? Überall sonst im Leben, wohin wir seyen, finden wir in äußerlichen Dingen das Streben von unten nach oben, so vor allem in der Kleidung, und was man nicht echt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/609>, abgerufen am 23.07.2024.