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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Der Bopparder Krieg
Julius R. Haarhaus Line rheinische Geschichte von
(Fortsetzung)
4

is zum letzten Augenblicke hatten sich die Bopparder der Hoffnung
hingegeben, daß der Kurfürst ebensowenig geneigt sei, mit der Schärfe
des Schwertes eine Lösung der Verwicklungen herbeizuführen, wie
sie selbst. Sie wußten, daß Johann der Zweite lieber Baupläne als
Kriegspläne entwarf, daß er lieber in seiner chemischen Küche als
im Lagerzelt weilte und als Verfasser eines dickleibigen Vocndnlarinm
^uris mehr nach dem Ruhme eines gewiegten Pandektisten als nach dem eines
Strategen dürstete.

Aber sei es, daß der Kurfürst doch nicht so friedliebend war, wie man all¬
gemein annahm, sei es, daß er seine Bopparder zu kennen glaubte und der Über¬
zeugung huldigte, sie würden angesichts der drohenden Waffen doch noch zu Kreuze
krieche", genug, er traf die umfangreichsten Anstalten, seine Widersacher mit Krieg
zu überziehn.

Täglich trafen Boten in der Stadt ein, die dem Magistrat über deu Fortgang
der feindlichen Rüstungen Bericht erstatteten. Man vernahm mit Schrecken, daß
im ganzen Erzstift Truppen, Pferde, Wagen und Nachen ausgeschrieben worden
waren, und daß sich an bestimmten Orten schon Hunderte der zum Kriegsdienst, zur
Schanzarbeit und zur Fvurngierung verpflichteten Untertanen versammelt hatten.

Die Stadt war kriegsbereit, und es blieb einem löblichen Rat nnr noch übrig,
in den zu Boppard gehörenden Dörfern das Vieh zu requirieren. Am Morgen
des 21. Juni rückten die Mannschaften, die mit diesem Geschäfte beirant worden
waren, aus, aber schon um die Mittagstunde kehrten die erste" mit dem nieder¬
schmetternder Bescheide zurück, die Ställe seien überall leer gewesen, sintemalen
Se. Kurfürstliche Gnaden den Boppardern die Arbeit habe ersparen wollen. Ja
was noch schlimmer war: der Kurfürst hatte nicht nur rechtzeitig das Vieh a" sich
gebracht, sonder" anch in seiner Burg zu Koblenz die Sendboten der Bopparder
Dörfer empfange", die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben und dafür die
Versicherung unwandelbarer Gunst und Huld erhalten hatten.

Diese Wandlung der Dinge veranlaßte Johann den Zweiten zu eiuer wesent¬
lichen Abänderung seines Kriegsplans. Er gab seine ursprüngliche Absicht, die
Mosel aufwärts zu ziehn und vom Gebirge her gegen die Stadt zu rücken, auf
und beschloß dafür rheinaufwärts zu fahren und sofort im nächsten Umkreise Boppards
feste Stellungen einzunehmen. Am 22. Juni setzte sich der Zug von Koblenz aus
auf dem rechten Rheinufer in Bewegung. Er bestand in der Hauptsache aus ge-
wordnen Söldnern, denen sich die von der Stadt Koblenz, von Niederlnhnstein,
Leutesdorf, Hönningen und Valleudar gestellten Mannschaften anschlössen. An der




Der Bopparder Krieg
Julius R. Haarhaus Line rheinische Geschichte von
(Fortsetzung)
4

is zum letzten Augenblicke hatten sich die Bopparder der Hoffnung
hingegeben, daß der Kurfürst ebensowenig geneigt sei, mit der Schärfe
des Schwertes eine Lösung der Verwicklungen herbeizuführen, wie
sie selbst. Sie wußten, daß Johann der Zweite lieber Baupläne als
Kriegspläne entwarf, daß er lieber in seiner chemischen Küche als
im Lagerzelt weilte und als Verfasser eines dickleibigen Vocndnlarinm
^uris mehr nach dem Ruhme eines gewiegten Pandektisten als nach dem eines
Strategen dürstete.

Aber sei es, daß der Kurfürst doch nicht so friedliebend war, wie man all¬
gemein annahm, sei es, daß er seine Bopparder zu kennen glaubte und der Über¬
zeugung huldigte, sie würden angesichts der drohenden Waffen doch noch zu Kreuze
krieche», genug, er traf die umfangreichsten Anstalten, seine Widersacher mit Krieg
zu überziehn.

Täglich trafen Boten in der Stadt ein, die dem Magistrat über deu Fortgang
der feindlichen Rüstungen Bericht erstatteten. Man vernahm mit Schrecken, daß
im ganzen Erzstift Truppen, Pferde, Wagen und Nachen ausgeschrieben worden
waren, und daß sich an bestimmten Orten schon Hunderte der zum Kriegsdienst, zur
Schanzarbeit und zur Fvurngierung verpflichteten Untertanen versammelt hatten.

Die Stadt war kriegsbereit, und es blieb einem löblichen Rat nnr noch übrig,
in den zu Boppard gehörenden Dörfern das Vieh zu requirieren. Am Morgen
des 21. Juni rückten die Mannschaften, die mit diesem Geschäfte beirant worden
waren, aus, aber schon um die Mittagstunde kehrten die erste« mit dem nieder¬
schmetternder Bescheide zurück, die Ställe seien überall leer gewesen, sintemalen
Se. Kurfürstliche Gnaden den Boppardern die Arbeit habe ersparen wollen. Ja
was noch schlimmer war: der Kurfürst hatte nicht nur rechtzeitig das Vieh a« sich
gebracht, sonder» anch in seiner Burg zu Koblenz die Sendboten der Bopparder
Dörfer empfange», die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben und dafür die
Versicherung unwandelbarer Gunst und Huld erhalten hatten.

Diese Wandlung der Dinge veranlaßte Johann den Zweiten zu eiuer wesent¬
lichen Abänderung seines Kriegsplans. Er gab seine ursprüngliche Absicht, die
Mosel aufwärts zu ziehn und vom Gebirge her gegen die Stadt zu rücken, auf
und beschloß dafür rheinaufwärts zu fahren und sofort im nächsten Umkreise Boppards
feste Stellungen einzunehmen. Am 22. Juni setzte sich der Zug von Koblenz aus
auf dem rechten Rheinufer in Bewegung. Er bestand in der Hauptsache aus ge-
wordnen Söldnern, denen sich die von der Stadt Koblenz, von Niederlnhnstein,
Leutesdorf, Hönningen und Valleudar gestellten Mannschaften anschlössen. An der


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[0050] [Abbildung] Der Bopparder Krieg Julius R. Haarhaus Line rheinische Geschichte von (Fortsetzung) 4 is zum letzten Augenblicke hatten sich die Bopparder der Hoffnung hingegeben, daß der Kurfürst ebensowenig geneigt sei, mit der Schärfe des Schwertes eine Lösung der Verwicklungen herbeizuführen, wie sie selbst. Sie wußten, daß Johann der Zweite lieber Baupläne als Kriegspläne entwarf, daß er lieber in seiner chemischen Küche als im Lagerzelt weilte und als Verfasser eines dickleibigen Vocndnlarinm ^uris mehr nach dem Ruhme eines gewiegten Pandektisten als nach dem eines Strategen dürstete. Aber sei es, daß der Kurfürst doch nicht so friedliebend war, wie man all¬ gemein annahm, sei es, daß er seine Bopparder zu kennen glaubte und der Über¬ zeugung huldigte, sie würden angesichts der drohenden Waffen doch noch zu Kreuze krieche», genug, er traf die umfangreichsten Anstalten, seine Widersacher mit Krieg zu überziehn. Täglich trafen Boten in der Stadt ein, die dem Magistrat über deu Fortgang der feindlichen Rüstungen Bericht erstatteten. Man vernahm mit Schrecken, daß im ganzen Erzstift Truppen, Pferde, Wagen und Nachen ausgeschrieben worden waren, und daß sich an bestimmten Orten schon Hunderte der zum Kriegsdienst, zur Schanzarbeit und zur Fvurngierung verpflichteten Untertanen versammelt hatten. Die Stadt war kriegsbereit, und es blieb einem löblichen Rat nnr noch übrig, in den zu Boppard gehörenden Dörfern das Vieh zu requirieren. Am Morgen des 21. Juni rückten die Mannschaften, die mit diesem Geschäfte beirant worden waren, aus, aber schon um die Mittagstunde kehrten die erste« mit dem nieder¬ schmetternder Bescheide zurück, die Ställe seien überall leer gewesen, sintemalen Se. Kurfürstliche Gnaden den Boppardern die Arbeit habe ersparen wollen. Ja was noch schlimmer war: der Kurfürst hatte nicht nur rechtzeitig das Vieh a« sich gebracht, sonder» anch in seiner Burg zu Koblenz die Sendboten der Bopparder Dörfer empfange», die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben und dafür die Versicherung unwandelbarer Gunst und Huld erhalten hatten. Diese Wandlung der Dinge veranlaßte Johann den Zweiten zu eiuer wesent¬ lichen Abänderung seines Kriegsplans. Er gab seine ursprüngliche Absicht, die Mosel aufwärts zu ziehn und vom Gebirge her gegen die Stadt zu rücken, auf und beschloß dafür rheinaufwärts zu fahren und sofort im nächsten Umkreise Boppards feste Stellungen einzunehmen. Am 22. Juni setzte sich der Zug von Koblenz aus auf dem rechten Rheinufer in Bewegung. Er bestand in der Hauptsache aus ge- wordnen Söldnern, denen sich die von der Stadt Koblenz, von Niederlnhnstein, Leutesdorf, Hönningen und Valleudar gestellten Mannschaften anschlössen. An der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/50>, abgerufen am 27.12.2024.