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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

Wörter haimblich brumblet", soll man sich nachfolgender Mittel bedienen: "Vor-
nemblich solle man durch Geistliche Personen die Hexen und dergleichen Lenes
ernähren lassen, daß sie einsmals die Teufflische Pact von sich legen und ihr
Seel Seeligkeit befördern sollen, wann aber keine Geistliche Zusprechung erklecken
will, pflegt man die verdächtige Persohnen als die Hexen durch andere Weibs-
Persohnen, die Männer aber durch die Gerichtsdiener, aller und jeder Klaydungen
gantz Mutternackend auszuziehen, sodann mit neuer Begwändung (Gewandung)
an das Ort der Tortur zu führen, nur damit alle Teufflische, den Klayderen
und Unterhempt anhängende Ltiarg-Ltörsn und eingedruckte Spruch mit denen
alten Klaydern hintan genommen werden, wann aber dieses auch nicht erklecklich,
solle man alle Haar an ganzem Leib, auch in den haimblichen Orten gefunden"
entfernen, "nach deren Hinwecknehmung der lüonstiwt cilsobald zu bekennen an¬
gefangen". Andre raten, "daß man die etwa cmgewendte Salm und Ilnotion
mit warmen Wasser an den Leib deß Inquisiten abwaschen lasse. Ja, man
sollte wohl acht geben, daß man dem Lonstiwtkn von Brod, Kiechl und der¬
gleichen am Tage der Tortur zu Essen nit zukommen lasse, dann auff dergleichen
Speisen seynd manichsmal verschiedene Sachen eigewickleter gefunden worden."
"Bei denen Katholischen wird die Krafft deß Weihwassers, darin ein und andere
Tropffen von geweihten Wachskerzen gelassen worden, Item Geistliche Mittel
hochgelobt und nützlich gebraucht, es mögen hiergegen die Akatholischen schreiben,
was sie wollen." "Irdene aber ist selbigen billich beizufallen, daß man zu
Aufflesung dergleichen Stillschweigen keine Teufflische Gegenmittel und Aber¬
glauben brauchen solle, oder man solle auch denen Henckers-Knechten nit zu¬
lassen, daß sie zu diesem Ende etliche Suppen dem Lonstiwto außzutrinken
zurichten mögen. Item seind etliche, die gewisse Wort wehrender Tortur herunter-
brumlen, dise soll man irr machen, stets anfragen, und nit zulassen, daß sie die
Wort völlig herab murmblen mögen."

Das Geständnis, das zur Erleichterung des Gewissens dem Beichtvater
gegenüber abgelegt und von diesem nicht geheim gehalten worden ist, soll dem
Inquisiten unschädlich sein, weil es Gott und nicht den Menschen gemacht
worden sei.

An Strafen werden unterschieden: Lebens-, Leibes- und "willkürliche
öxäraoiäwMi-Straffen", unter den Lebensstrafen die des Schwertes (zu er¬
kennen: "daß N. N. mit dem Schwert vom Leben zum Tode gestraft werden
soll"), die des Henckens, die des Radbrechens oder Räderns "so in schwuren
Lastern zur Vermehrung der Schmertzen dienet, da rendues der Delinquent
mit vielen oder wenig Stössen von oben oder unten hinauf mit einem Rade
zerquätscht und förder öffentlich darauf gelegt wird" (zu erkennen, daß der
Delinquent "mit dem Rade durch Zerstossung seiner Glieder von unten
hinauff -- oder von oben herab -- vom Leben zum Tode gerichtet und förders
öffentlich darauf gelegt werden soll"). Das Radbrechen von unten hinauf ist
das schwerste, das von oben herab das untere. Als vierte Todesstrafe wird


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

Wörter haimblich brumblet", soll man sich nachfolgender Mittel bedienen: „Vor-
nemblich solle man durch Geistliche Personen die Hexen und dergleichen Lenes
ernähren lassen, daß sie einsmals die Teufflische Pact von sich legen und ihr
Seel Seeligkeit befördern sollen, wann aber keine Geistliche Zusprechung erklecken
will, pflegt man die verdächtige Persohnen als die Hexen durch andere Weibs-
Persohnen, die Männer aber durch die Gerichtsdiener, aller und jeder Klaydungen
gantz Mutternackend auszuziehen, sodann mit neuer Begwändung (Gewandung)
an das Ort der Tortur zu führen, nur damit alle Teufflische, den Klayderen
und Unterhempt anhängende Ltiarg-Ltörsn und eingedruckte Spruch mit denen
alten Klaydern hintan genommen werden, wann aber dieses auch nicht erklecklich,
solle man alle Haar an ganzem Leib, auch in den haimblichen Orten gefunden"
entfernen, „nach deren Hinwecknehmung der lüonstiwt cilsobald zu bekennen an¬
gefangen". Andre raten, „daß man die etwa cmgewendte Salm und Ilnotion
mit warmen Wasser an den Leib deß Inquisiten abwaschen lasse. Ja, man
sollte wohl acht geben, daß man dem Lonstiwtkn von Brod, Kiechl und der¬
gleichen am Tage der Tortur zu Essen nit zukommen lasse, dann auff dergleichen
Speisen seynd manichsmal verschiedene Sachen eigewickleter gefunden worden."
„Bei denen Katholischen wird die Krafft deß Weihwassers, darin ein und andere
Tropffen von geweihten Wachskerzen gelassen worden, Item Geistliche Mittel
hochgelobt und nützlich gebraucht, es mögen hiergegen die Akatholischen schreiben,
was sie wollen." „Irdene aber ist selbigen billich beizufallen, daß man zu
Aufflesung dergleichen Stillschweigen keine Teufflische Gegenmittel und Aber¬
glauben brauchen solle, oder man solle auch denen Henckers-Knechten nit zu¬
lassen, daß sie zu diesem Ende etliche Suppen dem Lonstiwto außzutrinken
zurichten mögen. Item seind etliche, die gewisse Wort wehrender Tortur herunter-
brumlen, dise soll man irr machen, stets anfragen, und nit zulassen, daß sie die
Wort völlig herab murmblen mögen."

Das Geständnis, das zur Erleichterung des Gewissens dem Beichtvater
gegenüber abgelegt und von diesem nicht geheim gehalten worden ist, soll dem
Inquisiten unschädlich sein, weil es Gott und nicht den Menschen gemacht
worden sei.

An Strafen werden unterschieden: Lebens-, Leibes- und „willkürliche
öxäraoiäwMi-Straffen", unter den Lebensstrafen die des Schwertes (zu er¬
kennen: „daß N. N. mit dem Schwert vom Leben zum Tode gestraft werden
soll"), die des Henckens, die des Radbrechens oder Räderns „so in schwuren
Lastern zur Vermehrung der Schmertzen dienet, da rendues der Delinquent
mit vielen oder wenig Stössen von oben oder unten hinauf mit einem Rade
zerquätscht und förder öffentlich darauf gelegt wird" (zu erkennen, daß der
Delinquent „mit dem Rade durch Zerstossung seiner Glieder von unten
hinauff — oder von oben herab — vom Leben zum Tode gerichtet und förders
öffentlich darauf gelegt werden soll"). Das Radbrechen von unten hinauf ist
das schwerste, das von oben herab das untere. Als vierte Todesstrafe wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/316>, abgerufen am 23.07.2024.