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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

lasse", die "Hag,88g,riou", d. h. das Schütteln des Strickes, an dem der Delinquent
hängt, wodurch sein Leib "bewögt und mit Schmertzen äußerst angefüllt" wird,
dazu als letzter Grad die Anhängung eines Gewichts an die Fuße des Delin¬
quenten, "wodurch der Leib nach ?roxortion der Größe und Schwäre des
Gewichts mercklich außgespannt, die Nersen angezogen und abgeblagt" werden.
Keinem Delinquenten soll eine so "scharpffe" Tortur zuerkannt werden, "wordurch
dessen Leib und Glieder gekrümbt, erlahmt und zur Arbeit untüchtig gemacht
werden, dann dieses haißt mehrers geschunden, als Rechtlicher Ordnung nach
torquirt". "Dannachero soll man sich jederzeit der gewöhnlichen Torturen be¬
dienen, als da seynd im Land Tyrol der Daumenstock, die kluege Schnuer,
wordurch die Händ nützt gleichsam aufs das Bain zusammen gebunden werden,
welcher Schmertzen nach Aussag der Gerichtsdiener einer unter den größten seyn
solle, also daß wer diesen erleiden mag, leichtlich die Erhöhung auch erdulden
könne. Drittens die Tortur mit dem San, da der Delinquent mit dem hinter¬
rücks gebundenen Händen, jeweilen auch zuhandt den Füssen, in die Höhe ge¬
zogen wird, und im Nothfall das San erschüttlet, oder Gewicht angehängt
werden. Das Tormentum mit dem Feuer, Durchsuchung der Nägel und was
noch mehr tyrannisch, hat dieser Landen keinen Platz, weilen dardurch der
menschliche Leib mehr verletzt als gepeiniget wird. Ingleichen das Tormentum
ViAilias, da dem Inquisiten kein schlaff zugelassen wird, nützt er bekennt, oder
wenigist auff zween oder drey Tag: wordurch ebenfalls dem menschlichen Leib
ein Todesgefährliche Peyn zugefügt wird. Die Marter der Ruthen soll sonderlich
bei dem Hexen-Geschmaiß glücklich gebraucht werden."

Der Herren- item Ritter- und Adel-Stand, vootorss und Licentiaten sollen
grundsätzlich mit der Tortur verschont bleiben, weil diese ein "ehrloses Weesen"
ist. Damit die zuerkannte Zeitdauer der Tortur eingehalten wird, soll man sich
bei ihrer Vornahme einer Sanduhr bedienen, die aber so aufgestellt werden muß,
daß der Delinquent sie nicht sehen kann.

Große Schwierigkeiten erwachsen der Ausführung der Tortur, durch die
doch nur die Wahrheit herausgebracht, aber keine Leibes-"Lähmigkeit" bewirkt
werden soll, dadurch, daß sich viele Delinquenten während der Marter zu ver¬
stellen verstehn, als ob sie ohnmächtig wären und dem Tode nahe seien, damit
die Folter vorzeitig beendet werde. Um dieser Täuschung zu begegnen, soll
man nötigenfalls Ärzte zuziehn. Oft sind Hexenkünste und teuflischer Zauber
W Spiel.

"Da ist dem Tausendkünstler nit zu vit, daß er durch gewisse, auch natür¬
liche Mittel, den Leib unempfindlich machen, die Salter unvermerklich nachlassen,
ichtvas verborgenes entzwischen stellen, und die Red verhalten möge." Ja er
kann "den vonstiwteii dergestalten entfärben auffbaumen und verstellen, daß
man vermaint, der vonLtitut sterbe Angesichts hiervon". Merkt der Richter,
.daß die Sach nit recht hergehe, indem der eonstiwt, die Marter gleichsam
verlachet, oder zu schlaffen anfanget, oder übernatürlich sich auffbcmmet, etwelche


Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit

lasse", die „Hag,88g,riou", d. h. das Schütteln des Strickes, an dem der Delinquent
hängt, wodurch sein Leib „bewögt und mit Schmertzen äußerst angefüllt" wird,
dazu als letzter Grad die Anhängung eines Gewichts an die Fuße des Delin¬
quenten, „wodurch der Leib nach ?roxortion der Größe und Schwäre des
Gewichts mercklich außgespannt, die Nersen angezogen und abgeblagt" werden.
Keinem Delinquenten soll eine so „scharpffe" Tortur zuerkannt werden, „wordurch
dessen Leib und Glieder gekrümbt, erlahmt und zur Arbeit untüchtig gemacht
werden, dann dieses haißt mehrers geschunden, als Rechtlicher Ordnung nach
torquirt". „Dannachero soll man sich jederzeit der gewöhnlichen Torturen be¬
dienen, als da seynd im Land Tyrol der Daumenstock, die kluege Schnuer,
wordurch die Händ nützt gleichsam aufs das Bain zusammen gebunden werden,
welcher Schmertzen nach Aussag der Gerichtsdiener einer unter den größten seyn
solle, also daß wer diesen erleiden mag, leichtlich die Erhöhung auch erdulden
könne. Drittens die Tortur mit dem San, da der Delinquent mit dem hinter¬
rücks gebundenen Händen, jeweilen auch zuhandt den Füssen, in die Höhe ge¬
zogen wird, und im Nothfall das San erschüttlet, oder Gewicht angehängt
werden. Das Tormentum mit dem Feuer, Durchsuchung der Nägel und was
noch mehr tyrannisch, hat dieser Landen keinen Platz, weilen dardurch der
menschliche Leib mehr verletzt als gepeiniget wird. Ingleichen das Tormentum
ViAilias, da dem Inquisiten kein schlaff zugelassen wird, nützt er bekennt, oder
wenigist auff zween oder drey Tag: wordurch ebenfalls dem menschlichen Leib
ein Todesgefährliche Peyn zugefügt wird. Die Marter der Ruthen soll sonderlich
bei dem Hexen-Geschmaiß glücklich gebraucht werden."

Der Herren- item Ritter- und Adel-Stand, vootorss und Licentiaten sollen
grundsätzlich mit der Tortur verschont bleiben, weil diese ein „ehrloses Weesen"
ist. Damit die zuerkannte Zeitdauer der Tortur eingehalten wird, soll man sich
bei ihrer Vornahme einer Sanduhr bedienen, die aber so aufgestellt werden muß,
daß der Delinquent sie nicht sehen kann.

Große Schwierigkeiten erwachsen der Ausführung der Tortur, durch die
doch nur die Wahrheit herausgebracht, aber keine Leibes-„Lähmigkeit" bewirkt
werden soll, dadurch, daß sich viele Delinquenten während der Marter zu ver¬
stellen verstehn, als ob sie ohnmächtig wären und dem Tode nahe seien, damit
die Folter vorzeitig beendet werde. Um dieser Täuschung zu begegnen, soll
man nötigenfalls Ärzte zuziehn. Oft sind Hexenkünste und teuflischer Zauber
W Spiel.

„Da ist dem Tausendkünstler nit zu vit, daß er durch gewisse, auch natür¬
liche Mittel, den Leib unempfindlich machen, die Salter unvermerklich nachlassen,
ichtvas verborgenes entzwischen stellen, und die Red verhalten möge." Ja er
kann „den vonstiwteii dergestalten entfärben auffbaumen und verstellen, daß
man vermaint, der vonLtitut sterbe Angesichts hiervon". Merkt der Richter,
.daß die Sach nit recht hergehe, indem der eonstiwt, die Marter gleichsam
verlachet, oder zu schlaffen anfanget, oder übernatürlich sich auffbcmmet, etwelche


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[0315] Allerlei aus einem Strafrechtskommentar der guten alten Zeit lasse", die „Hag,88g,riou", d. h. das Schütteln des Strickes, an dem der Delinquent hängt, wodurch sein Leib „bewögt und mit Schmertzen äußerst angefüllt" wird, dazu als letzter Grad die Anhängung eines Gewichts an die Fuße des Delin¬ quenten, „wodurch der Leib nach ?roxortion der Größe und Schwäre des Gewichts mercklich außgespannt, die Nersen angezogen und abgeblagt" werden. Keinem Delinquenten soll eine so „scharpffe" Tortur zuerkannt werden, „wordurch dessen Leib und Glieder gekrümbt, erlahmt und zur Arbeit untüchtig gemacht werden, dann dieses haißt mehrers geschunden, als Rechtlicher Ordnung nach torquirt". „Dannachero soll man sich jederzeit der gewöhnlichen Torturen be¬ dienen, als da seynd im Land Tyrol der Daumenstock, die kluege Schnuer, wordurch die Händ nützt gleichsam aufs das Bain zusammen gebunden werden, welcher Schmertzen nach Aussag der Gerichtsdiener einer unter den größten seyn solle, also daß wer diesen erleiden mag, leichtlich die Erhöhung auch erdulden könne. Drittens die Tortur mit dem San, da der Delinquent mit dem hinter¬ rücks gebundenen Händen, jeweilen auch zuhandt den Füssen, in die Höhe ge¬ zogen wird, und im Nothfall das San erschüttlet, oder Gewicht angehängt werden. Das Tormentum mit dem Feuer, Durchsuchung der Nägel und was noch mehr tyrannisch, hat dieser Landen keinen Platz, weilen dardurch der menschliche Leib mehr verletzt als gepeiniget wird. Ingleichen das Tormentum ViAilias, da dem Inquisiten kein schlaff zugelassen wird, nützt er bekennt, oder wenigist auff zween oder drey Tag: wordurch ebenfalls dem menschlichen Leib ein Todesgefährliche Peyn zugefügt wird. Die Marter der Ruthen soll sonderlich bei dem Hexen-Geschmaiß glücklich gebraucht werden." Der Herren- item Ritter- und Adel-Stand, vootorss und Licentiaten sollen grundsätzlich mit der Tortur verschont bleiben, weil diese ein „ehrloses Weesen" ist. Damit die zuerkannte Zeitdauer der Tortur eingehalten wird, soll man sich bei ihrer Vornahme einer Sanduhr bedienen, die aber so aufgestellt werden muß, daß der Delinquent sie nicht sehen kann. Große Schwierigkeiten erwachsen der Ausführung der Tortur, durch die doch nur die Wahrheit herausgebracht, aber keine Leibes-„Lähmigkeit" bewirkt werden soll, dadurch, daß sich viele Delinquenten während der Marter zu ver¬ stellen verstehn, als ob sie ohnmächtig wären und dem Tode nahe seien, damit die Folter vorzeitig beendet werde. Um dieser Täuschung zu begegnen, soll man nötigenfalls Ärzte zuziehn. Oft sind Hexenkünste und teuflischer Zauber W Spiel. „Da ist dem Tausendkünstler nit zu vit, daß er durch gewisse, auch natür¬ liche Mittel, den Leib unempfindlich machen, die Salter unvermerklich nachlassen, ichtvas verborgenes entzwischen stellen, und die Red verhalten möge." Ja er kann „den vonstiwteii dergestalten entfärben auffbaumen und verstellen, daß man vermaint, der vonLtitut sterbe Angesichts hiervon". Merkt der Richter, .daß die Sach nit recht hergehe, indem der eonstiwt, die Marter gleichsam verlachet, oder zu schlaffen anfanget, oder übernatürlich sich auffbcmmet, etwelche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/315>, abgerufen am 23.07.2024.