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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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Das preußische Gffizierkorxs von ^806 im Lichte neuer Forschungen

isolierte Abteilungen, die infolge der Isolierung ohnmächtig waren oder von
den geschlagner Heeresteilen mit ins Verderben gerissen wurden.

Das alles ereignete sich in sechs Wochen. Intakt blieben nach Kunhardt
von Schmidt die Bataillone der Ostpreußischen und der Warschauer Jnfanterie-
inspektion, 33 und ein halbes an der Zahl, und 55 Schwadronen der
Preußischen Kavallerieinspektion, die in ihren Jnspektionsbezirken zurückge¬
blieben waren, sowie eine größere Anzahl von Batterien.

Darauf erließ König Friedrich Wilhelm der Dritte am 1. Dezember 1806
von Ortelsburg aus ein "?uvli<zanäum wegen Abstellung verschiedener Mi߬
bräuche bei der Armee". Er macht in diesem Erlasse, dessen Entwurf er
eigenhändig geschrieben hat, sein Heer nicht für alles Unglück verantwortlich.
Er erkennt an, "daß sich viele Theile derselben vom Ersten bis zum Geringsten
durch ausdauernden Muth, Beharrlichkeit und wahres Ehrgefühl ausgezeichnet
haben". Denen aber, die im großen oder im kleinen die Schuld an dem
Zusammenbruche des Heeres tragen, kündigt und droht er "allerstrengste"
Bestrafung an. Unter diese Schuldigen rechnet er: "1. Alle diejenigen so an
der beispiellosen Art wie die Festungen Stettin, Küstrin, Spandau und Magde¬
burg sich dem Feinde übergeben haben, mehr oder weniger Antheil haben,
2. Ferner alle diejenigen Officiere, welche nicht bei dem capitulirenden Corps
zugegen gewesen, sich aber freiwillig als hiezu gehörig angesehen und wohl
gar ihre Camerciden oder selbst ihre Untergebenen zugeredet haben, einen
gleichen nichtswürdigen Entschluß zu fassen. 3. Endlich alle diejenigen, welche
ohne Urlaub erhalten zu haben, oder gefangen zu seyn, sich von der Armee
weg und etwa nach Hause usw. begeben haben."

Im Anschlusse daran werden Strafen gegen die für die Übergabe der
Festungen Erfurt, Stettin, Küstrin, Spandau und Magdeburg verantwortlichen
Offiziere ausgesprochen, dann gegen die Offiziere des Hohenloheschen Korps
und des Bilaschen Detachements, die sich den bei Prenzlau, Pasewalk und
Anklam am 28., 29. und 30. Oktober abgeschlosfnen Kapitulationen nach¬
träglich angeschlossen haben, endlich gegen die Offiziere, die während des
Rückzugs ihre Truppenteile verlassen haben und ohne Urlaub zu haben und
gefangen zu sein in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Daran reiht der König, "um ähnlichen Pflicht-Vergessenheiten für die Zu¬
kunft vorzubeugen", eine Anzahl von Strafbestimmungen und Verhaltungs¬
maßregeln. Er droht und mahnt jedoch nicht nur, er verheißt auch Beförderung
ohne Rücksicht auf die Herkunft und sichert Versorgung der Hintcrbliebnen zu:
"So lange der Krieg dauert, wird der Unteroffizier und Gemeine, wenn er
sich durch Gewandheit und Geistes-Gegenwart besonders auszeichnet, so gut
Officier, wie der Fürst. Nur der, welcher Verbrechen begangen, ist vom
Officier-Range ausgeschlossen. Wer sich ausgezeichnet hat und vor dem Feinde
bleibt, dessen Wittwe erhält eine Pension, die mit dem Grade, den ihr Mann
bekleidete, im Verhältniß steht."


Das preußische Gffizierkorxs von ^806 im Lichte neuer Forschungen

isolierte Abteilungen, die infolge der Isolierung ohnmächtig waren oder von
den geschlagner Heeresteilen mit ins Verderben gerissen wurden.

Das alles ereignete sich in sechs Wochen. Intakt blieben nach Kunhardt
von Schmidt die Bataillone der Ostpreußischen und der Warschauer Jnfanterie-
inspektion, 33 und ein halbes an der Zahl, und 55 Schwadronen der
Preußischen Kavallerieinspektion, die in ihren Jnspektionsbezirken zurückge¬
blieben waren, sowie eine größere Anzahl von Batterien.

Darauf erließ König Friedrich Wilhelm der Dritte am 1. Dezember 1806
von Ortelsburg aus ein „?uvli<zanäum wegen Abstellung verschiedener Mi߬
bräuche bei der Armee". Er macht in diesem Erlasse, dessen Entwurf er
eigenhändig geschrieben hat, sein Heer nicht für alles Unglück verantwortlich.
Er erkennt an, „daß sich viele Theile derselben vom Ersten bis zum Geringsten
durch ausdauernden Muth, Beharrlichkeit und wahres Ehrgefühl ausgezeichnet
haben". Denen aber, die im großen oder im kleinen die Schuld an dem
Zusammenbruche des Heeres tragen, kündigt und droht er „allerstrengste"
Bestrafung an. Unter diese Schuldigen rechnet er: „1. Alle diejenigen so an
der beispiellosen Art wie die Festungen Stettin, Küstrin, Spandau und Magde¬
burg sich dem Feinde übergeben haben, mehr oder weniger Antheil haben,
2. Ferner alle diejenigen Officiere, welche nicht bei dem capitulirenden Corps
zugegen gewesen, sich aber freiwillig als hiezu gehörig angesehen und wohl
gar ihre Camerciden oder selbst ihre Untergebenen zugeredet haben, einen
gleichen nichtswürdigen Entschluß zu fassen. 3. Endlich alle diejenigen, welche
ohne Urlaub erhalten zu haben, oder gefangen zu seyn, sich von der Armee
weg und etwa nach Hause usw. begeben haben."

Im Anschlusse daran werden Strafen gegen die für die Übergabe der
Festungen Erfurt, Stettin, Küstrin, Spandau und Magdeburg verantwortlichen
Offiziere ausgesprochen, dann gegen die Offiziere des Hohenloheschen Korps
und des Bilaschen Detachements, die sich den bei Prenzlau, Pasewalk und
Anklam am 28., 29. und 30. Oktober abgeschlosfnen Kapitulationen nach¬
träglich angeschlossen haben, endlich gegen die Offiziere, die während des
Rückzugs ihre Truppenteile verlassen haben und ohne Urlaub zu haben und
gefangen zu sein in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Daran reiht der König, „um ähnlichen Pflicht-Vergessenheiten für die Zu¬
kunft vorzubeugen", eine Anzahl von Strafbestimmungen und Verhaltungs¬
maßregeln. Er droht und mahnt jedoch nicht nur, er verheißt auch Beförderung
ohne Rücksicht auf die Herkunft und sichert Versorgung der Hintcrbliebnen zu:
»So lange der Krieg dauert, wird der Unteroffizier und Gemeine, wenn er
sich durch Gewandheit und Geistes-Gegenwart besonders auszeichnet, so gut
Officier, wie der Fürst. Nur der, welcher Verbrechen begangen, ist vom
Officier-Range ausgeschlossen. Wer sich ausgezeichnet hat und vor dem Feinde
bleibt, dessen Wittwe erhält eine Pension, die mit dem Grade, den ihr Mann
bekleidete, im Verhältniß steht."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/189>, abgerufen am 23.07.2024.