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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Entwicklung der Luftschiffahrt

lassen, ja er wird in den von Ballons getragnen lenkbarem Luftschiffer, die jetzt
das weitaus größere Interesse in Anspruch nehmen, vielfach ein gefährliches
Hindernis für die Verwirklichung des Flugprojekts sehen.

Schon bald nach der Erfindung des Luftballons tauchte die Idee auf, ihn
auch lenkbar zu macheu. Man erkannte anch, daß dieses nur dann möglich
wäre, wenn er eine Eigenbewegung hätte. Doch die Segel, die man zu diesem
Zweck anbrachte, nützten nichts, da sie samt dem Ballon von dem umgebenden
Luftstrom einfach fortgetragen wurden. Ebensowenig glückte der Versuch, die
Eigenbewegung durch Ruder oder Flügel zu bewirken, denn diesen setzte die
Luft viel zu wenig Widerstand entgegen. Da kam -- es sind jetzt schon hundert
Jahre her -- ein genialer Franzose, der Leutnant Meusniers, auf den Gedanken,
durch rotierende Luftschrauben die Ruder zu ersetzen- Um den Luftwiderstand
besser zu überwinden, schlug er für den Ballon eine eiförmige Gestalt vor, und
da auch er schon damals die schädlichen Folgen des Gasverlusts (siehe Drachen¬
ballon) erkannte, so wollte er im Gasraum eine Art Luftblase (das heutige
Ballonet) anbringen, die, je nach Bedarf gefüllt, dem Ballon seine pralle Form
erhalten sollte. Wir sehen da eigentlich schon das Luftschiff in seiner modernen
Gestalt. Nur weil es der damaligen Technik nicht möglich war, den zum Be¬
trieb der Schrauben nötigen Motor herzustellen, unterblieb die Ausführung des
genialen Gedankens. Und wegen der zu wenig entwickelten Motorindustrie
führten auch die anfänglich guten Erfolge des Luftschiffs Renard-Krebs in den
achtziger Jahren nur zu geringen Resultaten. Bei ruhiger Lust befriedigte die
Steuerung vollkommen, bei Wind jedoch genügte die geringe Eigenbewegung
von sechs Metern in der Sekunde nicht: der Ballon wurde von dem Luftstrom
einfach mit fortgeführt.

Im Vergleich zu den Flugmaschinen sind die Aussichten für den lenkbarem
Ballon von vornherein weit günstiger. Es fällt bei ihm zunächst schon die erste
Schwierigkeit völlig fort: das Emporheben in die Luft. Der Auftrieb, die
"Hubkraft" wird ja vom Gase bewirkt. Bei entsprechender Größe des Ballons
ist diese so bedeutend, daß man auch nicht so ängstlich auf das Gewicht des
Motors zu achten braucht. Es können also bei weitem leistungsfähigere Ma¬
schinen zum Vortrieb benutzt werden. Eine vergrößerte Eigenbewegung kommt
aber auch der Stabilität zugute, die ohnedies schon zu der der Flugmaschinen
in viel günstigeren Verhältnis steht. Und endlich kommt man dadurch der Lösung
der Steuerungsfrage wesentlich näher. Mit der Vergrößerung des Ballons, die
zum Emporheben der Mitfahrenden, des schweren Motors, des Ballasts usw.
unbedingt nötig ist, wächst aber nun auch der Luftwiderstand. Und andrerseits
sind die jetzt angewandten, sonst sehr leistungsfähigen Explosionsmotore eine
nicht zu unterschätzende Gefahr, denn sie können zur Entzündung des ihnen ver¬
hältnismäßig nahen Ballons führen.

Um den Luftwiderstand zu überwinden, hat man für den Ballon die ver¬
schiedenartigsten Formen in Anwendung gebracht. Santos Dumonts Luftschiff,


Die Entwicklung der Luftschiffahrt

lassen, ja er wird in den von Ballons getragnen lenkbarem Luftschiffer, die jetzt
das weitaus größere Interesse in Anspruch nehmen, vielfach ein gefährliches
Hindernis für die Verwirklichung des Flugprojekts sehen.

Schon bald nach der Erfindung des Luftballons tauchte die Idee auf, ihn
auch lenkbar zu macheu. Man erkannte anch, daß dieses nur dann möglich
wäre, wenn er eine Eigenbewegung hätte. Doch die Segel, die man zu diesem
Zweck anbrachte, nützten nichts, da sie samt dem Ballon von dem umgebenden
Luftstrom einfach fortgetragen wurden. Ebensowenig glückte der Versuch, die
Eigenbewegung durch Ruder oder Flügel zu bewirken, denn diesen setzte die
Luft viel zu wenig Widerstand entgegen. Da kam — es sind jetzt schon hundert
Jahre her — ein genialer Franzose, der Leutnant Meusniers, auf den Gedanken,
durch rotierende Luftschrauben die Ruder zu ersetzen- Um den Luftwiderstand
besser zu überwinden, schlug er für den Ballon eine eiförmige Gestalt vor, und
da auch er schon damals die schädlichen Folgen des Gasverlusts (siehe Drachen¬
ballon) erkannte, so wollte er im Gasraum eine Art Luftblase (das heutige
Ballonet) anbringen, die, je nach Bedarf gefüllt, dem Ballon seine pralle Form
erhalten sollte. Wir sehen da eigentlich schon das Luftschiff in seiner modernen
Gestalt. Nur weil es der damaligen Technik nicht möglich war, den zum Be¬
trieb der Schrauben nötigen Motor herzustellen, unterblieb die Ausführung des
genialen Gedankens. Und wegen der zu wenig entwickelten Motorindustrie
führten auch die anfänglich guten Erfolge des Luftschiffs Renard-Krebs in den
achtziger Jahren nur zu geringen Resultaten. Bei ruhiger Lust befriedigte die
Steuerung vollkommen, bei Wind jedoch genügte die geringe Eigenbewegung
von sechs Metern in der Sekunde nicht: der Ballon wurde von dem Luftstrom
einfach mit fortgeführt.

Im Vergleich zu den Flugmaschinen sind die Aussichten für den lenkbarem
Ballon von vornherein weit günstiger. Es fällt bei ihm zunächst schon die erste
Schwierigkeit völlig fort: das Emporheben in die Luft. Der Auftrieb, die
„Hubkraft" wird ja vom Gase bewirkt. Bei entsprechender Größe des Ballons
ist diese so bedeutend, daß man auch nicht so ängstlich auf das Gewicht des
Motors zu achten braucht. Es können also bei weitem leistungsfähigere Ma¬
schinen zum Vortrieb benutzt werden. Eine vergrößerte Eigenbewegung kommt
aber auch der Stabilität zugute, die ohnedies schon zu der der Flugmaschinen
in viel günstigeren Verhältnis steht. Und endlich kommt man dadurch der Lösung
der Steuerungsfrage wesentlich näher. Mit der Vergrößerung des Ballons, die
zum Emporheben der Mitfahrenden, des schweren Motors, des Ballasts usw.
unbedingt nötig ist, wächst aber nun auch der Luftwiderstand. Und andrerseits
sind die jetzt angewandten, sonst sehr leistungsfähigen Explosionsmotore eine
nicht zu unterschätzende Gefahr, denn sie können zur Entzündung des ihnen ver¬
hältnismäßig nahen Ballons führen.

Um den Luftwiderstand zu überwinden, hat man für den Ballon die ver¬
schiedenartigsten Formen in Anwendung gebracht. Santos Dumonts Luftschiff,


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[0323] Die Entwicklung der Luftschiffahrt lassen, ja er wird in den von Ballons getragnen lenkbarem Luftschiffer, die jetzt das weitaus größere Interesse in Anspruch nehmen, vielfach ein gefährliches Hindernis für die Verwirklichung des Flugprojekts sehen. Schon bald nach der Erfindung des Luftballons tauchte die Idee auf, ihn auch lenkbar zu macheu. Man erkannte anch, daß dieses nur dann möglich wäre, wenn er eine Eigenbewegung hätte. Doch die Segel, die man zu diesem Zweck anbrachte, nützten nichts, da sie samt dem Ballon von dem umgebenden Luftstrom einfach fortgetragen wurden. Ebensowenig glückte der Versuch, die Eigenbewegung durch Ruder oder Flügel zu bewirken, denn diesen setzte die Luft viel zu wenig Widerstand entgegen. Da kam — es sind jetzt schon hundert Jahre her — ein genialer Franzose, der Leutnant Meusniers, auf den Gedanken, durch rotierende Luftschrauben die Ruder zu ersetzen- Um den Luftwiderstand besser zu überwinden, schlug er für den Ballon eine eiförmige Gestalt vor, und da auch er schon damals die schädlichen Folgen des Gasverlusts (siehe Drachen¬ ballon) erkannte, so wollte er im Gasraum eine Art Luftblase (das heutige Ballonet) anbringen, die, je nach Bedarf gefüllt, dem Ballon seine pralle Form erhalten sollte. Wir sehen da eigentlich schon das Luftschiff in seiner modernen Gestalt. Nur weil es der damaligen Technik nicht möglich war, den zum Be¬ trieb der Schrauben nötigen Motor herzustellen, unterblieb die Ausführung des genialen Gedankens. Und wegen der zu wenig entwickelten Motorindustrie führten auch die anfänglich guten Erfolge des Luftschiffs Renard-Krebs in den achtziger Jahren nur zu geringen Resultaten. Bei ruhiger Lust befriedigte die Steuerung vollkommen, bei Wind jedoch genügte die geringe Eigenbewegung von sechs Metern in der Sekunde nicht: der Ballon wurde von dem Luftstrom einfach mit fortgeführt. Im Vergleich zu den Flugmaschinen sind die Aussichten für den lenkbarem Ballon von vornherein weit günstiger. Es fällt bei ihm zunächst schon die erste Schwierigkeit völlig fort: das Emporheben in die Luft. Der Auftrieb, die „Hubkraft" wird ja vom Gase bewirkt. Bei entsprechender Größe des Ballons ist diese so bedeutend, daß man auch nicht so ängstlich auf das Gewicht des Motors zu achten braucht. Es können also bei weitem leistungsfähigere Ma¬ schinen zum Vortrieb benutzt werden. Eine vergrößerte Eigenbewegung kommt aber auch der Stabilität zugute, die ohnedies schon zu der der Flugmaschinen in viel günstigeren Verhältnis steht. Und endlich kommt man dadurch der Lösung der Steuerungsfrage wesentlich näher. Mit der Vergrößerung des Ballons, die zum Emporheben der Mitfahrenden, des schweren Motors, des Ballasts usw. unbedingt nötig ist, wächst aber nun auch der Luftwiderstand. Und andrerseits sind die jetzt angewandten, sonst sehr leistungsfähigen Explosionsmotore eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn sie können zur Entzündung des ihnen ver¬ hältnismäßig nahen Ballons führen. Um den Luftwiderstand zu überwinden, hat man für den Ballon die ver¬ schiedenartigsten Formen in Anwendung gebracht. Santos Dumonts Luftschiff,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/323>, abgerufen am 28.12.2024.