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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien

Überlieferung fest, daß hier schon im Jahre 1228 Jolcmthe von Jerusalem,
Friedrichs zweite Gemahlin, den spätern Kaiser Konrad den Vierten geboren
hätte. Ja man behauptet sogar, schon während der Langobardenherrschaft habe
dort oben ein Wartturm und später in den Tagen Robert Guiskards eine feste
Burg namens Bellamonte gestanden, an der der Kaiser nur dem Geschmack
seiner Zeit entsprechende Änderungen habe vornehmen lassen. Mit aller Ent¬
schiedenheit trat schon Heinrich Wilhelm Schulz in seinen "Denkmälern der
Kunst des Mittelalters in Unteritalien" (Dresden, 1860) dieser Annahme ent¬
gegen, indem er auf den durchaus einheitlichen Charakter des Baues hinwies.
Und in der Tat gibt es kaum eine Schöpfung des Mittelalters, die so aus
einem Gusse erscheint wie diese Burg. Die Architektur Apuliens, die im Anschluß
an die byzantinische Kunstweise schon im elften und im zwölften Jahrhundert
ihren Höhepunkt erreichte, hat hier noch einmal eine ihrer erhabensten Blüten
gezeitigt. Leider ist uns der Name des Baumeisters nicht erhalten. Doch läßt
die meisterhafte Durchführung des einheitlich entworfnen Planes, mehr noch die
Herübernahme antiker Bauformen auf eine ihrer Zeit weit vorauseilende
Persönlichkeit schließen. Der Gedanke liegt nahe, in dem idealen Schöpfer des
Ganzen den Kaiser selbst, den feinsinnigen Kenner des Altertums, der Werke
antiker Kunst aufkaufen und sie einem römischen Cäsaren gleich in seinen
Schlössern aufstellen ließ, zu vermuten. Wir wissen, daß Friedrich umfassende
Kenntnisse im Baufach hatte. Wurde doch nach seinen Angaben im Jahre 1223
durch Meister Bartholomäus zu Foggia die Kaiserpfalz aufgeführt, und ist doch
seinen Ideen der Palast an der Volturnusbrücke in Capua entsprungen, dessen
Anblick im Jahre 1266 die Bewunderung der Begleiter Karl von Anjous er¬
regte. Leider ist dieser Palast im Jahre 1557 durch den spanischen Vizekönig
del Fiore niedergerissen worden, wobei auch Friedrichs wertvolle Kunstsammlung,
kostbar gebundne Bücher, Statuen und antike Reliefs zugrunde gegangen sind.
Nur die Bildsäule des Kaisers, deren drohender Ausdruck das Gefolge Karls
von Anjou erschreckte, und an der noch im achtzehnten Jahrhundert Guglielmo
della Balle das majestätische Aussehen rühmte, wurde damals verschont und
seit dem Jahre 1584 in einer Nische unter dem römischen Tor in Capua auf¬
gestellt, bis die rohe Faust Muratscher Soldaten auch dieses unschätzbare Denkmal,
das die Züge des großen Staufers der Nachwelt übermittelte, völlig ver¬
stümmelt hat.

Uns Deutschen, die wir mit dem Begriff einer mittelalterlichen Burg ge¬
wöhnlich den spitzgiebligen Palas und einen ihn mächtig überragenden Bergfried
verbinden, füllt schon von weitem das ungewöhnliche Aussehen von Castel del
Monte auf. Wie ein gewaltiger, an den Seiten abgestumpfter Würfel krönt
es die höchste Spitze der eintönigen Hügelgruppe. Erst beim Näherkommen
tritt die wahre Gestalt, ein Achteck, vor, dessen Kanten acht stumpfe, runde
Türme flankieren. Sie sind kaum größer als das Gebäude selbst und gleich
diesem nnr mit einem flachen Dache, das gänzlich hinter der Mauer verschwindet,


Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien

Überlieferung fest, daß hier schon im Jahre 1228 Jolcmthe von Jerusalem,
Friedrichs zweite Gemahlin, den spätern Kaiser Konrad den Vierten geboren
hätte. Ja man behauptet sogar, schon während der Langobardenherrschaft habe
dort oben ein Wartturm und später in den Tagen Robert Guiskards eine feste
Burg namens Bellamonte gestanden, an der der Kaiser nur dem Geschmack
seiner Zeit entsprechende Änderungen habe vornehmen lassen. Mit aller Ent¬
schiedenheit trat schon Heinrich Wilhelm Schulz in seinen „Denkmälern der
Kunst des Mittelalters in Unteritalien" (Dresden, 1860) dieser Annahme ent¬
gegen, indem er auf den durchaus einheitlichen Charakter des Baues hinwies.
Und in der Tat gibt es kaum eine Schöpfung des Mittelalters, die so aus
einem Gusse erscheint wie diese Burg. Die Architektur Apuliens, die im Anschluß
an die byzantinische Kunstweise schon im elften und im zwölften Jahrhundert
ihren Höhepunkt erreichte, hat hier noch einmal eine ihrer erhabensten Blüten
gezeitigt. Leider ist uns der Name des Baumeisters nicht erhalten. Doch läßt
die meisterhafte Durchführung des einheitlich entworfnen Planes, mehr noch die
Herübernahme antiker Bauformen auf eine ihrer Zeit weit vorauseilende
Persönlichkeit schließen. Der Gedanke liegt nahe, in dem idealen Schöpfer des
Ganzen den Kaiser selbst, den feinsinnigen Kenner des Altertums, der Werke
antiker Kunst aufkaufen und sie einem römischen Cäsaren gleich in seinen
Schlössern aufstellen ließ, zu vermuten. Wir wissen, daß Friedrich umfassende
Kenntnisse im Baufach hatte. Wurde doch nach seinen Angaben im Jahre 1223
durch Meister Bartholomäus zu Foggia die Kaiserpfalz aufgeführt, und ist doch
seinen Ideen der Palast an der Volturnusbrücke in Capua entsprungen, dessen
Anblick im Jahre 1266 die Bewunderung der Begleiter Karl von Anjous er¬
regte. Leider ist dieser Palast im Jahre 1557 durch den spanischen Vizekönig
del Fiore niedergerissen worden, wobei auch Friedrichs wertvolle Kunstsammlung,
kostbar gebundne Bücher, Statuen und antike Reliefs zugrunde gegangen sind.
Nur die Bildsäule des Kaisers, deren drohender Ausdruck das Gefolge Karls
von Anjou erschreckte, und an der noch im achtzehnten Jahrhundert Guglielmo
della Balle das majestätische Aussehen rühmte, wurde damals verschont und
seit dem Jahre 1584 in einer Nische unter dem römischen Tor in Capua auf¬
gestellt, bis die rohe Faust Muratscher Soldaten auch dieses unschätzbare Denkmal,
das die Züge des großen Staufers der Nachwelt übermittelte, völlig ver¬
stümmelt hat.

Uns Deutschen, die wir mit dem Begriff einer mittelalterlichen Burg ge¬
wöhnlich den spitzgiebligen Palas und einen ihn mächtig überragenden Bergfried
verbinden, füllt schon von weitem das ungewöhnliche Aussehen von Castel del
Monte auf. Wie ein gewaltiger, an den Seiten abgestumpfter Würfel krönt
es die höchste Spitze der eintönigen Hügelgruppe. Erst beim Näherkommen
tritt die wahre Gestalt, ein Achteck, vor, dessen Kanten acht stumpfe, runde
Türme flankieren. Sie sind kaum größer als das Gebäude selbst und gleich
diesem nnr mit einem flachen Dache, das gänzlich hinter der Mauer verschwindet,


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[0576] Lin deutsches Uaiserschloß in Apulien Überlieferung fest, daß hier schon im Jahre 1228 Jolcmthe von Jerusalem, Friedrichs zweite Gemahlin, den spätern Kaiser Konrad den Vierten geboren hätte. Ja man behauptet sogar, schon während der Langobardenherrschaft habe dort oben ein Wartturm und später in den Tagen Robert Guiskards eine feste Burg namens Bellamonte gestanden, an der der Kaiser nur dem Geschmack seiner Zeit entsprechende Änderungen habe vornehmen lassen. Mit aller Ent¬ schiedenheit trat schon Heinrich Wilhelm Schulz in seinen „Denkmälern der Kunst des Mittelalters in Unteritalien" (Dresden, 1860) dieser Annahme ent¬ gegen, indem er auf den durchaus einheitlichen Charakter des Baues hinwies. Und in der Tat gibt es kaum eine Schöpfung des Mittelalters, die so aus einem Gusse erscheint wie diese Burg. Die Architektur Apuliens, die im Anschluß an die byzantinische Kunstweise schon im elften und im zwölften Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, hat hier noch einmal eine ihrer erhabensten Blüten gezeitigt. Leider ist uns der Name des Baumeisters nicht erhalten. Doch läßt die meisterhafte Durchführung des einheitlich entworfnen Planes, mehr noch die Herübernahme antiker Bauformen auf eine ihrer Zeit weit vorauseilende Persönlichkeit schließen. Der Gedanke liegt nahe, in dem idealen Schöpfer des Ganzen den Kaiser selbst, den feinsinnigen Kenner des Altertums, der Werke antiker Kunst aufkaufen und sie einem römischen Cäsaren gleich in seinen Schlössern aufstellen ließ, zu vermuten. Wir wissen, daß Friedrich umfassende Kenntnisse im Baufach hatte. Wurde doch nach seinen Angaben im Jahre 1223 durch Meister Bartholomäus zu Foggia die Kaiserpfalz aufgeführt, und ist doch seinen Ideen der Palast an der Volturnusbrücke in Capua entsprungen, dessen Anblick im Jahre 1266 die Bewunderung der Begleiter Karl von Anjous er¬ regte. Leider ist dieser Palast im Jahre 1557 durch den spanischen Vizekönig del Fiore niedergerissen worden, wobei auch Friedrichs wertvolle Kunstsammlung, kostbar gebundne Bücher, Statuen und antike Reliefs zugrunde gegangen sind. Nur die Bildsäule des Kaisers, deren drohender Ausdruck das Gefolge Karls von Anjou erschreckte, und an der noch im achtzehnten Jahrhundert Guglielmo della Balle das majestätische Aussehen rühmte, wurde damals verschont und seit dem Jahre 1584 in einer Nische unter dem römischen Tor in Capua auf¬ gestellt, bis die rohe Faust Muratscher Soldaten auch dieses unschätzbare Denkmal, das die Züge des großen Staufers der Nachwelt übermittelte, völlig ver¬ stümmelt hat. Uns Deutschen, die wir mit dem Begriff einer mittelalterlichen Burg ge¬ wöhnlich den spitzgiebligen Palas und einen ihn mächtig überragenden Bergfried verbinden, füllt schon von weitem das ungewöhnliche Aussehen von Castel del Monte auf. Wie ein gewaltiger, an den Seiten abgestumpfter Würfel krönt es die höchste Spitze der eintönigen Hügelgruppe. Erst beim Näherkommen tritt die wahre Gestalt, ein Achteck, vor, dessen Kanten acht stumpfe, runde Türme flankieren. Sie sind kaum größer als das Gebäude selbst und gleich diesem nnr mit einem flachen Dache, das gänzlich hinter der Mauer verschwindet,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/576>, abgerufen am 28.12.2024.