Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Über den Brenner Abhänge der Plose im Osten und das Lüsental dahinter bis weit hinauf mit Hinter Athems verengert sich das Tal des Eisack auf eine lange Strecke. Über den Brenner Abhänge der Plose im Osten und das Lüsental dahinter bis weit hinauf mit Hinter Athems verengert sich das Tal des Eisack auf eine lange Strecke. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299872"/> <fw type="header" place="top"> Über den Brenner</fw><lb/> <p xml:id="ID_252" prev="#ID_251"> Abhänge der Plose im Osten und das Lüsental dahinter bis weit hinauf mit<lb/> Höfen und Dörfern bedeckt sind, so ist das des Hochstifts Werk. Älter als der<lb/> Bischofssitz Brixen ist das südlich davon am östlichen Talrande liegende Athems,<lb/> dem Namen nach eine romanische Gründung und der Sitz der ältesten Pfarre<lb/> des Bistums, dessen Schutzheilige Hermagoras und Fortunatus noch auf die<lb/> alte Verbindung mit Aquileja, also mindestens auf das achte Jahrhundert als<lb/> Grüudungszeit hinweisen, und deren Grenzen alle die Nebentäler im Osten,<lb/> von Ufers, Vilnös und Gröden, ja sogar den obersten Teil von Enneberg,<lb/> das Colfuschg, einschlossen, sodaß dessen romanische Bewohner Sonntags in<lb/> Karawanen über die Berge zogen und sogar ihre Toten bis 1429 nur im<lb/> Sommer beerdigen konnten. Dagegen ist das große Augustinerchorherren¬<lb/> kloster Neustift nördlich von Brixen, das weithin das Tal beherrscht, eine ver¬<lb/> hältnismäßig späte Gründung (um 1140). Zu einem deutschen Hochstift ist das<lb/> südtirolische Bistum erst in Brixen geworden, als es deutsche Prälaten zu<lb/> Leitern und zu Kapitularen erhielt; bis dahin war es eine romanische Insti¬<lb/> tution, denn sein Ursprung liegt nicht in Brixen, sondern weiter südlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_253"> Hinter Athems verengert sich das Tal des Eisack auf eine lange Strecke.<lb/> Kurz nach dem Beginn dieser Enge ragt rechts ein mächtiger, fast isolierter<lb/> Felsklotz auf, der mit senkrechten Wänden zum Eisack abstürzt und nur der<lb/> Straße Raum läßt; auf seinem schräg ansteigenden Plateau, zu dein ein steiler,<lb/> steiniger Pfad emporführt, erheben sich ausgedehnte Mauern und Türme, unten<lb/> an seinem Fuße drängen sich längs der Straße eng aneinander die breiten<lb/> Giebeldächer eines Städtchens um eine spitztürmige Kirche und beherrscht von<lb/> der Burg Branzoll. Das ist Süden mit dem Städtchen Klausen, die südliche<lb/> Grenz- und Zollstation der Provinz Rätier, das Subsavione der Itinerarien,<lb/> 60 Mitten (90 Kilometer) von Trident. Dort oben, fast 200 Meter über der<lb/> Talsohle (717 Meter zu 525 Meter), stand einst ein Jsisheiligtum; an seine<lb/> Stelle trat frühzeitig eine christliche Kirche, und bei ihr auf diesem unersteig-<lb/> lichen Felsen nahm der erste Bischof Rätiens seinen Sitz, der heilige Jngenuinus<lb/> (um 550), der in dieser stürmischen Zeit der Vermittler wurde zwischen den<lb/> bedrängten romanischen Landesbewohnern und den Byzantinern, Franken und<lb/> Langobarden. Kein Wunder, daß er dem Volke für heilig galt. Er und seine<lb/> Nachfolger hielten sich zum Patriarchat Aquileja; erst 798 wurde das Bistum<lb/> sahen (Sabiona) unter Salzburg gestellt und damit ein Teil der bayrischen<lb/> Kirche, aber es blieb arm und unbedeutend, bis es seinen Sitz von seinem<lb/> sichern, unzugänglichen Felsenneste an die große Heerstraße nach Brixen ver¬<lb/> legte. Jetzt trägt der Felsen nur noch ein Benediktinernonnenkloster zum Heiligen<lb/> Kreuz (seit 1685), dessen Aufhebung die bayrische Regierung 1803 zwar ver¬<lb/> fügte, aber nicht durchführte. Im Jahre 1809 machte die beherrschende Lage<lb/> Klausen zum Schauplatz heftiger Gefechte zwischen den Bauern und den Franzosen<lb/> (noch am 25. November und 5. Dezember), dann aber besetzten französische und<lb/> italienische Truppen Süden und begannen sogar Befestigungsarbeiten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Über den Brenner
Abhänge der Plose im Osten und das Lüsental dahinter bis weit hinauf mit
Höfen und Dörfern bedeckt sind, so ist das des Hochstifts Werk. Älter als der
Bischofssitz Brixen ist das südlich davon am östlichen Talrande liegende Athems,
dem Namen nach eine romanische Gründung und der Sitz der ältesten Pfarre
des Bistums, dessen Schutzheilige Hermagoras und Fortunatus noch auf die
alte Verbindung mit Aquileja, also mindestens auf das achte Jahrhundert als
Grüudungszeit hinweisen, und deren Grenzen alle die Nebentäler im Osten,
von Ufers, Vilnös und Gröden, ja sogar den obersten Teil von Enneberg,
das Colfuschg, einschlossen, sodaß dessen romanische Bewohner Sonntags in
Karawanen über die Berge zogen und sogar ihre Toten bis 1429 nur im
Sommer beerdigen konnten. Dagegen ist das große Augustinerchorherren¬
kloster Neustift nördlich von Brixen, das weithin das Tal beherrscht, eine ver¬
hältnismäßig späte Gründung (um 1140). Zu einem deutschen Hochstift ist das
südtirolische Bistum erst in Brixen geworden, als es deutsche Prälaten zu
Leitern und zu Kapitularen erhielt; bis dahin war es eine romanische Insti¬
tution, denn sein Ursprung liegt nicht in Brixen, sondern weiter südlich.
Hinter Athems verengert sich das Tal des Eisack auf eine lange Strecke.
Kurz nach dem Beginn dieser Enge ragt rechts ein mächtiger, fast isolierter
Felsklotz auf, der mit senkrechten Wänden zum Eisack abstürzt und nur der
Straße Raum läßt; auf seinem schräg ansteigenden Plateau, zu dein ein steiler,
steiniger Pfad emporführt, erheben sich ausgedehnte Mauern und Türme, unten
an seinem Fuße drängen sich längs der Straße eng aneinander die breiten
Giebeldächer eines Städtchens um eine spitztürmige Kirche und beherrscht von
der Burg Branzoll. Das ist Süden mit dem Städtchen Klausen, die südliche
Grenz- und Zollstation der Provinz Rätier, das Subsavione der Itinerarien,
60 Mitten (90 Kilometer) von Trident. Dort oben, fast 200 Meter über der
Talsohle (717 Meter zu 525 Meter), stand einst ein Jsisheiligtum; an seine
Stelle trat frühzeitig eine christliche Kirche, und bei ihr auf diesem unersteig-
lichen Felsen nahm der erste Bischof Rätiens seinen Sitz, der heilige Jngenuinus
(um 550), der in dieser stürmischen Zeit der Vermittler wurde zwischen den
bedrängten romanischen Landesbewohnern und den Byzantinern, Franken und
Langobarden. Kein Wunder, daß er dem Volke für heilig galt. Er und seine
Nachfolger hielten sich zum Patriarchat Aquileja; erst 798 wurde das Bistum
sahen (Sabiona) unter Salzburg gestellt und damit ein Teil der bayrischen
Kirche, aber es blieb arm und unbedeutend, bis es seinen Sitz von seinem
sichern, unzugänglichen Felsenneste an die große Heerstraße nach Brixen ver¬
legte. Jetzt trägt der Felsen nur noch ein Benediktinernonnenkloster zum Heiligen
Kreuz (seit 1685), dessen Aufhebung die bayrische Regierung 1803 zwar ver¬
fügte, aber nicht durchführte. Im Jahre 1809 machte die beherrschende Lage
Klausen zum Schauplatz heftiger Gefechte zwischen den Bauern und den Franzosen
(noch am 25. November und 5. Dezember), dann aber besetzten französische und
italienische Truppen Süden und begannen sogar Befestigungsarbeiten.
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