Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Llizabeth Percy Ohne sich bei den nähern, recht eigentümlichen Umständen, von denen ihre Königsmark war aber zerstreut, unterbrach ziemlich kurz die Unterhaltung über Ja, der Polack wäre auch hier. Er hätte die Pferde bis Bremen geritten Zu Diensten, sagte Königsmark, plötzlich ungeduldig über seines Landsmanns Leutnant Vraatz lachte und streckte seine langen Beine in den mächtigen Stiefeln Ich möchte darauf wetten, sagte er verschmitzt und kniff das eine Auge zu, Königsmark lachte. Er ging hin und her in dem großen Zimmer, das schwach Richtig erraten, alter Freund! sagte er plötzlich munter, munterer und ver¬ Heute Abend blieb er aber doch ganz geduldig stehn, sagte Vraatz. Und er Der war es ja gar nicht! sagte Königsmark ungeduldig. Er stand da und Wer ist "der andre", falls ein geringer Landsmann, der manches liebe mal Das ist Sir Thomas Thynne, antwortete Königsmark ganz offen -- Herr Llizabeth Percy Ohne sich bei den nähern, recht eigentümlichen Umständen, von denen ihre Königsmark war aber zerstreut, unterbrach ziemlich kurz die Unterhaltung über Ja, der Polack wäre auch hier. Er hätte die Pferde bis Bremen geritten Zu Diensten, sagte Königsmark, plötzlich ungeduldig über seines Landsmanns Leutnant Vraatz lachte und streckte seine langen Beine in den mächtigen Stiefeln Ich möchte darauf wetten, sagte er verschmitzt und kniff das eine Auge zu, Königsmark lachte. Er ging hin und her in dem großen Zimmer, das schwach Richtig erraten, alter Freund! sagte er plötzlich munter, munterer und ver¬ Heute Abend blieb er aber doch ganz geduldig stehn, sagte Vraatz. Und er Der war es ja gar nicht! sagte Königsmark ungeduldig. Er stand da und Wer ist „der andre", falls ein geringer Landsmann, der manches liebe mal Das ist Sir Thomas Thynne, antwortete Königsmark ganz offen — Herr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0642" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300429"/> <fw type="header" place="top"> Llizabeth Percy</fw><lb/> <p xml:id="ID_2555"> Ohne sich bei den nähern, recht eigentümlichen Umständen, von denen ihre<lb/> zufällige Begegnung begleitet war, aufzuhalten, begann er sofort ausführlich und<lb/> umständlich von der Überfahrt zu erzählen, die infolge von Sturm ganz verdammt<lb/> gewesen war, und von einem Hengst aus Oldenburg, dessen für Seine Gnaden<lb/> habhaft zu werden ihm dank verschiedner verwickelter und erfolgreicher kleiner Kniffe<lb/> gelungen war. Seine Gnaden sollten ihn nur sehen ... ein prächtigeres Tier hatte<lb/> er — das konnte er beschwören — nicht gesehen, seit er den seligen König in<lb/> Warschau einleiten sah.</p><lb/> <p xml:id="ID_2556"> Königsmark war aber zerstreut, unterbrach ziemlich kurz die Unterhaltung über<lb/> die Pferde und fragte nach Boroski, dem Polacken.</p><lb/> <p xml:id="ID_2557"> Ja, der Polack wäre auch hier. Er hätte die Pferde bis Bremen geritten<lb/> und wäre nun hier. Zu Seiner Gnaden Diensten. . .</p><lb/> <p xml:id="ID_2558"> Zu Diensten, sagte Königsmark, plötzlich ungeduldig über seines Landsmanns<lb/> familiäres und zugleich serviles Wesen und sein unablässiges „Euer Gnaden" —<lb/> „zu Diensten". Zum Teufel mit Euern Redensarten, Vraatz. Den Dienst, dessen<lb/> ich gerade in diesem Augenblick bedarf, kann mir doch niemand leisten als ich selber.</p><lb/> <p xml:id="ID_2559"> Leutnant Vraatz lachte und streckte seine langen Beine in den mächtigen Stiefeln<lb/> weit von sich. Sie saßen jetzt in Königsmarks Eßzimmer in Piccadilly, und der<lb/> Diener hatte dem Fremden reichlich Speise und Trank vorgesetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2560"> Ich möchte darauf wetten, sagte er verschmitzt und kniff das eine Auge zu,<lb/> während er mit dem Rücken der Hand den Bierschaum aus seinem Bart wischte.<lb/> Ich möchte wetten, daß der Dienst, an den Ihr denkt, Graf Karl, jeden Tag mit<lb/> ein paar Zoll kalten Stahls ausgeführt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_2561"> Königsmark lachte. Er ging hin und her in dem großen Zimmer, das schwach<lb/> erleuchtet war von den Lichtern in einem zweiarmigen Leuchter auf dem Eßtisch.<lb/> Jetzt blieb er vor Vraatz stehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_2562"> Richtig erraten, alter Freund! sagte er plötzlich munter, munterer und ver¬<lb/> traulicher, als er bisher gesprochen hatte. Das Unglück ist nur, daß der edle Herr,<lb/> um den es sich handelt, keine Geduld hat, solange still zu stehn, wie diese kleine<lb/> Operation es erfordert. Wenn er eine Degenspitze sieht — wie zum Beispiel heute<lb/> Abend —, so macht er Kehrt und wirft die Beine bis an den Nacken . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_2563"> Heute Abend blieb er aber doch ganz geduldig stehn, sagte Vraatz. Und er<lb/> war auch, weiß Gott, genügend mitgenommen, als er herauskam.</p><lb/> <p xml:id="ID_2564"> Der war es ja gar nicht! sagte Königsmark ungeduldig. Er stand da und<lb/> spielte mit der Lichtschere, steckte die Spitze, die voller Talg war, in die Flamme<lb/> hinein, sodaß es spritzte. Der tut mir nichts, und ich begreife nicht, warum er<lb/> absolut für den andern in die Bresche treten wollte. 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Llizabeth Percy
Ohne sich bei den nähern, recht eigentümlichen Umständen, von denen ihre
zufällige Begegnung begleitet war, aufzuhalten, begann er sofort ausführlich und
umständlich von der Überfahrt zu erzählen, die infolge von Sturm ganz verdammt
gewesen war, und von einem Hengst aus Oldenburg, dessen für Seine Gnaden
habhaft zu werden ihm dank verschiedner verwickelter und erfolgreicher kleiner Kniffe
gelungen war. Seine Gnaden sollten ihn nur sehen ... ein prächtigeres Tier hatte
er — das konnte er beschwören — nicht gesehen, seit er den seligen König in
Warschau einleiten sah.
Königsmark war aber zerstreut, unterbrach ziemlich kurz die Unterhaltung über
die Pferde und fragte nach Boroski, dem Polacken.
Ja, der Polack wäre auch hier. Er hätte die Pferde bis Bremen geritten
und wäre nun hier. Zu Seiner Gnaden Diensten. . .
Zu Diensten, sagte Königsmark, plötzlich ungeduldig über seines Landsmanns
familiäres und zugleich serviles Wesen und sein unablässiges „Euer Gnaden" —
„zu Diensten". Zum Teufel mit Euern Redensarten, Vraatz. Den Dienst, dessen
ich gerade in diesem Augenblick bedarf, kann mir doch niemand leisten als ich selber.
Leutnant Vraatz lachte und streckte seine langen Beine in den mächtigen Stiefeln
weit von sich. Sie saßen jetzt in Königsmarks Eßzimmer in Piccadilly, und der
Diener hatte dem Fremden reichlich Speise und Trank vorgesetzt.
Ich möchte darauf wetten, sagte er verschmitzt und kniff das eine Auge zu,
während er mit dem Rücken der Hand den Bierschaum aus seinem Bart wischte.
Ich möchte wetten, daß der Dienst, an den Ihr denkt, Graf Karl, jeden Tag mit
ein paar Zoll kalten Stahls ausgeführt werden kann.
Königsmark lachte. Er ging hin und her in dem großen Zimmer, das schwach
erleuchtet war von den Lichtern in einem zweiarmigen Leuchter auf dem Eßtisch.
Jetzt blieb er vor Vraatz stehn.
Richtig erraten, alter Freund! sagte er plötzlich munter, munterer und ver¬
traulicher, als er bisher gesprochen hatte. Das Unglück ist nur, daß der edle Herr,
um den es sich handelt, keine Geduld hat, solange still zu stehn, wie diese kleine
Operation es erfordert. Wenn er eine Degenspitze sieht — wie zum Beispiel heute
Abend —, so macht er Kehrt und wirft die Beine bis an den Nacken . . .
Heute Abend blieb er aber doch ganz geduldig stehn, sagte Vraatz. Und er
war auch, weiß Gott, genügend mitgenommen, als er herauskam.
Der war es ja gar nicht! sagte Königsmark ungeduldig. Er stand da und
spielte mit der Lichtschere, steckte die Spitze, die voller Talg war, in die Flamme
hinein, sodaß es spritzte. Der tut mir nichts, und ich begreife nicht, warum er
absolut für den andern in die Bresche treten wollte. Aber der andre ist ein Hase.
Wer ist „der andre", falls ein geringer Landsmann, der manches liebe mal
Euer Vertrauen besessen hat, so frei sein darf zu fragen, Graf Karl?
Das ist Sir Thomas Thynne, antwortete Königsmark ganz offen — Herr
auf Longleat und der reichste Mann des Landes, wie man sagt. Er empfand
plötzlich eine gewisse Erleichterung, indem er seine Schwierigkeiten diesem „geringen
Landsmann" anvertraute, auf dessen fast hündische Ergebenheit er sich seit seiner
frühesten Jugend zu verlassen gelernt hatte. Er — nun ja — in einer Woche ist Sir
Thomas Thynne, wenn ich mich nicht beeile, der Gatte der . . . Er unterbrach sich,
richtete sich auf und warf mit einer verächtlichen Bewegung die Lichtschere auf den
Tisch. Ein wie großes Bedürfnis er auch hatte zu reden, und wie offenherzig er
auch war — namentlich wenn ihm etwas zuwider ging —, gab es doch gewisse
Grenzen für das, was er zu sagen Lust hatte. Trotz all seines Leichtsinns war
er doch immer ein hoher und ritterlicher Herr, und er konnte sich nicht entschließen,
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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