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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

die Hexen können sich so stellen, als ob sie eine Schmerzempfindung dabei
hätten, und macht man diesen Versuch ohne ihr Vorwissen, so kann doch der
Teufel im Spiel sein und die untersuchende Person täuschen.

Die Untersuchungshaft ist bei den der Zauberei beschuldigten geboten,
damit ihrem leicht zur Vereitelung des Verfahrens führenden Treiben mög¬
lichst Einhalt getan werde. Man darf der gefangen genommnen Hexe nicht
erlauben, nochmals ihr Haus zu betreten, damit sie sich dort nicht noch Medi¬
kamente holen kann, kraft deren sie in der Tortur nicht bekennt oder sich gar
unsichtbar macht. Sie muß schleunigst ihre Kleidung nach gründlicher körper¬
licher Untersuchung mit unverdächtiger vertauschen, aber es kommt nichts darauf
an, daß das Hemd, das man ihr gibt, gerade "in einem Tage gewürkt, gesponnen
und zusammen genähet sehe". Wohl aber lehren manche, daß man die Hexe
rückwärts in die Verhörstube führen soll, damit sie den Richter nicht anblicken
und bezaubern kann. Jedenfalls soll dieses dadurch verhütet werden, daß man
zuvor ihre Kleidung gründlich durchsucht und am besten ihr unverdächtige
Kleidung anzieht. Am sichersten geht der Richter in solchen Sachen, wenn er
den Beistand Gottes anruft, sich katholischer Benediktionen und eines unmakel-
haften Gewissens befleißigt, denn "er hat nicht allein mit einer menschlichen
Kreatur und altem Weib, sondern mit dem Teufel selbsten zu fechten".

Da es sich um ein "verborgnes Laster" handelt, muß man sich für die
Zulässigkeit der Tortur schon mit sehr geringen Belastungsmomenten begnügen.
Wegen seiner Schwere darf mit ihr auch niemand wegen vornehmen Standes
oder hoher Würden verschont werden. Die "noch vor kurzen Jahren" in
Deutschland übliche Wasserprobe soll als "eine allzu verborgene, ungewisse,
ja teuflische, Gott versuchende Anzeigung" nicht mehr angewandt werden. Auch
sollen rechte gewissenhafte Richter nicht dadurch Gestündnisse zu erlangen suchen,
daß sie der Hexe trügerische Versprechungen, wie vielfach üblich gewesen ist,
machen, zum Beispiel Zusicherung von Speise und Trank für ihr ganzes Leben
auf seine Kosten, oder gar Auferbauung eines neuen Hauses (womit der Scheiter¬
haufen gemeint wird), Versprechen des Lebens (nämlich des ewigen) oder der
Gnadenerweisung (nicht für die Hexe, sondern für das Gemeinwesen), Zusage,
zum Entkommen aus der Keychen behilflich sein zu wollen (nämlich auf die
Nichtstütte) und dergleichen mehr. Vor Ausführung der Tortur soll man das
Haar der Hexe an allen Körperteilen sorgfältig entfernen und sie vollständig
mit warmem Wasser waschen, damit sie sich nicht "durch angestreute Pulver
oder angestrichene Salben von teuflischer Kraft schützen,, die Tortur verlachen
und dabei schlafen" könne. Man soll ihr nächst "Auffopfferung des Heil. Ge¬
betes und Göttlicher Anrusfung geweihte ^Apus vel" anhängen. Dieses An¬
hängen eines ^Anus ohl habe vielfach geholfen. Auch Besprengen mit ge¬
weihtem Wasser, Reichung von Weihwasser zum Trinken und Räuchern mit
geweihten Kräutern, wenn auch "die ^.oAtnolioi wenig herauff zu halten Pflegen".
Bei einer "in der jüngsten Salzburgischen Hexen-Inquisition" an einem "zauberischen


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

die Hexen können sich so stellen, als ob sie eine Schmerzempfindung dabei
hätten, und macht man diesen Versuch ohne ihr Vorwissen, so kann doch der
Teufel im Spiel sein und die untersuchende Person täuschen.

Die Untersuchungshaft ist bei den der Zauberei beschuldigten geboten,
damit ihrem leicht zur Vereitelung des Verfahrens führenden Treiben mög¬
lichst Einhalt getan werde. Man darf der gefangen genommnen Hexe nicht
erlauben, nochmals ihr Haus zu betreten, damit sie sich dort nicht noch Medi¬
kamente holen kann, kraft deren sie in der Tortur nicht bekennt oder sich gar
unsichtbar macht. Sie muß schleunigst ihre Kleidung nach gründlicher körper¬
licher Untersuchung mit unverdächtiger vertauschen, aber es kommt nichts darauf
an, daß das Hemd, das man ihr gibt, gerade „in einem Tage gewürkt, gesponnen
und zusammen genähet sehe". Wohl aber lehren manche, daß man die Hexe
rückwärts in die Verhörstube führen soll, damit sie den Richter nicht anblicken
und bezaubern kann. Jedenfalls soll dieses dadurch verhütet werden, daß man
zuvor ihre Kleidung gründlich durchsucht und am besten ihr unverdächtige
Kleidung anzieht. Am sichersten geht der Richter in solchen Sachen, wenn er
den Beistand Gottes anruft, sich katholischer Benediktionen und eines unmakel-
haften Gewissens befleißigt, denn „er hat nicht allein mit einer menschlichen
Kreatur und altem Weib, sondern mit dem Teufel selbsten zu fechten".

Da es sich um ein „verborgnes Laster" handelt, muß man sich für die
Zulässigkeit der Tortur schon mit sehr geringen Belastungsmomenten begnügen.
Wegen seiner Schwere darf mit ihr auch niemand wegen vornehmen Standes
oder hoher Würden verschont werden. Die „noch vor kurzen Jahren" in
Deutschland übliche Wasserprobe soll als „eine allzu verborgene, ungewisse,
ja teuflische, Gott versuchende Anzeigung" nicht mehr angewandt werden. Auch
sollen rechte gewissenhafte Richter nicht dadurch Gestündnisse zu erlangen suchen,
daß sie der Hexe trügerische Versprechungen, wie vielfach üblich gewesen ist,
machen, zum Beispiel Zusicherung von Speise und Trank für ihr ganzes Leben
auf seine Kosten, oder gar Auferbauung eines neuen Hauses (womit der Scheiter¬
haufen gemeint wird), Versprechen des Lebens (nämlich des ewigen) oder der
Gnadenerweisung (nicht für die Hexe, sondern für das Gemeinwesen), Zusage,
zum Entkommen aus der Keychen behilflich sein zu wollen (nämlich auf die
Nichtstütte) und dergleichen mehr. Vor Ausführung der Tortur soll man das
Haar der Hexe an allen Körperteilen sorgfältig entfernen und sie vollständig
mit warmem Wasser waschen, damit sie sich nicht „durch angestreute Pulver
oder angestrichene Salben von teuflischer Kraft schützen,, die Tortur verlachen
und dabei schlafen" könne. Man soll ihr nächst „Auffopfferung des Heil. Ge¬
betes und Göttlicher Anrusfung geweihte ^Apus vel" anhängen. Dieses An¬
hängen eines ^Anus ohl habe vielfach geholfen. Auch Besprengen mit ge¬
weihtem Wasser, Reichung von Weihwasser zum Trinken und Räuchern mit
geweihten Kräutern, wenn auch „die ^.oAtnolioi wenig herauff zu halten Pflegen".
Bei einer „in der jüngsten Salzburgischen Hexen-Inquisition" an einem „zauberischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/410>, abgerufen am 23.07.2024.