Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit herausfordern und künftige Dinge von ihnen erfragen. Die darauf erscheinenden Die unter den Gelehrten streitige Frage, ob eine Hexe eine wahre mensch¬ Eine zur Strafverfolgung genügende Belastung ist unter anderm die Be¬ Grenzboten III 1906 53
Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit herausfordern und künftige Dinge von ihnen erfragen. Die darauf erscheinenden Die unter den Gelehrten streitige Frage, ob eine Hexe eine wahre mensch¬ Eine zur Strafverfolgung genügende Belastung ist unter anderm die Be¬ Grenzboten III 1906 53
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300196"/> <fw type="header" place="top"> Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1512" prev="#ID_1511"> herausfordern und künftige Dinge von ihnen erfragen. Die darauf erscheinenden<lb/> Geister „sind meist nur pure Teufel". Die L.rin>Il oder Wahrsager „oder besser<lb/> Lugensager", diese pflegen aus teuflischer Kunst durch zugerichtete Spiegel,<lb/> kristallene Knöpfe, Ringe und dergleichen Aufschluß über geschehene Diebstähle<lb/> und andre verborgne Dinge zu geben. Dahin gehören die „Zigenier" und<lb/> Planetenleser, die nun in Tirol und andern kaiserlichen Erbländern für vogel¬<lb/> frei ausgerufen worden sind. Die In<zg.v.ta,rorös oder Segensprecher bannen<lb/> nicht nur die Ottern, Schlangen und dergleichen giftige Tiere, sondern sie machen<lb/> auch Menschen unmannbar und unfruchtbar, ja sie verzaubern ganze Armeen,<lb/> Wasserflotten und Belagerungen. Die Vsustioi verursachen mit Hilfe des Teufels<lb/> („aus Göttlicher Zulassung") die Vergiftung von Früchten, Tieren und Menschen,<lb/> ja sogar „pestilenzische Seuchen". Auch „Rießlwetter", Regen und Wind ist<lb/> erwiesnermaßen mit Hilfe eines ihnen vom Teufel gegebnen grauen Pulvers im<lb/> Salzburger Lande erzeugt worden, während sie ein schwarzes Pulver zur Er¬<lb/> zeugung von Menschen- und Viehheerden verwandt haben. Die Schwarzkünstler<lb/> heilen „durch allerhand Widergläubige Sachen" natürliche Krankheiten und<lb/> wordos dz^örvn^sioos. Man soll jedoch nicht jede wunderbare Heilung auf<lb/> Schwarzkunst zurückführen, sondern unterscheiden, ob Grund zu der Annahme<lb/> vorliegt, daß der gütige Gott oder ein guter Engel den Geheilten der einge-<lb/> tretnen Wirkung gewürdigt habe. Verdächtig ist die Sache, wenn bei der Be¬<lb/> sprechung unkatholische, von der Kirche verworfne Worte gebraucht worden sind,<lb/> wenn die Namen unbekannter Engel angerufen worden sind, „so doch nur böse<lb/> Geister ausweisen", und dergleichen mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1513"> Die unter den Gelehrten streitige Frage, ob eine Hexe eine wahre mensch¬<lb/> liche Geburt hervorbringen könne, wird bejahend entschieden. Der Teufel kann<lb/> übrigens keineswegs ein Ding seiner Wesenheit noch in ein andres trMssud-<lb/> stÄntig.1it<zr verändern. Wo also eine Hexe „ein Älster, einen Wolfs, eine Katz<lb/> abgibet", liegt nur eine teuflische Verblendung des menschlichen Auges vor. Man<lb/> hat deshalb vielfach verstellten Hexen Wunden beigebracht, Schlüssel und andres<lb/> Gerät vom Baum geschossen, auf dem sie als Vögel, Füchse oder Hasen ver¬<lb/> stellt saßen. Hierin liegt also der völlige Gegensatz zur Transsubstantiation<lb/> der Hostie im Sakrament, die ihrem Wesen nach der Leib Christi wird, ohne<lb/> daß sie dein menschlichen Auge ihrem Wesen und ihrem Aussehen nach verändert<lb/> erscheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_1514" next="#ID_1515"> Eine zur Strafverfolgung genügende Belastung ist unter anderm die Be¬<lb/> schuldigung eines sterbenden Verzauberter, wenn überdies vernünftige Beweg¬<lb/> gründe angegeben werden. Dagegen ist es bedenklich, jemand allein auf ein<lb/> sich an seinem Körper befindendes Mal hin den Hexenprozeß zu machen. Der<lb/> Teufel pflegt zwar die Seinigen mit gewissen Zeichen zum Beispiel in Gestalt<lb/> eines Hasen, Küfers, einer Kröte, Spinne oder Ratte zu versehen. Aber solche<lb/> Zeichen kommen auch vor, ohne teuflischen Ursprungs zu sein. Durchsticht man<lb/> sie mit einer Nadel, so sind die Teufelszeichen nicht schmerzempfindlich, aber</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1906 53</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0409]
Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit
herausfordern und künftige Dinge von ihnen erfragen. Die darauf erscheinenden
Geister „sind meist nur pure Teufel". Die L.rin>Il oder Wahrsager „oder besser
Lugensager", diese pflegen aus teuflischer Kunst durch zugerichtete Spiegel,
kristallene Knöpfe, Ringe und dergleichen Aufschluß über geschehene Diebstähle
und andre verborgne Dinge zu geben. Dahin gehören die „Zigenier" und
Planetenleser, die nun in Tirol und andern kaiserlichen Erbländern für vogel¬
frei ausgerufen worden sind. Die In<zg.v.ta,rorös oder Segensprecher bannen
nicht nur die Ottern, Schlangen und dergleichen giftige Tiere, sondern sie machen
auch Menschen unmannbar und unfruchtbar, ja sie verzaubern ganze Armeen,
Wasserflotten und Belagerungen. Die Vsustioi verursachen mit Hilfe des Teufels
(„aus Göttlicher Zulassung") die Vergiftung von Früchten, Tieren und Menschen,
ja sogar „pestilenzische Seuchen". Auch „Rießlwetter", Regen und Wind ist
erwiesnermaßen mit Hilfe eines ihnen vom Teufel gegebnen grauen Pulvers im
Salzburger Lande erzeugt worden, während sie ein schwarzes Pulver zur Er¬
zeugung von Menschen- und Viehheerden verwandt haben. Die Schwarzkünstler
heilen „durch allerhand Widergläubige Sachen" natürliche Krankheiten und
wordos dz^örvn^sioos. Man soll jedoch nicht jede wunderbare Heilung auf
Schwarzkunst zurückführen, sondern unterscheiden, ob Grund zu der Annahme
vorliegt, daß der gütige Gott oder ein guter Engel den Geheilten der einge-
tretnen Wirkung gewürdigt habe. Verdächtig ist die Sache, wenn bei der Be¬
sprechung unkatholische, von der Kirche verworfne Worte gebraucht worden sind,
wenn die Namen unbekannter Engel angerufen worden sind, „so doch nur böse
Geister ausweisen", und dergleichen mehr.
Die unter den Gelehrten streitige Frage, ob eine Hexe eine wahre mensch¬
liche Geburt hervorbringen könne, wird bejahend entschieden. Der Teufel kann
übrigens keineswegs ein Ding seiner Wesenheit noch in ein andres trMssud-
stÄntig.1it<zr verändern. Wo also eine Hexe „ein Älster, einen Wolfs, eine Katz
abgibet", liegt nur eine teuflische Verblendung des menschlichen Auges vor. Man
hat deshalb vielfach verstellten Hexen Wunden beigebracht, Schlüssel und andres
Gerät vom Baum geschossen, auf dem sie als Vögel, Füchse oder Hasen ver¬
stellt saßen. Hierin liegt also der völlige Gegensatz zur Transsubstantiation
der Hostie im Sakrament, die ihrem Wesen nach der Leib Christi wird, ohne
daß sie dein menschlichen Auge ihrem Wesen und ihrem Aussehen nach verändert
erscheint.
Eine zur Strafverfolgung genügende Belastung ist unter anderm die Be¬
schuldigung eines sterbenden Verzauberter, wenn überdies vernünftige Beweg¬
gründe angegeben werden. Dagegen ist es bedenklich, jemand allein auf ein
sich an seinem Körper befindendes Mal hin den Hexenprozeß zu machen. Der
Teufel pflegt zwar die Seinigen mit gewissen Zeichen zum Beispiel in Gestalt
eines Hasen, Küfers, einer Kröte, Spinne oder Ratte zu versehen. Aber solche
Zeichen kommen auch vor, ohne teuflischen Ursprungs zu sein. Durchsticht man
sie mit einer Nadel, so sind die Teufelszeichen nicht schmerzempfindlich, aber
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