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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Ein deutsches Raiserschloß in Apulien

messenen Zeiträumen die Abbilder von Sonne und Mond auf und unter gingen.
Sie erzählen von dem glänzenden Gefolge der Pcigen und der Edeln, der
Spielleute und der fahrenden Sänger, den zahlreichen Knappen und Dienern,
von prächtig gekleideten Mohren, die mit großer Kunstfertigkeit auf silbernen
Trompeten und Posaunen bliesen, von sarazenischen Tänzern und Tänzerinnen,
aber auch von dem Kreis ernster Männer, von Gelehrten. Philosophen,
Künstlern und Dichtern, deren Umgang der auf Großes und Edles gerichtete
Sinn des Kaisers nicht zu entbehren vermochte.

In ähnlicher Weise werden wir uns wohl die Hofhaltung auf Castel del
Monte zu denken haben, wenn auch die beschränkten Räumlichkeiten die Ent¬
faltung eines solchen Prunkes kaum erlaubten. Das Schloß mit je acht
größern Gelassen oben und unten war wohl überhaupt nie für einen längern
Aufenthalt in Aussicht genommen, worauf das Fehlen einer Kapelle, vor allem
aber der Umstand hindeutet, daß wir keine von Friedrich dort ausgestellte
Urkunde haben. Auf dem einsamen Schlosse mochte er sich jeder Sorge ent¬
sagen und sich zwanglos, der Fröhlichste unter den Fröhlichen, dem edeln
Weidwerk, der Falkenjagd ergeben, wozu das mit Eichenwald und Gestrüpp
bedeckte Hügelland im Norden und im Osten des Berges das denkbar günstigste
Gelände darbot. Wir wissen, daß ihn auch auf diesen Zügen ein stattliches
Gefolge von Jägern. Falken. Pferden und gezähmten, zur Jagd abgerichteten
Leoparden begleitete. Es erscheint deshalb befremdend, daß keinerlei Vor¬
kehrungen im Schlosse zu deren Unterkommen getroffen sind. Schulz hat
deshalb mit Recht vermutet, daß ehedem unterhalb der Burg Stallungen und
vielleicht auch Gärten gewesen seien. Der Kaiser hat. so scheint es, das Schloß
überhaupt nur zu Fuß betreten oder ist auf seinem feurigen Renner die zwölf
Stufen emporgesprengt, die einst zu diesem prächtigsten aller Fürstensttze des
Abendlandes hinangeführt haben müssen. Spuren dieser Freitreppe sind vor
dem Hauptportal zutage gefördert worden. An dessen Innenseite treten deutlich
Rinnen an der Wand hervor, in denen einst das Fallgatter heruntergelassen
wurde. Demselben Bestreben, die Bewohner, vor allem die Person des Kaisers
vor unvorhergesehenen Überfüllen zu schützen, entspricht es wohl auch, daß
das Gemach hinter dem Portal keinen Ausgang nach dem Hofe zu hat.
ändern bloß durch eine einzige, leicht zu verteidigende enge Tur mit dem
Nebenraum in Verbindung steht.

..^Trotz "lieben aber ist Castel del Monte niemals eine kriegerische Feste
gleich den Burgen zu Tram. Bari und Brindisi gewesen. Auch in den Tage^w° es neben dem sich immer aussichtsloser gestaltenden Kampf mit dem Papst
"ut den italienischen Städten auch deu Aufstand der apulischen Großen nieder¬
zuschlagen galt, hat der alternde, von mancherlei Schicksalsschlagen heimgesuchte
Herrsche hier nur Erholung und Zerstreuung gesucht. Und als em schmerzendes
Fußleiden die mittelgroße, festqebaute Gestalt des Kaisers, dem die Sturme
des Lebens frühzeitig den Scheitel gelichtet hatten, zur Untätigkeit zwang, da


Ein deutsches Raiserschloß in Apulien

messenen Zeiträumen die Abbilder von Sonne und Mond auf und unter gingen.
Sie erzählen von dem glänzenden Gefolge der Pcigen und der Edeln, der
Spielleute und der fahrenden Sänger, den zahlreichen Knappen und Dienern,
von prächtig gekleideten Mohren, die mit großer Kunstfertigkeit auf silbernen
Trompeten und Posaunen bliesen, von sarazenischen Tänzern und Tänzerinnen,
aber auch von dem Kreis ernster Männer, von Gelehrten. Philosophen,
Künstlern und Dichtern, deren Umgang der auf Großes und Edles gerichtete
Sinn des Kaisers nicht zu entbehren vermochte.

In ähnlicher Weise werden wir uns wohl die Hofhaltung auf Castel del
Monte zu denken haben, wenn auch die beschränkten Räumlichkeiten die Ent¬
faltung eines solchen Prunkes kaum erlaubten. Das Schloß mit je acht
größern Gelassen oben und unten war wohl überhaupt nie für einen längern
Aufenthalt in Aussicht genommen, worauf das Fehlen einer Kapelle, vor allem
aber der Umstand hindeutet, daß wir keine von Friedrich dort ausgestellte
Urkunde haben. Auf dem einsamen Schlosse mochte er sich jeder Sorge ent¬
sagen und sich zwanglos, der Fröhlichste unter den Fröhlichen, dem edeln
Weidwerk, der Falkenjagd ergeben, wozu das mit Eichenwald und Gestrüpp
bedeckte Hügelland im Norden und im Osten des Berges das denkbar günstigste
Gelände darbot. Wir wissen, daß ihn auch auf diesen Zügen ein stattliches
Gefolge von Jägern. Falken. Pferden und gezähmten, zur Jagd abgerichteten
Leoparden begleitete. Es erscheint deshalb befremdend, daß keinerlei Vor¬
kehrungen im Schlosse zu deren Unterkommen getroffen sind. Schulz hat
deshalb mit Recht vermutet, daß ehedem unterhalb der Burg Stallungen und
vielleicht auch Gärten gewesen seien. Der Kaiser hat. so scheint es, das Schloß
überhaupt nur zu Fuß betreten oder ist auf seinem feurigen Renner die zwölf
Stufen emporgesprengt, die einst zu diesem prächtigsten aller Fürstensttze des
Abendlandes hinangeführt haben müssen. Spuren dieser Freitreppe sind vor
dem Hauptportal zutage gefördert worden. An dessen Innenseite treten deutlich
Rinnen an der Wand hervor, in denen einst das Fallgatter heruntergelassen
wurde. Demselben Bestreben, die Bewohner, vor allem die Person des Kaisers
vor unvorhergesehenen Überfüllen zu schützen, entspricht es wohl auch, daß
das Gemach hinter dem Portal keinen Ausgang nach dem Hofe zu hat.
ändern bloß durch eine einzige, leicht zu verteidigende enge Tur mit dem
Nebenraum in Verbindung steht.

..^Trotz «lieben aber ist Castel del Monte niemals eine kriegerische Feste
gleich den Burgen zu Tram. Bari und Brindisi gewesen. Auch in den Tage^w° es neben dem sich immer aussichtsloser gestaltenden Kampf mit dem Papst
"ut den italienischen Städten auch deu Aufstand der apulischen Großen nieder¬
zuschlagen galt, hat der alternde, von mancherlei Schicksalsschlagen heimgesuchte
Herrsche hier nur Erholung und Zerstreuung gesucht. Und als em schmerzendes
Fußleiden die mittelgroße, festqebaute Gestalt des Kaisers, dem die Sturme
des Lebens frühzeitig den Scheitel gelichtet hatten, zur Untätigkeit zwang, da


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[0583] Ein deutsches Raiserschloß in Apulien messenen Zeiträumen die Abbilder von Sonne und Mond auf und unter gingen. Sie erzählen von dem glänzenden Gefolge der Pcigen und der Edeln, der Spielleute und der fahrenden Sänger, den zahlreichen Knappen und Dienern, von prächtig gekleideten Mohren, die mit großer Kunstfertigkeit auf silbernen Trompeten und Posaunen bliesen, von sarazenischen Tänzern und Tänzerinnen, aber auch von dem Kreis ernster Männer, von Gelehrten. Philosophen, Künstlern und Dichtern, deren Umgang der auf Großes und Edles gerichtete Sinn des Kaisers nicht zu entbehren vermochte. In ähnlicher Weise werden wir uns wohl die Hofhaltung auf Castel del Monte zu denken haben, wenn auch die beschränkten Räumlichkeiten die Ent¬ faltung eines solchen Prunkes kaum erlaubten. Das Schloß mit je acht größern Gelassen oben und unten war wohl überhaupt nie für einen längern Aufenthalt in Aussicht genommen, worauf das Fehlen einer Kapelle, vor allem aber der Umstand hindeutet, daß wir keine von Friedrich dort ausgestellte Urkunde haben. Auf dem einsamen Schlosse mochte er sich jeder Sorge ent¬ sagen und sich zwanglos, der Fröhlichste unter den Fröhlichen, dem edeln Weidwerk, der Falkenjagd ergeben, wozu das mit Eichenwald und Gestrüpp bedeckte Hügelland im Norden und im Osten des Berges das denkbar günstigste Gelände darbot. Wir wissen, daß ihn auch auf diesen Zügen ein stattliches Gefolge von Jägern. Falken. Pferden und gezähmten, zur Jagd abgerichteten Leoparden begleitete. Es erscheint deshalb befremdend, daß keinerlei Vor¬ kehrungen im Schlosse zu deren Unterkommen getroffen sind. Schulz hat deshalb mit Recht vermutet, daß ehedem unterhalb der Burg Stallungen und vielleicht auch Gärten gewesen seien. Der Kaiser hat. so scheint es, das Schloß überhaupt nur zu Fuß betreten oder ist auf seinem feurigen Renner die zwölf Stufen emporgesprengt, die einst zu diesem prächtigsten aller Fürstensttze des Abendlandes hinangeführt haben müssen. Spuren dieser Freitreppe sind vor dem Hauptportal zutage gefördert worden. An dessen Innenseite treten deutlich Rinnen an der Wand hervor, in denen einst das Fallgatter heruntergelassen wurde. Demselben Bestreben, die Bewohner, vor allem die Person des Kaisers vor unvorhergesehenen Überfüllen zu schützen, entspricht es wohl auch, daß das Gemach hinter dem Portal keinen Ausgang nach dem Hofe zu hat. ändern bloß durch eine einzige, leicht zu verteidigende enge Tur mit dem Nebenraum in Verbindung steht. ..^Trotz «lieben aber ist Castel del Monte niemals eine kriegerische Feste gleich den Burgen zu Tram. Bari und Brindisi gewesen. Auch in den Tage^w° es neben dem sich immer aussichtsloser gestaltenden Kampf mit dem Papst "ut den italienischen Städten auch deu Aufstand der apulischen Großen nieder¬ zuschlagen galt, hat der alternde, von mancherlei Schicksalsschlagen heimgesuchte Herrsche hier nur Erholung und Zerstreuung gesucht. Und als em schmerzendes Fußleiden die mittelgroße, festqebaute Gestalt des Kaisers, dem die Sturme des Lebens frühzeitig den Scheitel gelichtet hatten, zur Untätigkeit zwang, da

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/583>, abgerufen am 23.07.2024.