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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Über den Brenner

Tirol gehenden Waren; Heinrich machte sich besonders durch Verbesserung der
Brennerstraße zwischen Brixen und Bozen verdient. Nun entwickelte sich in den
wichtigsten Verkehrsstätten die bürgerliche Selbstverwaltung, Innsbruck erhielt
1239 Stadtrecht, Bozen 1286, Sterzing (bis dahin ein Dorf) am Ende des drei¬
zehnten Jahrhunderts, Meran 1317; Trient rang schon seit dem zwölften Jahr¬
hundert mit seinem Bischof um eine freie Stadtverfassung und erhielt eine solche
noch vor 1275; doch stammt die älteste Aufzeichnung des Stadtrechts erst aus
dem Jahre 1363 (der deutsche Text ist aber eine Übersetzung, nicht das Original),
Kaum waren die Städte selbständige Gemeinden geworden, so hüteten sie auch
eifersüchtig ihre Stapelrechte, die ihnen das Vorkaufsrecht bei allen durchgehenden
und eine bestimmte Zeit in ihren Mauern lagernden Waren sicherten, und nicht
minder die Einhaltung der durch sie führenden Straßen, So erwirkte Bozen
von Karl dem Vierten das Verbot einer Nebenstraße aus dem Vintschgau, die
mit Umgehung dieser Stadt von Meran her über Eppan und Traum führte.
Auch die Habsburger, seit 1363 Herren Tirols, sorgten eifrig für Straßenver¬
besserung und Verkehrssicherheit. Die Herzöge Friedrich und Ernst versprachen
1410 den schwäbischen Reichsstädten sicheres Geleit durch Tirol, 1425 wurde
durch einen Vertrag mit Bayern die Grundruhr auf dem Jnn (eine Art Strand¬
recht) aufgehoben, unter Herzog Sigismund (geht, 1496) geschah vieles zum
Ausbau der Brennerstraße.

Die Römerzuge waren freilich längst zu Ende. Noch überschritt Ludwig
der Bayer im zeitigen Frühjahr 1327 den Brenner, aber das war der letzte
Römerzug alten Stils, und der letzte deutsche König, der überhaupt den Paß
überschritt, um sich die deutsche Kaiserkrone zu holen, war Maximilian der Erste
1508, aber er kam nur bis Trient. Als Karl der Fünfte im Jahre 1530 von
Italien her über den Brenner nach Augsburg zog, war er schon (in Bologna)
zum Kaiser gekrönt. Statt dessen wuchs der Handelsverkehr und erreichte um
1500 seine glänzendste Höhe. Damals (1505) wurde der Fondaeo dei Tedeschi
in Venedig nach einem Brande in erweiterter und prächtiger Gestalt erneuert,
und zugleich wuchs der Geldverkehr Deutschlands mit Rom, da es am meisten
zu regelmäßigen und außerordentlichen Leistungen der Kirchen wie des Volks
(dnrch Ablässe) an die päpstliche Kammer herangezogen wurde. Jene Abgaben
(Annalen u. tgi,) mußten, auch wenn sie teilweise aus Naturalien bestanden,
des Transports wegen in Geld umgesetzt werden. Diesen übernahmen Kaufleute,
die mit den nordischen Ländern zu tun hatten, anfangs die Florentiner, später
die Fugger von Augsburg, die schon 1471 in Rom auftraten, seit 1495 eine
Bank dort hatten, weil sie ihr tirolisches Silber gern an die päpstliche Münze
absetzten, die sie einige Jahre (etwa von 1509 bis 1515) sogar in Pacht hatten.
Bald trat an die Stelle des umständlichen und gefährlichen Metalltransports der
Wechselverkehr, und ein umfängliches Anleihegeschüft kam hinzu. Auch italienische
Prälaten zogen nicht selten nach dem Norden, so im Ma 1517 der Kardinal
Ludwig von Aragon im Auftrage Leos des Zehnten, der dabei von Verona bis


Über den Brenner

Tirol gehenden Waren; Heinrich machte sich besonders durch Verbesserung der
Brennerstraße zwischen Brixen und Bozen verdient. Nun entwickelte sich in den
wichtigsten Verkehrsstätten die bürgerliche Selbstverwaltung, Innsbruck erhielt
1239 Stadtrecht, Bozen 1286, Sterzing (bis dahin ein Dorf) am Ende des drei¬
zehnten Jahrhunderts, Meran 1317; Trient rang schon seit dem zwölften Jahr¬
hundert mit seinem Bischof um eine freie Stadtverfassung und erhielt eine solche
noch vor 1275; doch stammt die älteste Aufzeichnung des Stadtrechts erst aus
dem Jahre 1363 (der deutsche Text ist aber eine Übersetzung, nicht das Original),
Kaum waren die Städte selbständige Gemeinden geworden, so hüteten sie auch
eifersüchtig ihre Stapelrechte, die ihnen das Vorkaufsrecht bei allen durchgehenden
und eine bestimmte Zeit in ihren Mauern lagernden Waren sicherten, und nicht
minder die Einhaltung der durch sie führenden Straßen, So erwirkte Bozen
von Karl dem Vierten das Verbot einer Nebenstraße aus dem Vintschgau, die
mit Umgehung dieser Stadt von Meran her über Eppan und Traum führte.
Auch die Habsburger, seit 1363 Herren Tirols, sorgten eifrig für Straßenver¬
besserung und Verkehrssicherheit. Die Herzöge Friedrich und Ernst versprachen
1410 den schwäbischen Reichsstädten sicheres Geleit durch Tirol, 1425 wurde
durch einen Vertrag mit Bayern die Grundruhr auf dem Jnn (eine Art Strand¬
recht) aufgehoben, unter Herzog Sigismund (geht, 1496) geschah vieles zum
Ausbau der Brennerstraße.

Die Römerzuge waren freilich längst zu Ende. Noch überschritt Ludwig
der Bayer im zeitigen Frühjahr 1327 den Brenner, aber das war der letzte
Römerzug alten Stils, und der letzte deutsche König, der überhaupt den Paß
überschritt, um sich die deutsche Kaiserkrone zu holen, war Maximilian der Erste
1508, aber er kam nur bis Trient. Als Karl der Fünfte im Jahre 1530 von
Italien her über den Brenner nach Augsburg zog, war er schon (in Bologna)
zum Kaiser gekrönt. Statt dessen wuchs der Handelsverkehr und erreichte um
1500 seine glänzendste Höhe. Damals (1505) wurde der Fondaeo dei Tedeschi
in Venedig nach einem Brande in erweiterter und prächtiger Gestalt erneuert,
und zugleich wuchs der Geldverkehr Deutschlands mit Rom, da es am meisten
zu regelmäßigen und außerordentlichen Leistungen der Kirchen wie des Volks
(dnrch Ablässe) an die päpstliche Kammer herangezogen wurde. Jene Abgaben
(Annalen u. tgi,) mußten, auch wenn sie teilweise aus Naturalien bestanden,
des Transports wegen in Geld umgesetzt werden. Diesen übernahmen Kaufleute,
die mit den nordischen Ländern zu tun hatten, anfangs die Florentiner, später
die Fugger von Augsburg, die schon 1471 in Rom auftraten, seit 1495 eine
Bank dort hatten, weil sie ihr tirolisches Silber gern an die päpstliche Münze
absetzten, die sie einige Jahre (etwa von 1509 bis 1515) sogar in Pacht hatten.
Bald trat an die Stelle des umständlichen und gefährlichen Metalltransports der
Wechselverkehr, und ein umfängliches Anleihegeschüft kam hinzu. Auch italienische
Prälaten zogen nicht selten nach dem Norden, so im Ma 1517 der Kardinal
Ludwig von Aragon im Auftrage Leos des Zehnten, der dabei von Verona bis


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/20>, abgerufen am 23.07.2024.