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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.

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fand der erste Zusammenstoß bei Saalfeld statt, wo die Vorhut des linken
Preußischen Flügels von überlegnen Kräften angegriffen wurde, und wo Prinz
Louis Ferdinand fiel. Am 14. folgte die Entscheidung. Sowohl bei Jena
als bei Auerstcdt war der Beginn des Kampfes für die preußischen Waffen
glücklich. Aber bei Jena zerschellte das Heer an der französischen Übermacht
und der völlig unzureichenden Oberleitung. Rüchels verspätetes Eintreffen ver¬
mochte die Schlacht nicht wiederherzustellen; bei Auerstedt war es die schwere
Verwundung des Herzogs von Braunschweig, mit dem die Einheit des Befehls
verloren ging; die einzelnen Truppenteile erschöpften sich in nutzlosen An¬
strengungen und verließen schließlich in Verwirrung das Schlachtfeld. Dem ge¬
schlagner Heere blieb nur auf weiten Umwegen der Rückzug nach Magdeburg
und zur Elbe, während der Weg nach Berlin dem Sieger offen stand.

Als Lombard am 15. Oktober in Berlin eintraf, lagen dort erst die bis
zum Mittag des 14. reichenden noch günstigen Nachrichten vor. Im Laufe
des folgenden Tages nahm die Besorgnis zu. und am 17. traf der Kapitän
Dorville aus dem königlichen Hauptquartier ein mit Nachrichten für den
Minister Grafen Schulenburg, die über die Niederlage des Heeres vollen
Aufschluß gaben. Die allgemeine Bestürzung und Erbitterung war der ge¬
eignete Nährboden für die Gerüchte, die behaupteten, Lombard sei von den
Franzosen bestochen und habe im Einvernehmen mit dem französischen Gesandten
Laforest*) -- mit dem er allerdings einen auffallend intimen Verkehr gepflogen
hatte -- jede wirksame Vorbereitung zum Kriege verhindert, die Sendung
Kmsemarks nach Petersburg verzögert und den rechtzeitigen Abmarsch der
russischen Hilfstruppen hintertrieben. Nachdem ihm auch der Stadtprüsident
erklärt hatte, daß er für seine Sicherheit nicht einstehn könne, entschloß sich
Lombard zur Abreise und verließ am Nachmittag mit seiner Familie Berlin.
Am 19. Abends traf er in Stettin ein, wo sich schon die Königin mit ihrer
Schwester, der Prinzessin Solms, ihrer Schwägerin, der Prinzessin von Oranien.
und der Erbprinzessin von Weimar, der Schwester des Kaisers Alexander, be¬
fand. Es ist bekannt, daß die Königin die gegen Lombard gerichteten Denk¬
schriften gebilligt hatte, sie war eine entschiedn? Gegnerin der Kabinetsregierung
geworden, und auch sie hielt Lombard für den Anstifter alles Unheils, das
über den Staat hereingebrochen war. Am Morgen des 20. Oktobers meldete
er sich bei der Königin. Was im Laufe dieser Unterredung vorgegangen, ist
nicht authentisch festgestellt, eine Viertelstunde nach seiner Entlassung wurde er
auf Befehl der Königin verhaftet, wie damals verlautete, auf Veranlassung der
Erbprinzessin von Weimar, die mit der Behauptung auftrat, daß Lombard wichtige
königliche Depeschen an ihren Bruder böswillig vierzehn Tage lang zurückgehalten
habe. Auch seine Papiere wurden durchsucht und mit Beschlag belegt. Noch
"^



Esistdas derselbe Laforest. der sich im Februar 1806 zuTalleyrand rühmte. Preußen
v°n Schritt zu Schritt in die Schling- geführt zu haben, aus der es sich jetzt acht mehr be¬
freien könne. Vgl. bei Hüffer a. a. O, S. 183. 197. 205 usw.

fand der erste Zusammenstoß bei Saalfeld statt, wo die Vorhut des linken
Preußischen Flügels von überlegnen Kräften angegriffen wurde, und wo Prinz
Louis Ferdinand fiel. Am 14. folgte die Entscheidung. Sowohl bei Jena
als bei Auerstcdt war der Beginn des Kampfes für die preußischen Waffen
glücklich. Aber bei Jena zerschellte das Heer an der französischen Übermacht
und der völlig unzureichenden Oberleitung. Rüchels verspätetes Eintreffen ver¬
mochte die Schlacht nicht wiederherzustellen; bei Auerstedt war es die schwere
Verwundung des Herzogs von Braunschweig, mit dem die Einheit des Befehls
verloren ging; die einzelnen Truppenteile erschöpften sich in nutzlosen An¬
strengungen und verließen schließlich in Verwirrung das Schlachtfeld. Dem ge¬
schlagner Heere blieb nur auf weiten Umwegen der Rückzug nach Magdeburg
und zur Elbe, während der Weg nach Berlin dem Sieger offen stand.

Als Lombard am 15. Oktober in Berlin eintraf, lagen dort erst die bis
zum Mittag des 14. reichenden noch günstigen Nachrichten vor. Im Laufe
des folgenden Tages nahm die Besorgnis zu. und am 17. traf der Kapitän
Dorville aus dem königlichen Hauptquartier ein mit Nachrichten für den
Minister Grafen Schulenburg, die über die Niederlage des Heeres vollen
Aufschluß gaben. Die allgemeine Bestürzung und Erbitterung war der ge¬
eignete Nährboden für die Gerüchte, die behaupteten, Lombard sei von den
Franzosen bestochen und habe im Einvernehmen mit dem französischen Gesandten
Laforest*) — mit dem er allerdings einen auffallend intimen Verkehr gepflogen
hatte — jede wirksame Vorbereitung zum Kriege verhindert, die Sendung
Kmsemarks nach Petersburg verzögert und den rechtzeitigen Abmarsch der
russischen Hilfstruppen hintertrieben. Nachdem ihm auch der Stadtprüsident
erklärt hatte, daß er für seine Sicherheit nicht einstehn könne, entschloß sich
Lombard zur Abreise und verließ am Nachmittag mit seiner Familie Berlin.
Am 19. Abends traf er in Stettin ein, wo sich schon die Königin mit ihrer
Schwester, der Prinzessin Solms, ihrer Schwägerin, der Prinzessin von Oranien.
und der Erbprinzessin von Weimar, der Schwester des Kaisers Alexander, be¬
fand. Es ist bekannt, daß die Königin die gegen Lombard gerichteten Denk¬
schriften gebilligt hatte, sie war eine entschiedn? Gegnerin der Kabinetsregierung
geworden, und auch sie hielt Lombard für den Anstifter alles Unheils, das
über den Staat hereingebrochen war. Am Morgen des 20. Oktobers meldete
er sich bei der Königin. Was im Laufe dieser Unterredung vorgegangen, ist
nicht authentisch festgestellt, eine Viertelstunde nach seiner Entlassung wurde er
auf Befehl der Königin verhaftet, wie damals verlautete, auf Veranlassung der
Erbprinzessin von Weimar, die mit der Behauptung auftrat, daß Lombard wichtige
königliche Depeschen an ihren Bruder böswillig vierzehn Tage lang zurückgehalten
habe. Auch seine Papiere wurden durchsucht und mit Beschlag belegt. Noch
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Esistdas derselbe Laforest. der sich im Februar 1806 zuTalleyrand rühmte. Preußen
v°n Schritt zu Schritt in die Schling- geführt zu haben, aus der es sich jetzt acht mehr be¬
freien könne. Vgl. bei Hüffer a. a. O, S. 183. 197. 205 usw.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_300500/147>, abgerufen am 23.07.2024.