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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Aschabäd und Umgegend

dann von den Persern wiederhergestellten Stube Arrau am Fuß der Berge
zu einem Besuch einladen. Sonst ist die Umgebung reizlos, wie die aller
andern Orte in der Oase, da die Wasser des Flüßchens Aschabadka oder
Kurtsch-Sön nicht so reichlich fließen, daß sie für eine Gartenkultur außerhalb
des Weichbildes der Stadt benutzt werden könnten. Den Hintergrund der
Landschaft bildet aber hier wie in der ganzen Achat-Teke- und Adel-Oase ein viel¬
fach gegliederter Gebirgszug. Der Ssaandak und Berdar genannte Teil auf der
Grenzstrecke südlich von Aschabad hat Gipfel bis zu 3000 Metern Meereshöhe,
ist jedoch in den nördlichen Ausläufern gut zugänglich und jedenfalls weniger
steil als die eigentlichen Kammhöhen. Wegen seiner Wasserarmut verdorrt
sehr bald im Jahre das üppige Frühjahrsgras seiner Hänge, die zudem des
Baumwuchses entbehren, nachdem die Waldbestände schonungslos vernichtet
und als Bau- und Brennholz an die Eisenbahn verkauft worden sind. Über den
Berdar führt die Chaussee nach dem heiligen Meschhed, ebenfalls ein Werk
der Ära Kuropatkins. Uns war von großem Interesse, den Zustand dieser
"vorzüglichen" Straße und den als sehr lebhaft verschrienen Verkehr auf ihr
kennen zu lernen, und so nahmen nur uns PostPferde nach dem Grenzort
Gardar an der Paßhöhe, in dessen Nähe der wichtige gleichnamige Grenz¬
posten steht. Der Polizeimeister hatte unsre beiden Phaethons selber bestellt
und uns durch Depeschen an die Zwischenstation und den Ortsvorsteher alle
mögliche Förderung angedeihen lassen. Persönlich riet er von dem Ausflug
ab, und vielleicht nicht mit Unrecht, wenn ich bedenke, daß wir diesen einen
Tag sei es in Merw, Buchara oder im Lande Ferghana besser hätten ver¬
wenden können.

Um sieben Uhr Morgens jagten wir mit unsern Viergespannen durch die
Stadt, und außerhalb ihres Weichbildes fuhren wir nach kurzem Halt in mäßigem
Trabe, zumeist auf dem Brandfelde neben der unebnen Chaussee, auf das in
prächtiger aber wenig Vertrauen erweckender Klarheit vor uns liegende schön
geformte Gebirge los. Nach etwa halbstündiger Fahrt trat die Straße in ein Tal
und kletterte sodann in vielen Zickzacks gänzlich überflüssigerweise an einem der
vorspringenden Berge in die Höhe, während wir aus Mitleid mit den Pferden
zu Fuße die lehmbedeckten glitschigen Abhänge, in gerader Richtung der Tele¬
graphenleitung folgend, emporstiegen. Schon hier war unter dem Einfluß der
Schneeschmelze der Zustand der vielgerühmten Straße so grundlos, daß die
Viergespanne die leichten Wagen nur im Schritt vorwärts brachten. Es ist
ganz erstaunlich, wieviel Werst die Baumeister der Wegestrecke hier zusammen¬
gebaut haben, um die Steigung auf ein recht geringes Maß herabzudrücken und
wahrscheinlich, um Kunstbauten zu sparen, bei denen sie nicht so gut auf die
Kosten der werstweise bezahlten Rechnung kommen. Im Tal des Kurtsch-Sön
wäre die Straße kürzer und bequemer zu fahren, freilich nicht ohne Kunstbauten
zu ermöglichen gewesen. Bald sanften wir denn auch eine Anzahl Zickzacks in
dieses Tal hinunter, und nun wurde die Straße fest und gut. Die Talsohle


Aschabäd und Umgegend

dann von den Persern wiederhergestellten Stube Arrau am Fuß der Berge
zu einem Besuch einladen. Sonst ist die Umgebung reizlos, wie die aller
andern Orte in der Oase, da die Wasser des Flüßchens Aschabadka oder
Kurtsch-Sön nicht so reichlich fließen, daß sie für eine Gartenkultur außerhalb
des Weichbildes der Stadt benutzt werden könnten. Den Hintergrund der
Landschaft bildet aber hier wie in der ganzen Achat-Teke- und Adel-Oase ein viel¬
fach gegliederter Gebirgszug. Der Ssaandak und Berdar genannte Teil auf der
Grenzstrecke südlich von Aschabad hat Gipfel bis zu 3000 Metern Meereshöhe,
ist jedoch in den nördlichen Ausläufern gut zugänglich und jedenfalls weniger
steil als die eigentlichen Kammhöhen. Wegen seiner Wasserarmut verdorrt
sehr bald im Jahre das üppige Frühjahrsgras seiner Hänge, die zudem des
Baumwuchses entbehren, nachdem die Waldbestände schonungslos vernichtet
und als Bau- und Brennholz an die Eisenbahn verkauft worden sind. Über den
Berdar führt die Chaussee nach dem heiligen Meschhed, ebenfalls ein Werk
der Ära Kuropatkins. Uns war von großem Interesse, den Zustand dieser
„vorzüglichen" Straße und den als sehr lebhaft verschrienen Verkehr auf ihr
kennen zu lernen, und so nahmen nur uns PostPferde nach dem Grenzort
Gardar an der Paßhöhe, in dessen Nähe der wichtige gleichnamige Grenz¬
posten steht. Der Polizeimeister hatte unsre beiden Phaethons selber bestellt
und uns durch Depeschen an die Zwischenstation und den Ortsvorsteher alle
mögliche Förderung angedeihen lassen. Persönlich riet er von dem Ausflug
ab, und vielleicht nicht mit Unrecht, wenn ich bedenke, daß wir diesen einen
Tag sei es in Merw, Buchara oder im Lande Ferghana besser hätten ver¬
wenden können.

Um sieben Uhr Morgens jagten wir mit unsern Viergespannen durch die
Stadt, und außerhalb ihres Weichbildes fuhren wir nach kurzem Halt in mäßigem
Trabe, zumeist auf dem Brandfelde neben der unebnen Chaussee, auf das in
prächtiger aber wenig Vertrauen erweckender Klarheit vor uns liegende schön
geformte Gebirge los. Nach etwa halbstündiger Fahrt trat die Straße in ein Tal
und kletterte sodann in vielen Zickzacks gänzlich überflüssigerweise an einem der
vorspringenden Berge in die Höhe, während wir aus Mitleid mit den Pferden
zu Fuße die lehmbedeckten glitschigen Abhänge, in gerader Richtung der Tele¬
graphenleitung folgend, emporstiegen. Schon hier war unter dem Einfluß der
Schneeschmelze der Zustand der vielgerühmten Straße so grundlos, daß die
Viergespanne die leichten Wagen nur im Schritt vorwärts brachten. Es ist
ganz erstaunlich, wieviel Werst die Baumeister der Wegestrecke hier zusammen¬
gebaut haben, um die Steigung auf ein recht geringes Maß herabzudrücken und
wahrscheinlich, um Kunstbauten zu sparen, bei denen sie nicht so gut auf die
Kosten der werstweise bezahlten Rechnung kommen. Im Tal des Kurtsch-Sön
wäre die Straße kürzer und bequemer zu fahren, freilich nicht ohne Kunstbauten
zu ermöglichen gewesen. Bald sanften wir denn auch eine Anzahl Zickzacks in
dieses Tal hinunter, und nun wurde die Straße fest und gut. Die Talsohle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/554>, abgerufen am 23.07.2024.