Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Allerlei aus einem Htrafrechtskommentar der guten
alten Zeit
2

8^n Leibesstrafen, die in Deutschland gebräuchlich seien, werden auf¬
geführt: das Nutenaushauen, Staupenschlag (immer mit ewiger
Landesverweisung verbunden, es sei denn, daß man noch auf
i Besserung zu rechnen habe). Diese Strafe soll nicht durch die
I das Leben gefährdende Vergiftung der Unter geschärft werden.
Empfohlen wird, dem Nichtlandesverwiesnen einen Galgen auf den Rücken zu
brennen. Ferner Abhauen der rechten Hand (ebenfalls mit Landesverweisung
verbunden). Hat der Delinquent eine "dürre" Hand, so soll eher diese als
die gesunde abgehauen werden, und ist er ohne eine zweite Hand, so soll auf
eine andre Leibesstrafe erkannt werden. Die Eidesfinger eines Meineidigen
sollen abgehauen und an den Pranger genagelt werden. Herausreißung der
Zunge durch den Nacken soll, da dies nicht ohne Lebensgefahr ausführbar
sei, nur bei "schwören Lastern" verhängt werden. Sonst soll man die Zunge
vor dem Munde abschneiden oder abhauen, was nicht mit Lebensgefahr ver¬
bunden sei. Strafschärfend kann auch auf Abschneiden der Ohren erkannt
werden. Die Verschickung auf die Galeere auf gewisse Zeit oder auf ewig wird
in diesem letzten Falle der Todesstrafe gleich geachtet, weil die auf die Galeere
geschickten "nit ein sondern tausend mal sterben wegen allerhand erleidender
Mühseligkeiten und LtraMsisri,". Dahin gehören auch die Verurteilungen zum
"schantzen in den Stadtgraben und andere öffentliche Arbeit mit Fußschellen zu
verrichten".

Als "Extraordinari"-Strafen sind gebräuchlich: Geldstrafe, Gefüncknus und
Landesverweisung. Armutshalber wird Geldstrafe in Keychen oder zeitliche
Landesverweisung umgewandelt. Die Geldstrafe kann bis zur völligen Ver¬
mögensentziehung ausgedehnt werden. Das Gefängnis (Kcychen) soll kein so
"abschäulicher Winkel sein, allwo die Kräfftcn verschmachten und das Leben in
Gefahr stehet". Die zeitliche Landesverweisung soll zehn Jahre nicht über¬
steigen. Vor Exequierung der Landesverweisung hat der Verurteilte in urkund¬
licher Form eidlich "Urphede" zu leisten, deren Verletzung ihn "als einen
meineidiger Urphedbrecher" strafbar macht. Kann der Urfehdeweigernde zur
Leistung weder durch Gefängnis noch durch schmale Kost gezwungen werden,
so soll der Gerichtsdiener die Urfehde in seine Seele schwören, ein Fall, in




Allerlei aus einem Htrafrechtskommentar der guten
alten Zeit
2

8^n Leibesstrafen, die in Deutschland gebräuchlich seien, werden auf¬
geführt: das Nutenaushauen, Staupenschlag (immer mit ewiger
Landesverweisung verbunden, es sei denn, daß man noch auf
i Besserung zu rechnen habe). Diese Strafe soll nicht durch die
I das Leben gefährdende Vergiftung der Unter geschärft werden.
Empfohlen wird, dem Nichtlandesverwiesnen einen Galgen auf den Rücken zu
brennen. Ferner Abhauen der rechten Hand (ebenfalls mit Landesverweisung
verbunden). Hat der Delinquent eine „dürre" Hand, so soll eher diese als
die gesunde abgehauen werden, und ist er ohne eine zweite Hand, so soll auf
eine andre Leibesstrafe erkannt werden. Die Eidesfinger eines Meineidigen
sollen abgehauen und an den Pranger genagelt werden. Herausreißung der
Zunge durch den Nacken soll, da dies nicht ohne Lebensgefahr ausführbar
sei, nur bei „schwören Lastern" verhängt werden. Sonst soll man die Zunge
vor dem Munde abschneiden oder abhauen, was nicht mit Lebensgefahr ver¬
bunden sei. Strafschärfend kann auch auf Abschneiden der Ohren erkannt
werden. Die Verschickung auf die Galeere auf gewisse Zeit oder auf ewig wird
in diesem letzten Falle der Todesstrafe gleich geachtet, weil die auf die Galeere
geschickten „nit ein sondern tausend mal sterben wegen allerhand erleidender
Mühseligkeiten und LtraMsisri,". Dahin gehören auch die Verurteilungen zum
„schantzen in den Stadtgraben und andere öffentliche Arbeit mit Fußschellen zu
verrichten".

Als „Extraordinari"-Strafen sind gebräuchlich: Geldstrafe, Gefüncknus und
Landesverweisung. Armutshalber wird Geldstrafe in Keychen oder zeitliche
Landesverweisung umgewandelt. Die Geldstrafe kann bis zur völligen Ver¬
mögensentziehung ausgedehnt werden. Das Gefängnis (Kcychen) soll kein so
„abschäulicher Winkel sein, allwo die Kräfftcn verschmachten und das Leben in
Gefahr stehet". Die zeitliche Landesverweisung soll zehn Jahre nicht über¬
steigen. Vor Exequierung der Landesverweisung hat der Verurteilte in urkund¬
licher Form eidlich „Urphede" zu leisten, deren Verletzung ihn „als einen
meineidiger Urphedbrecher" strafbar macht. Kann der Urfehdeweigernde zur
Leistung weder durch Gefängnis noch durch schmale Kost gezwungen werden,
so soll der Gerichtsdiener die Urfehde in seine Seele schwören, ein Fall, in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300189"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341883_299786/figures/grenzboten_341883_299786_300189_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Allerlei aus einem Htrafrechtskommentar der guten<lb/>
alten Zeit<lb/>
2 </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1488"> 8^n Leibesstrafen, die in Deutschland gebräuchlich seien, werden auf¬<lb/>
geführt: das Nutenaushauen, Staupenschlag (immer mit ewiger<lb/>
Landesverweisung verbunden, es sei denn, daß man noch auf<lb/>
i Besserung zu rechnen habe). Diese Strafe soll nicht durch die<lb/>
I das Leben gefährdende Vergiftung der Unter geschärft werden.<lb/>
Empfohlen wird, dem Nichtlandesverwiesnen einen Galgen auf den Rücken zu<lb/>
brennen. Ferner Abhauen der rechten Hand (ebenfalls mit Landesverweisung<lb/>
verbunden). Hat der Delinquent eine &#x201E;dürre" Hand, so soll eher diese als<lb/>
die gesunde abgehauen werden, und ist er ohne eine zweite Hand, so soll auf<lb/>
eine andre Leibesstrafe erkannt werden. Die Eidesfinger eines Meineidigen<lb/>
sollen abgehauen und an den Pranger genagelt werden. Herausreißung der<lb/>
Zunge durch den Nacken soll, da dies nicht ohne Lebensgefahr ausführbar<lb/>
sei, nur bei &#x201E;schwören Lastern" verhängt werden. Sonst soll man die Zunge<lb/>
vor dem Munde abschneiden oder abhauen, was nicht mit Lebensgefahr ver¬<lb/>
bunden sei. Strafschärfend kann auch auf Abschneiden der Ohren erkannt<lb/>
werden. Die Verschickung auf die Galeere auf gewisse Zeit oder auf ewig wird<lb/>
in diesem letzten Falle der Todesstrafe gleich geachtet, weil die auf die Galeere<lb/>
geschickten &#x201E;nit ein sondern tausend mal sterben wegen allerhand erleidender<lb/>
Mühseligkeiten und LtraMsisri,". Dahin gehören auch die Verurteilungen zum<lb/>
&#x201E;schantzen in den Stadtgraben und andere öffentliche Arbeit mit Fußschellen zu<lb/>
verrichten".</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1489" next="#ID_1490"> Als &#x201E;Extraordinari"-Strafen sind gebräuchlich: Geldstrafe, Gefüncknus und<lb/>
Landesverweisung. Armutshalber wird Geldstrafe in Keychen oder zeitliche<lb/>
Landesverweisung umgewandelt. Die Geldstrafe kann bis zur völligen Ver¬<lb/>
mögensentziehung ausgedehnt werden. Das Gefängnis (Kcychen) soll kein so<lb/>
&#x201E;abschäulicher Winkel sein, allwo die Kräfftcn verschmachten und das Leben in<lb/>
Gefahr stehet". Die zeitliche Landesverweisung soll zehn Jahre nicht über¬<lb/>
steigen. Vor Exequierung der Landesverweisung hat der Verurteilte in urkund¬<lb/>
licher Form eidlich &#x201E;Urphede" zu leisten, deren Verletzung ihn &#x201E;als einen<lb/>
meineidiger Urphedbrecher" strafbar macht. Kann der Urfehdeweigernde zur<lb/>
Leistung weder durch Gefängnis noch durch schmale Kost gezwungen werden,<lb/>
so soll der Gerichtsdiener die Urfehde in seine Seele schwören, ein Fall, in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0402] [Abbildung] Allerlei aus einem Htrafrechtskommentar der guten alten Zeit 2 8^n Leibesstrafen, die in Deutschland gebräuchlich seien, werden auf¬ geführt: das Nutenaushauen, Staupenschlag (immer mit ewiger Landesverweisung verbunden, es sei denn, daß man noch auf i Besserung zu rechnen habe). Diese Strafe soll nicht durch die I das Leben gefährdende Vergiftung der Unter geschärft werden. Empfohlen wird, dem Nichtlandesverwiesnen einen Galgen auf den Rücken zu brennen. Ferner Abhauen der rechten Hand (ebenfalls mit Landesverweisung verbunden). Hat der Delinquent eine „dürre" Hand, so soll eher diese als die gesunde abgehauen werden, und ist er ohne eine zweite Hand, so soll auf eine andre Leibesstrafe erkannt werden. Die Eidesfinger eines Meineidigen sollen abgehauen und an den Pranger genagelt werden. Herausreißung der Zunge durch den Nacken soll, da dies nicht ohne Lebensgefahr ausführbar sei, nur bei „schwören Lastern" verhängt werden. Sonst soll man die Zunge vor dem Munde abschneiden oder abhauen, was nicht mit Lebensgefahr ver¬ bunden sei. Strafschärfend kann auch auf Abschneiden der Ohren erkannt werden. Die Verschickung auf die Galeere auf gewisse Zeit oder auf ewig wird in diesem letzten Falle der Todesstrafe gleich geachtet, weil die auf die Galeere geschickten „nit ein sondern tausend mal sterben wegen allerhand erleidender Mühseligkeiten und LtraMsisri,". Dahin gehören auch die Verurteilungen zum „schantzen in den Stadtgraben und andere öffentliche Arbeit mit Fußschellen zu verrichten". Als „Extraordinari"-Strafen sind gebräuchlich: Geldstrafe, Gefüncknus und Landesverweisung. Armutshalber wird Geldstrafe in Keychen oder zeitliche Landesverweisung umgewandelt. Die Geldstrafe kann bis zur völligen Ver¬ mögensentziehung ausgedehnt werden. Das Gefängnis (Kcychen) soll kein so „abschäulicher Winkel sein, allwo die Kräfftcn verschmachten und das Leben in Gefahr stehet". Die zeitliche Landesverweisung soll zehn Jahre nicht über¬ steigen. Vor Exequierung der Landesverweisung hat der Verurteilte in urkund¬ licher Form eidlich „Urphede" zu leisten, deren Verletzung ihn „als einen meineidiger Urphedbrecher" strafbar macht. Kann der Urfehdeweigernde zur Leistung weder durch Gefängnis noch durch schmale Kost gezwungen werden, so soll der Gerichtsdiener die Urfehde in seine Seele schwören, ein Fall, in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/402
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/402>, abgerufen am 27.12.2024.