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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Deutsche Liebesbriefe

Charlotte von Stein war. "Nichts Groß als das Natürliche" äußert Goethe
einmal der Geliebten gegenüber, und diese Anschauung bekunden auch seine
zahlreichen Briefe und Billetts an sie. Nach der Lektüre der Proben aus
der Empfindsamkeitsperiode wirkt der schlichte und doch so packende Gefühls-
ausdruck erfrischend auf uns. Welches reiche Seelenleben 0^ sich in
den einfachen Worten des Dichters, welche Fülle von Freude welch Tiefe
des Leids! Er bat die Grazien, seiner Leidenschaft die innere Gute zu geben
und zu erhalten, aus der allein die Schönheit entspringt - und sie ge¬
währten es. ..Deine Liebe, so redet er Charlotte an. ist nur wie der Morge
und Abendstern, er geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wiede
°uf- Ja. wie ein Gestirn des Pols, das nie untergehend über unserm Haupt
einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete, daß es nur an der Bahn des
Lebens die Götter nie verdunkeln mögen." Dieses Gebet fand bekauu ichkeine Erhörung. Eine Trübung des Verhältnisses zeigen schon Goethes
Briefe ans Italien, und eine Besieglung des Bruchs bedeutet sem Schreiben
v°in 1. Juni 1789. Christiane Vulpius. deren Gewissensehe mit dem Dichter
den höchsten Zorn der Frau von Stein erregt hatte, erscheint ebenfalls a s
Adresfatin Goethischer Briefe in Zeitlers Sammlung S° ^ ^Kleine", wie Goethe sie nannte, von der einst angebeteten Lida unter ss° sehr unterscheiden ich die schriftlichen Äußerungen. die W°e ^-lebten erhiel e . Die n die vielgelüsterte Christiane S^chtet^ aer^n uM
jenes erhabne, dumpfe. qualenvolle, fondern ein einfaches, mmgev häusliches
Liebesglück

^
, Hölderlins Briefwechsel mit Luise Nast lenkt "nsre Gedmiwi auf Ki^-
t°et zurück. Ein Schreiben der Braut entpreßt dem weichen Achter ^der innigsten Freude", der Abschied von ihr ..Tränen des bittersten SHuerz -
Ein Satz wie auch dieses Sehnen ist Wonne Deinem Jungluig konnt
ebenso g!t ausrede! des ^essiassängers ^ s-w; Hin te^in
le Liebenden die Klagen darüber, daß sie für iure Selig e t n
Ausdruck finden können (..der Buchstabe ist eben Buchstabe^. und^ La in
Frömmigkeit scheint mir der Klopstockscheu verwandt zu n. "^d ihr
Briefe zu nnserm Gemüte sprechen, erregen die .^'s
Wenfalls in Hölderlins Leben hineinragt, ""r Pathol g:sah s Lerche.
? meine jene krankhaft verzerrten Ergüsse. mit denen Ch ^ ^
Aean Paul bedachte. Gesunder, wen" auch nicht weniger ^ "^^ es s ut
dle Briefe, die d r Dichter des Titan von ^ ^alten Carow
?nes Lächelns können wir uns freilich nicht erwehren, >v "r l ^ w
lese ihrem ..Göttlichsten Einzigen" gleich nach dessen A reise schabt sie
habe sein Schnupftuch mit in ihr Zimmer ^übergenomm n es Me^och
ringe Wärme von Dir" (!). In einer Nachschrift ne.me s^du una wenig
geschmackvoll ..meine Puppe". und als sie ein Schreiben °" d ni GMen^halten hat. dankt sie ganz in dessen Stile für sem ..hohes Blatt.


Deutsche Liebesbriefe

Charlotte von Stein war. „Nichts Groß als das Natürliche" äußert Goethe
einmal der Geliebten gegenüber, und diese Anschauung bekunden auch seine
zahlreichen Briefe und Billetts an sie. Nach der Lektüre der Proben aus
der Empfindsamkeitsperiode wirkt der schlichte und doch so packende Gefühls-
ausdruck erfrischend auf uns. Welches reiche Seelenleben 0^ sich in
den einfachen Worten des Dichters, welche Fülle von Freude welch Tiefe
des Leids! Er bat die Grazien, seiner Leidenschaft die innere Gute zu geben
und zu erhalten, aus der allein die Schönheit entspringt - und sie ge¬
währten es. ..Deine Liebe, so redet er Charlotte an. ist nur wie der Morge
und Abendstern, er geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wiede
°uf- Ja. wie ein Gestirn des Pols, das nie untergehend über unserm Haupt
einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete, daß es nur an der Bahn des
Lebens die Götter nie verdunkeln mögen." Dieses Gebet fand bekauu ichkeine Erhörung. Eine Trübung des Verhältnisses zeigen schon Goethes
Briefe ans Italien, und eine Besieglung des Bruchs bedeutet sem Schreiben
v°in 1. Juni 1789. Christiane Vulpius. deren Gewissensehe mit dem Dichter
den höchsten Zorn der Frau von Stein erregt hatte, erscheint ebenfalls a s
Adresfatin Goethischer Briefe in Zeitlers Sammlung S° ^ ^Kleine", wie Goethe sie nannte, von der einst angebeteten Lida unter ss° sehr unterscheiden ich die schriftlichen Äußerungen. die W°e ^-lebten erhiel e . Die n die vielgelüsterte Christiane S^chtet^ aer^n uM
jenes erhabne, dumpfe. qualenvolle, fondern ein einfaches, mmgev häusliches
Liebesglück

^
, Hölderlins Briefwechsel mit Luise Nast lenkt «nsre Gedmiwi auf Ki^-
t°et zurück. Ein Schreiben der Braut entpreßt dem weichen Achter ^der innigsten Freude", der Abschied von ihr ..Tränen des bittersten SHuerz -
Ein Satz wie auch dieses Sehnen ist Wonne Deinem Jungluig konnt
ebenso g!t ausrede! des ^essiassängers ^ s-w; Hin te^in
le Liebenden die Klagen darüber, daß sie für iure Selig e t n
Ausdruck finden können (..der Buchstabe ist eben Buchstabe^. und^ La in
Frömmigkeit scheint mir der Klopstockscheu verwandt zu n. «^d ihr
Briefe zu nnserm Gemüte sprechen, erregen die .^'s
Wenfalls in Hölderlins Leben hineinragt, "«r Pathol g:sah s Lerche.
? meine jene krankhaft verzerrten Ergüsse. mit denen Ch ^ ^
Aean Paul bedachte. Gesunder, wen» auch nicht weniger ^ "^^ es s ut
dle Briefe, die d r Dichter des Titan von ^ ^alten Carow
?nes Lächelns können wir uns freilich nicht erwehren, >v "r l ^ w
lese ihrem ..Göttlichsten Einzigen" gleich nach dessen A reise schabt sie
habe sein Schnupftuch mit in ihr Zimmer ^übergenomm n es Me^och
ringe Wärme von Dir" (!). In einer Nachschrift ne.me s^du una wenig
geschmackvoll ..meine Puppe". und als sie ein Schreiben °" d ni GMen^halten hat. dankt sie ganz in dessen Stile für sem ..hohes Blatt.


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[0539] Deutsche Liebesbriefe Charlotte von Stein war. „Nichts Groß als das Natürliche" äußert Goethe einmal der Geliebten gegenüber, und diese Anschauung bekunden auch seine zahlreichen Briefe und Billetts an sie. Nach der Lektüre der Proben aus der Empfindsamkeitsperiode wirkt der schlichte und doch so packende Gefühls- ausdruck erfrischend auf uns. Welches reiche Seelenleben 0^ sich in den einfachen Worten des Dichters, welche Fülle von Freude welch Tiefe des Leids! Er bat die Grazien, seiner Leidenschaft die innere Gute zu geben und zu erhalten, aus der allein die Schönheit entspringt - und sie ge¬ währten es. ..Deine Liebe, so redet er Charlotte an. ist nur wie der Morge und Abendstern, er geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wiede °uf- Ja. wie ein Gestirn des Pols, das nie untergehend über unserm Haupt einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete, daß es nur an der Bahn des Lebens die Götter nie verdunkeln mögen." Dieses Gebet fand bekauu ichkeine Erhörung. Eine Trübung des Verhältnisses zeigen schon Goethes Briefe ans Italien, und eine Besieglung des Bruchs bedeutet sem Schreiben v°in 1. Juni 1789. Christiane Vulpius. deren Gewissensehe mit dem Dichter den höchsten Zorn der Frau von Stein erregt hatte, erscheint ebenfalls a s Adresfatin Goethischer Briefe in Zeitlers Sammlung S° ^ ^Kleine", wie Goethe sie nannte, von der einst angebeteten Lida unter ss° sehr unterscheiden ich die schriftlichen Äußerungen. die W°e ^-lebten erhiel e . Die n die vielgelüsterte Christiane S^chtet^ aer^n uM jenes erhabne, dumpfe. qualenvolle, fondern ein einfaches, mmgev häusliches Liebesglück ^ , Hölderlins Briefwechsel mit Luise Nast lenkt «nsre Gedmiwi auf Ki^- t°et zurück. Ein Schreiben der Braut entpreßt dem weichen Achter ^der innigsten Freude", der Abschied von ihr ..Tränen des bittersten SHuerz - Ein Satz wie auch dieses Sehnen ist Wonne Deinem Jungluig konnt ebenso g!t ausrede! des ^essiassängers ^ s-w; Hin te^in le Liebenden die Klagen darüber, daß sie für iure Selig e t n Ausdruck finden können (..der Buchstabe ist eben Buchstabe^. und^ La in Frömmigkeit scheint mir der Klopstockscheu verwandt zu n. «^d ihr Briefe zu nnserm Gemüte sprechen, erregen die .^'s Wenfalls in Hölderlins Leben hineinragt, "«r Pathol g:sah s Lerche. ? meine jene krankhaft verzerrten Ergüsse. mit denen Ch ^ ^ Aean Paul bedachte. Gesunder, wen» auch nicht weniger ^ "^^ es s ut dle Briefe, die d r Dichter des Titan von ^ ^alten Carow ?nes Lächelns können wir uns freilich nicht erwehren, >v "r l ^ w lese ihrem ..Göttlichsten Einzigen" gleich nach dessen A reise schabt sie habe sein Schnupftuch mit in ihr Zimmer ^übergenomm n es Me^och ringe Wärme von Dir" (!). In einer Nachschrift ne.me s^du una wenig geschmackvoll ..meine Puppe". und als sie ein Schreiben °" d ni GMen^halten hat. dankt sie ganz in dessen Stile für sem ..hohes Blatt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/539>, abgerufen am 23.07.2024.