Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit Bei Selbstentleibung muß unterschieden werden, "ob der Entleibte mit Der "Diebstahl ist eine betriegliche Gewinnsichtige Abnennung einer be¬ Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit Bei Selbstentleibung muß unterschieden werden, „ob der Entleibte mit Der „Diebstahl ist eine betriegliche Gewinnsichtige Abnennung einer be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0631" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300418"/> <fw type="header" place="top"> Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_2483"> Bei Selbstentleibung muß unterschieden werden, „ob der Entleibte mit<lb/> schwttrer Wütig- und Tobsinnig- oder Uuveltläuffigkeit u. s, w. beladen" ge¬<lb/> wesen, oder ob er „aus purem Verdruß zeitlicher Sachen halber eigenwillig<lb/> und wissentlich" gehandelt hat. Im ersten Falle „wäre dergl. Körper der geist¬<lb/> lichen Begräbnuß nicht zu berauben, irdene die Katholische Kirchen von der¬<lb/> gleichen Persohn die gute Hoffnung führet, daß er nur ein Mörder seines<lb/> Leibes, nicht aber der Seelen gewesen". Im andern Falle wäre der Leichnam<lb/> „durch den Freymann mit Stricken durch das Hauß oder durch ein Fenster<lb/> hinab zu lassen und unter dem Galgen als wie ein Hund zu vergraben".<lb/> Denn „daß Niemand sein selbs Herr, oder Macht und Gewalt seines Lebens<lb/> oder Guter habe, sondern Alles Gott dem Allmächtigen eigenthümlich angehörig<lb/> sehe, ist in ^urg außgemacht". Zettel, „darinnen der Entleibte seine Seeligkeit<lb/> Gott dem Allmächtigen, der heiligen Jungfrau Maria oder den lieben Heiligen"<lb/> empfiehlt oder schreibt, er hoffe „hierdurch ehender in den Himmel zu kommen",<lb/> sollen dem Entleibten „wenig zu statten kommen". Seine letztwilligen Ver¬<lb/> fügungen sollen ungiltig sein bis auf die zu milden Zwecken getroffnen Be¬<lb/> stimmungen. Im übrigen wird das hinterlassene Vermögen in der Regel<lb/> konfisziert.</p><lb/> <p xml:id="ID_2484" next="#ID_2485"> Der „Diebstahl ist eine betriegliche Gewinnsichtige Abnennung einer be¬<lb/> weglichen Sache oder dero Gebrauch oder auch ^osssssicm". Unter Abnahme<lb/> wird auch eine unredliche Vorenthaltung fremder Sachen und unter Sache auch<lb/> eine unter väterlicher oder herrschaftlicher Gewalt stehende Person verstanden.<lb/> Auch der begeht einen Diebstahl, der eine „geliehene Sache länger, oder zu<lb/> anderm Ende, als ihm geliehen, gebraucht, itsw, da einer die in clexosito oder<lb/> Verwahr habende Sach brauchet, oder da ein Schuldner dem Gläubiger das<lb/> Pfand vor der Bezahlung hinweck nimmt". „Viel und unterschidliche vootorss<lb/> seynd der Meynung gewesen, daß die Straff des Todes oder des Stranges<lb/> auff den Diebstahl nicht gesetzt werden möge, cmerwogen entzwischm denen zeit¬<lb/> lichen Güteren und dem Leben des Menschen kein Vergleichnuß, aber irdene<lb/> diese Straff zu Versicherung gemeinen Wesens einzuführen hochnöthig gewesen;<lb/> ja uneracht eingeführter schwürer Straff fast niemand von den Dieben sicher<lb/> lebet." Die Strafe des Stranges ist verordnet „auff den Dieb, so 5 Loliclos<lb/> oder darüber unter Brechung offenen Fridens gestohlen" haben, das sind nach<lb/> der varoling, art. 160 fünf Goldgulden, oder wie die Kriminalisten lehren,<lb/> 5 ungarische Dukaten des besten Goldes, „sodaß die Dieb der Steiger- und<lb/> Erhöhung der Duggaten sich billich zu erfreuen haben". Die Niederösterreichische<lb/> Landesordnung fordert, damit der erste Diebstahl kapital werde, 25 Gulden, die<lb/> Tirolische über 25 Pfund Perner (Berner). Wenn der erste Diebstahl „nicht groß<lb/> noch mit andern Umständen beschwärt" ist, wird schon nach gemeiner Observanz<lb/> wie nach Landesstatuten „selten zu dem Todesurteil geschritten". „Denen Adels-<lb/> Persohnen, so gar zu lange Finger haben, wird die Straff deß Strangs in<lb/> das Schwert oder nach ?roxort,inen der Umbstände in ein sxtiÄoräin-z.ri-!straff<lb/> verändert." Dies gilt auch von den „Graduirten und anderwärtiger höheren<lb/> Stands und Diensts halber angesehenen" Leuten, „als welche der spöttlichsten<lb/> Straff des Galgens billich zu überheben seyn". Den Holzdieben soll, wenn<lb/> die gestohlnen Burne unter drei ungarische Dukaten wert waren, eine will¬<lb/> kürliche Strafe, wenn zwischen drei bis fünf Dukaten, Rutenaushauen, wenn<lb/> über fünf Dukaten, der Strang zuerkannt werden. Den Bäumen werden die<lb/> Weinstöcke gleich geachtet, vo Mre. soll „der AbHauer der Wein-Reben nicht<lb/> wie ein Dieb, sondern wie ein Mörder" gestraft werden. „Aber diese scharpffe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0631]
Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit
Bei Selbstentleibung muß unterschieden werden, „ob der Entleibte mit
schwttrer Wütig- und Tobsinnig- oder Uuveltläuffigkeit u. s, w. beladen" ge¬
wesen, oder ob er „aus purem Verdruß zeitlicher Sachen halber eigenwillig
und wissentlich" gehandelt hat. Im ersten Falle „wäre dergl. Körper der geist¬
lichen Begräbnuß nicht zu berauben, irdene die Katholische Kirchen von der¬
gleichen Persohn die gute Hoffnung führet, daß er nur ein Mörder seines
Leibes, nicht aber der Seelen gewesen". Im andern Falle wäre der Leichnam
„durch den Freymann mit Stricken durch das Hauß oder durch ein Fenster
hinab zu lassen und unter dem Galgen als wie ein Hund zu vergraben".
Denn „daß Niemand sein selbs Herr, oder Macht und Gewalt seines Lebens
oder Guter habe, sondern Alles Gott dem Allmächtigen eigenthümlich angehörig
sehe, ist in ^urg außgemacht". Zettel, „darinnen der Entleibte seine Seeligkeit
Gott dem Allmächtigen, der heiligen Jungfrau Maria oder den lieben Heiligen"
empfiehlt oder schreibt, er hoffe „hierdurch ehender in den Himmel zu kommen",
sollen dem Entleibten „wenig zu statten kommen". Seine letztwilligen Ver¬
fügungen sollen ungiltig sein bis auf die zu milden Zwecken getroffnen Be¬
stimmungen. Im übrigen wird das hinterlassene Vermögen in der Regel
konfisziert.
Der „Diebstahl ist eine betriegliche Gewinnsichtige Abnennung einer be¬
weglichen Sache oder dero Gebrauch oder auch ^osssssicm". Unter Abnahme
wird auch eine unredliche Vorenthaltung fremder Sachen und unter Sache auch
eine unter väterlicher oder herrschaftlicher Gewalt stehende Person verstanden.
Auch der begeht einen Diebstahl, der eine „geliehene Sache länger, oder zu
anderm Ende, als ihm geliehen, gebraucht, itsw, da einer die in clexosito oder
Verwahr habende Sach brauchet, oder da ein Schuldner dem Gläubiger das
Pfand vor der Bezahlung hinweck nimmt". „Viel und unterschidliche vootorss
seynd der Meynung gewesen, daß die Straff des Todes oder des Stranges
auff den Diebstahl nicht gesetzt werden möge, cmerwogen entzwischm denen zeit¬
lichen Güteren und dem Leben des Menschen kein Vergleichnuß, aber irdene
diese Straff zu Versicherung gemeinen Wesens einzuführen hochnöthig gewesen;
ja uneracht eingeführter schwürer Straff fast niemand von den Dieben sicher
lebet." Die Strafe des Stranges ist verordnet „auff den Dieb, so 5 Loliclos
oder darüber unter Brechung offenen Fridens gestohlen" haben, das sind nach
der varoling, art. 160 fünf Goldgulden, oder wie die Kriminalisten lehren,
5 ungarische Dukaten des besten Goldes, „sodaß die Dieb der Steiger- und
Erhöhung der Duggaten sich billich zu erfreuen haben". Die Niederösterreichische
Landesordnung fordert, damit der erste Diebstahl kapital werde, 25 Gulden, die
Tirolische über 25 Pfund Perner (Berner). Wenn der erste Diebstahl „nicht groß
noch mit andern Umständen beschwärt" ist, wird schon nach gemeiner Observanz
wie nach Landesstatuten „selten zu dem Todesurteil geschritten". „Denen Adels-
Persohnen, so gar zu lange Finger haben, wird die Straff deß Strangs in
das Schwert oder nach ?roxort,inen der Umbstände in ein sxtiÄoräin-z.ri-!straff
verändert." Dies gilt auch von den „Graduirten und anderwärtiger höheren
Stands und Diensts halber angesehenen" Leuten, „als welche der spöttlichsten
Straff des Galgens billich zu überheben seyn". Den Holzdieben soll, wenn
die gestohlnen Burne unter drei ungarische Dukaten wert waren, eine will¬
kürliche Strafe, wenn zwischen drei bis fünf Dukaten, Rutenaushauen, wenn
über fünf Dukaten, der Strang zuerkannt werden. Den Bäumen werden die
Weinstöcke gleich geachtet, vo Mre. soll „der AbHauer der Wein-Reben nicht
wie ein Dieb, sondern wie ein Mörder" gestraft werden. „Aber diese scharpffe
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |