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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Gin deutsches Raiserschloß in Apulien

Wie sehr sich aber Friedrich in solche Darstellungen vertiefte, wie er ihr Wesen
durchdrang, beweisen die Federzeichnungen zu seinem Buch über die Vogeljagd,
bei dem sich leicht die Vorbilder an einem im Kirchenschätze der Capella
Palatins aufbewahrten Kästchen arabischer Arbeit erkennen lassen. Aus der
Anordnung der noch vorhandnen Architekturteile in den Gemächern des Schlosses
geht jedoch hervor, daß sich dieser bunte Schmuck, dem ernsten Charakter
abendländischer Kunstweise gemäß, der Struktur der einzelnen Bauglieder unter¬
geordnet haben muß. Jedenfalls aber hat Friedrich auch hier wie anderwärts
regen Anteil an der Ausführung des Ganzen genommen. Ist es doch bekannt,
wie sehr er sich nicht nur um die Entstehung seiner Bauten, sondern auch um
die dort notwendig werdenden Reparaturen bekümmerte. So ist uns zum
Beispiel eine an den Sekretus von Messina, Major de Plancatone, gerichtete
Urkunde erhalten, worin er befiehlt, an dem Schloß Noseto in Kalabrien die
Dachestriche höher legen zu lassen, damit das Regenwasser nicht mehr ein¬
dringen und Holzwerk und Gemälde zerstören könne. Überhaupt müssen wir
uns den in allen ritterlichen Übungen erfahrnen, kühnen Kriegsherrn, den
weitschauenden Gelehrten, der erfolgreich auf dem Gebiete der exakten Wissen¬
schaften tätig war, den sprachkundigen, der neben dem Griechischen und dem
Lateinischen das Deutsche, das Französische und das Arabische beherrschte, den
gefeierten Sänger, dessen Dichterhof die Wiege für das spätere Schriftitalienisch
wurde, den scharfsinnigen Gesetzgeber, der die Bewunderung aller vorurteils¬
loser Zeitgenossen erregte: wir müssen uns diesen gewaltigen, einzigartigen
Mann in Castel del Monte, wie überall auf seinen Schlössern, als den mit
allen wirtschaftlichen Sorgen vertrauten Gebieter denken. Wie er mitten im
gefährlichsten Ringen mit dem Papste darüber nachdenkt, auf welche Art die
Ertragsfähigkeit seiner Güter durch Anpflanzung von Palmen, Indigo und
andern Färbekräutern zu steigern wäre, so interessiert er sich ein andermal für
die Errichtung eines Taubenschlags oder für das Futter, das den Stuten zu
reichen sei, damit sie mehr Milch geben. Auch die Entscheidung über neu zu
schaffende Anzüge des Gesindes behält er sich vor und verschmäht es nicht,
sich sogar um das Reinigen der Weinfässer, die Verwendung der Gänsefedern
und das Stopfen der Betten zu kümmern. Trotz dieser kleinen Schwächen,
die übrigens durchaus seinem Wesen, alles mit ganzer Seele zu erfassen, ent¬
sprechen, galt er seinen Zeitgenossen als ein großdenkender, freigebiger Mann,
wie sogar der guelfisch gesinnte Malaspini bezeugt. Auch die osnto novöUo
g-ntions, eine aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts stammende Novellen¬
sammlung, die in fabelhafter Weise die Persönlichkeiten der nahen Vergangen¬
heit behandeln, nennen ihn "in Wahrheit einen Spiegel der Welt in Reden
und Sitten". Sein Hof wurde als die Vorschule des reinsten Ritterwesens,
als der üppigste der damaligen Zeit angesehen. Die dort herrschende Pracht
setzte sogar die Gesandten des Sultans von Ägypten in Erstaunen, als sie zu
Neapel Friedrich ein kostbar gearbeitetes Zelt überreichten, worin in genau be-


Gin deutsches Raiserschloß in Apulien

Wie sehr sich aber Friedrich in solche Darstellungen vertiefte, wie er ihr Wesen
durchdrang, beweisen die Federzeichnungen zu seinem Buch über die Vogeljagd,
bei dem sich leicht die Vorbilder an einem im Kirchenschätze der Capella
Palatins aufbewahrten Kästchen arabischer Arbeit erkennen lassen. Aus der
Anordnung der noch vorhandnen Architekturteile in den Gemächern des Schlosses
geht jedoch hervor, daß sich dieser bunte Schmuck, dem ernsten Charakter
abendländischer Kunstweise gemäß, der Struktur der einzelnen Bauglieder unter¬
geordnet haben muß. Jedenfalls aber hat Friedrich auch hier wie anderwärts
regen Anteil an der Ausführung des Ganzen genommen. Ist es doch bekannt,
wie sehr er sich nicht nur um die Entstehung seiner Bauten, sondern auch um
die dort notwendig werdenden Reparaturen bekümmerte. So ist uns zum
Beispiel eine an den Sekretus von Messina, Major de Plancatone, gerichtete
Urkunde erhalten, worin er befiehlt, an dem Schloß Noseto in Kalabrien die
Dachestriche höher legen zu lassen, damit das Regenwasser nicht mehr ein¬
dringen und Holzwerk und Gemälde zerstören könne. Überhaupt müssen wir
uns den in allen ritterlichen Übungen erfahrnen, kühnen Kriegsherrn, den
weitschauenden Gelehrten, der erfolgreich auf dem Gebiete der exakten Wissen¬
schaften tätig war, den sprachkundigen, der neben dem Griechischen und dem
Lateinischen das Deutsche, das Französische und das Arabische beherrschte, den
gefeierten Sänger, dessen Dichterhof die Wiege für das spätere Schriftitalienisch
wurde, den scharfsinnigen Gesetzgeber, der die Bewunderung aller vorurteils¬
loser Zeitgenossen erregte: wir müssen uns diesen gewaltigen, einzigartigen
Mann in Castel del Monte, wie überall auf seinen Schlössern, als den mit
allen wirtschaftlichen Sorgen vertrauten Gebieter denken. Wie er mitten im
gefährlichsten Ringen mit dem Papste darüber nachdenkt, auf welche Art die
Ertragsfähigkeit seiner Güter durch Anpflanzung von Palmen, Indigo und
andern Färbekräutern zu steigern wäre, so interessiert er sich ein andermal für
die Errichtung eines Taubenschlags oder für das Futter, das den Stuten zu
reichen sei, damit sie mehr Milch geben. Auch die Entscheidung über neu zu
schaffende Anzüge des Gesindes behält er sich vor und verschmäht es nicht,
sich sogar um das Reinigen der Weinfässer, die Verwendung der Gänsefedern
und das Stopfen der Betten zu kümmern. Trotz dieser kleinen Schwächen,
die übrigens durchaus seinem Wesen, alles mit ganzer Seele zu erfassen, ent¬
sprechen, galt er seinen Zeitgenossen als ein großdenkender, freigebiger Mann,
wie sogar der guelfisch gesinnte Malaspini bezeugt. Auch die osnto novöUo
g-ntions, eine aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts stammende Novellen¬
sammlung, die in fabelhafter Weise die Persönlichkeiten der nahen Vergangen¬
heit behandeln, nennen ihn „in Wahrheit einen Spiegel der Welt in Reden
und Sitten". Sein Hof wurde als die Vorschule des reinsten Ritterwesens,
als der üppigste der damaligen Zeit angesehen. Die dort herrschende Pracht
setzte sogar die Gesandten des Sultans von Ägypten in Erstaunen, als sie zu
Neapel Friedrich ein kostbar gearbeitetes Zelt überreichten, worin in genau be-


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[0582] Gin deutsches Raiserschloß in Apulien Wie sehr sich aber Friedrich in solche Darstellungen vertiefte, wie er ihr Wesen durchdrang, beweisen die Federzeichnungen zu seinem Buch über die Vogeljagd, bei dem sich leicht die Vorbilder an einem im Kirchenschätze der Capella Palatins aufbewahrten Kästchen arabischer Arbeit erkennen lassen. Aus der Anordnung der noch vorhandnen Architekturteile in den Gemächern des Schlosses geht jedoch hervor, daß sich dieser bunte Schmuck, dem ernsten Charakter abendländischer Kunstweise gemäß, der Struktur der einzelnen Bauglieder unter¬ geordnet haben muß. Jedenfalls aber hat Friedrich auch hier wie anderwärts regen Anteil an der Ausführung des Ganzen genommen. Ist es doch bekannt, wie sehr er sich nicht nur um die Entstehung seiner Bauten, sondern auch um die dort notwendig werdenden Reparaturen bekümmerte. So ist uns zum Beispiel eine an den Sekretus von Messina, Major de Plancatone, gerichtete Urkunde erhalten, worin er befiehlt, an dem Schloß Noseto in Kalabrien die Dachestriche höher legen zu lassen, damit das Regenwasser nicht mehr ein¬ dringen und Holzwerk und Gemälde zerstören könne. Überhaupt müssen wir uns den in allen ritterlichen Übungen erfahrnen, kühnen Kriegsherrn, den weitschauenden Gelehrten, der erfolgreich auf dem Gebiete der exakten Wissen¬ schaften tätig war, den sprachkundigen, der neben dem Griechischen und dem Lateinischen das Deutsche, das Französische und das Arabische beherrschte, den gefeierten Sänger, dessen Dichterhof die Wiege für das spätere Schriftitalienisch wurde, den scharfsinnigen Gesetzgeber, der die Bewunderung aller vorurteils¬ loser Zeitgenossen erregte: wir müssen uns diesen gewaltigen, einzigartigen Mann in Castel del Monte, wie überall auf seinen Schlössern, als den mit allen wirtschaftlichen Sorgen vertrauten Gebieter denken. Wie er mitten im gefährlichsten Ringen mit dem Papste darüber nachdenkt, auf welche Art die Ertragsfähigkeit seiner Güter durch Anpflanzung von Palmen, Indigo und andern Färbekräutern zu steigern wäre, so interessiert er sich ein andermal für die Errichtung eines Taubenschlags oder für das Futter, das den Stuten zu reichen sei, damit sie mehr Milch geben. Auch die Entscheidung über neu zu schaffende Anzüge des Gesindes behält er sich vor und verschmäht es nicht, sich sogar um das Reinigen der Weinfässer, die Verwendung der Gänsefedern und das Stopfen der Betten zu kümmern. Trotz dieser kleinen Schwächen, die übrigens durchaus seinem Wesen, alles mit ganzer Seele zu erfassen, ent¬ sprechen, galt er seinen Zeitgenossen als ein großdenkender, freigebiger Mann, wie sogar der guelfisch gesinnte Malaspini bezeugt. Auch die osnto novöUo g-ntions, eine aus dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts stammende Novellen¬ sammlung, die in fabelhafter Weise die Persönlichkeiten der nahen Vergangen¬ heit behandeln, nennen ihn „in Wahrheit einen Spiegel der Welt in Reden und Sitten". Sein Hof wurde als die Vorschule des reinsten Ritterwesens, als der üppigste der damaligen Zeit angesehen. Die dort herrschende Pracht setzte sogar die Gesandten des Sultans von Ägypten in Erstaunen, als sie zu Neapel Friedrich ein kostbar gearbeitetes Zelt überreichten, worin in genau be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/582>, abgerufen am 25.08.2024.