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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Ein deutsches Aaiserschloß in Apulien

Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts mit rasender Schnelligkeit über alle
die Nachbarländer mit Ausnahme Italiens verbreitet hat, wird Friedrich wohl
seinem Aufenthalt in Deutschland im Jahre 1235 oder vielleicht schon seiner
Fahrt nach dem Heiligen Lande 1223 verdanken. Hier hatte Frankreich da¬
durch, daß es fast ein Jahrhundert lang allein die Lasten für die Behauptung
Palästinas getragen hatte, ein bedeutendes Übergewicht über alle andern Völker
errungen. Es ist deshalb begreiflich, daß gerade der in Frankreich ausgebildete
Stil bei den Bauten der Kreuzfahrer, so vor allem bei ihrem Hauptbollwerk
gegen die sich immer drohender gestaltende mohammedanische Gefahr, bei der
Feste Samt Jean d'Acre. dem alten Wa. schon frühzeitig Verwendung fand.

Wenn also der Kaiser, von der kühn emporstrebenden Macht der neuen
Bauart ergriffen, diese bei der Anlage von Castel del Monte neben der Antike
zu Worte kommen ließ, so ist sie ihm doch nur ein Mittel zur Befriedigung
seiner Prachtliebe gewesen, wie dies allein schon die Ausschmückung der Innen-
räume beweist. Im Widerspruch mit dem strengen architektonischen Aufbau
des gotischen Stils sind sie zweifellos im orientalischen Geschmack ausgeführt
gewesen. Dafür spricht hauptsächlich die Verwendung verschiedenfarbigen Ge¬
steins, bekanntlich eine Eigentümlichkeit arabischer Bauweise. Auch sind noch
Reste von Vorrichtungen erhalten, die dartun, daß das auf der Terrasse des
Daches aufgefangne Regenwasser nicht nur nach der Zisterne im Hofe, sondern
°und in die Gemächer des ersten Stockwerks geleitet wurde. Wasserkünste haben
^o. gleichwie in den Palästen der arabischen Emire oder der Normaunenkömge
Siziliens, auch in diesen Räumen gespielt, goldfunkelnde Strahlen, deren
sprühende Tropfen für immer ihre Spuren auf den Marmorsttzen an den
Wänden zurückgelassen haben. Ferner sind an den Säulenbündeln noch Neste
v°n Purpurfarbe zu erkennen, was auf eine Ausmalung der Gemächer nach
orientalischer Weise hindeutet. Entsprach es doch am besten Friedrichs heitrer,
lebensfroher Natur, sich überall mit den Äußerungen einer auf feinsten, sinn¬
lichen Genuß berechneten Kunst zu umgeben, die in dem leuchtenden Schmelz
des Kolorits, in der phantasievollen Durchführung der Einzelheiten in der
geschmackvollen Anordnung der Dekoration nicht ihresgleichen hat. Möglich,
daß die Verkleidung der Wände den märchenhaften Normannenbauten Palermos
glich, über die Ihr Gjobair und Hugo Falcandus am Ende des zwölften
Jahrhunderts mit Begeisterung berichten, und von denen uns glänzende Reste
w der Capella Palatin", dem Rogerzimmer des könig ichen Mastes Zu
Palermo und in dem Brunnengemach der Zisa erhalten geblieben M- All -
tags fehlt an dem Mauerwerk jede Spur der geometrisch angeordneten Mosen -
streifen und Arabesken, der auf leuchtendem Goldgrund prangenden D°r
Mungen von Vogeljagden. Gazellen. Kamelen. "n^hener^Tieren, von üppigen Mädchen bei Tanz. Saiten- und N°w^el^an das orientalische Leben Ausgeburten einer fremdartigen Phanta e dem
Anschauungskreis eines die Wüste durchstreifenden Nomadenvolkes entsprossen.


Grenzboten III 1906
Ein deutsches Aaiserschloß in Apulien

Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts mit rasender Schnelligkeit über alle
die Nachbarländer mit Ausnahme Italiens verbreitet hat, wird Friedrich wohl
seinem Aufenthalt in Deutschland im Jahre 1235 oder vielleicht schon seiner
Fahrt nach dem Heiligen Lande 1223 verdanken. Hier hatte Frankreich da¬
durch, daß es fast ein Jahrhundert lang allein die Lasten für die Behauptung
Palästinas getragen hatte, ein bedeutendes Übergewicht über alle andern Völker
errungen. Es ist deshalb begreiflich, daß gerade der in Frankreich ausgebildete
Stil bei den Bauten der Kreuzfahrer, so vor allem bei ihrem Hauptbollwerk
gegen die sich immer drohender gestaltende mohammedanische Gefahr, bei der
Feste Samt Jean d'Acre. dem alten Wa. schon frühzeitig Verwendung fand.

Wenn also der Kaiser, von der kühn emporstrebenden Macht der neuen
Bauart ergriffen, diese bei der Anlage von Castel del Monte neben der Antike
zu Worte kommen ließ, so ist sie ihm doch nur ein Mittel zur Befriedigung
seiner Prachtliebe gewesen, wie dies allein schon die Ausschmückung der Innen-
räume beweist. Im Widerspruch mit dem strengen architektonischen Aufbau
des gotischen Stils sind sie zweifellos im orientalischen Geschmack ausgeführt
gewesen. Dafür spricht hauptsächlich die Verwendung verschiedenfarbigen Ge¬
steins, bekanntlich eine Eigentümlichkeit arabischer Bauweise. Auch sind noch
Reste von Vorrichtungen erhalten, die dartun, daß das auf der Terrasse des
Daches aufgefangne Regenwasser nicht nur nach der Zisterne im Hofe, sondern
°und in die Gemächer des ersten Stockwerks geleitet wurde. Wasserkünste haben
^o. gleichwie in den Palästen der arabischen Emire oder der Normaunenkömge
Siziliens, auch in diesen Räumen gespielt, goldfunkelnde Strahlen, deren
sprühende Tropfen für immer ihre Spuren auf den Marmorsttzen an den
Wänden zurückgelassen haben. Ferner sind an den Säulenbündeln noch Neste
v°n Purpurfarbe zu erkennen, was auf eine Ausmalung der Gemächer nach
orientalischer Weise hindeutet. Entsprach es doch am besten Friedrichs heitrer,
lebensfroher Natur, sich überall mit den Äußerungen einer auf feinsten, sinn¬
lichen Genuß berechneten Kunst zu umgeben, die in dem leuchtenden Schmelz
des Kolorits, in der phantasievollen Durchführung der Einzelheiten in der
geschmackvollen Anordnung der Dekoration nicht ihresgleichen hat. Möglich,
daß die Verkleidung der Wände den märchenhaften Normannenbauten Palermos
glich, über die Ihr Gjobair und Hugo Falcandus am Ende des zwölften
Jahrhunderts mit Begeisterung berichten, und von denen uns glänzende Reste
w der Capella Palatin«, dem Rogerzimmer des könig ichen Mastes Zu
Palermo und in dem Brunnengemach der Zisa erhalten geblieben M- All -
tags fehlt an dem Mauerwerk jede Spur der geometrisch angeordneten Mosen -
streifen und Arabesken, der auf leuchtendem Goldgrund prangenden D°r
Mungen von Vogeljagden. Gazellen. Kamelen. "n^hener^Tieren, von üppigen Mädchen bei Tanz. Saiten- und N°w^el^an das orientalische Leben Ausgeburten einer fremdartigen Phanta e dem
Anschauungskreis eines die Wüste durchstreifenden Nomadenvolkes entsprossen.


Grenzboten III 1906
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[0581] Ein deutsches Aaiserschloß in Apulien Jahrzehnten des dreizehnten Jahrhunderts mit rasender Schnelligkeit über alle die Nachbarländer mit Ausnahme Italiens verbreitet hat, wird Friedrich wohl seinem Aufenthalt in Deutschland im Jahre 1235 oder vielleicht schon seiner Fahrt nach dem Heiligen Lande 1223 verdanken. Hier hatte Frankreich da¬ durch, daß es fast ein Jahrhundert lang allein die Lasten für die Behauptung Palästinas getragen hatte, ein bedeutendes Übergewicht über alle andern Völker errungen. Es ist deshalb begreiflich, daß gerade der in Frankreich ausgebildete Stil bei den Bauten der Kreuzfahrer, so vor allem bei ihrem Hauptbollwerk gegen die sich immer drohender gestaltende mohammedanische Gefahr, bei der Feste Samt Jean d'Acre. dem alten Wa. schon frühzeitig Verwendung fand. Wenn also der Kaiser, von der kühn emporstrebenden Macht der neuen Bauart ergriffen, diese bei der Anlage von Castel del Monte neben der Antike zu Worte kommen ließ, so ist sie ihm doch nur ein Mittel zur Befriedigung seiner Prachtliebe gewesen, wie dies allein schon die Ausschmückung der Innen- räume beweist. Im Widerspruch mit dem strengen architektonischen Aufbau des gotischen Stils sind sie zweifellos im orientalischen Geschmack ausgeführt gewesen. Dafür spricht hauptsächlich die Verwendung verschiedenfarbigen Ge¬ steins, bekanntlich eine Eigentümlichkeit arabischer Bauweise. Auch sind noch Reste von Vorrichtungen erhalten, die dartun, daß das auf der Terrasse des Daches aufgefangne Regenwasser nicht nur nach der Zisterne im Hofe, sondern °und in die Gemächer des ersten Stockwerks geleitet wurde. Wasserkünste haben ^o. gleichwie in den Palästen der arabischen Emire oder der Normaunenkömge Siziliens, auch in diesen Räumen gespielt, goldfunkelnde Strahlen, deren sprühende Tropfen für immer ihre Spuren auf den Marmorsttzen an den Wänden zurückgelassen haben. Ferner sind an den Säulenbündeln noch Neste v°n Purpurfarbe zu erkennen, was auf eine Ausmalung der Gemächer nach orientalischer Weise hindeutet. Entsprach es doch am besten Friedrichs heitrer, lebensfroher Natur, sich überall mit den Äußerungen einer auf feinsten, sinn¬ lichen Genuß berechneten Kunst zu umgeben, die in dem leuchtenden Schmelz des Kolorits, in der phantasievollen Durchführung der Einzelheiten in der geschmackvollen Anordnung der Dekoration nicht ihresgleichen hat. Möglich, daß die Verkleidung der Wände den märchenhaften Normannenbauten Palermos glich, über die Ihr Gjobair und Hugo Falcandus am Ende des zwölften Jahrhunderts mit Begeisterung berichten, und von denen uns glänzende Reste w der Capella Palatin«, dem Rogerzimmer des könig ichen Mastes Zu Palermo und in dem Brunnengemach der Zisa erhalten geblieben M- All - tags fehlt an dem Mauerwerk jede Spur der geometrisch angeordneten Mosen - streifen und Arabesken, der auf leuchtendem Goldgrund prangenden D°r Mungen von Vogeljagden. Gazellen. Kamelen. "n^hener^Tieren, von üppigen Mädchen bei Tanz. Saiten- und N°w^el^an das orientalische Leben Ausgeburten einer fremdartigen Phanta e dem Anschauungskreis eines die Wüste durchstreifenden Nomadenvolkes entsprossen. Grenzboten III 1906

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/581>, abgerufen am 23.07.2024.