Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Der Bopparder Krieg auch gefreut. Bloß nachher, am Abend, da ist sie traurig worden, weil sie den Über die Zuge Johanns glitt ein Lächeln. Mit deiner Schwester hab ich noch ein Hühnlein zu rupfen, sagte er. Die Ist die Gin nicht brav gewesen, Herr Kurfürst? fragte Peterlein. Gar nicht brav, Büblein. Aber das Rindvieh soll ihr noch eingetränkt werden. Hat sie Euch ein Rindvieh genannt? Genannt gerade nicht, wenigstens nicht mit Worten, antwortete der Kurfürst, Machts gelind mit der Gin, Herr Kurfürst, sie ist ja nur ein Weibsbild! Dann trottete er, sein Banner schwenkend, davon. Kurz vor Mittag war die Huldigung zu Ende, und die Herren zogen sich in Die Frühbirnen und die Kirschen waren freilich verschwunden, und hie und da Als Meister Metzler den letzten der mit Kisten und Kasten beladnen Wagen Der Bopparder Krieg auch gefreut. Bloß nachher, am Abend, da ist sie traurig worden, weil sie den Über die Zuge Johanns glitt ein Lächeln. Mit deiner Schwester hab ich noch ein Hühnlein zu rupfen, sagte er. Die Ist die Gin nicht brav gewesen, Herr Kurfürst? fragte Peterlein. Gar nicht brav, Büblein. Aber das Rindvieh soll ihr noch eingetränkt werden. Hat sie Euch ein Rindvieh genannt? Genannt gerade nicht, wenigstens nicht mit Worten, antwortete der Kurfürst, Machts gelind mit der Gin, Herr Kurfürst, sie ist ja nur ein Weibsbild! Dann trottete er, sein Banner schwenkend, davon. Kurz vor Mittag war die Huldigung zu Ende, und die Herren zogen sich in Die Frühbirnen und die Kirschen waren freilich verschwunden, und hie und da Als Meister Metzler den letzten der mit Kisten und Kasten beladnen Wagen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/299957"/> <fw type="header" place="top"> Der Bopparder Krieg</fw><lb/> <p xml:id="ID_596" prev="#ID_595"> auch gefreut. Bloß nachher, am Abend, da ist sie traurig worden, weil sie den<lb/> Wygant wieder hat hergeben müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_597"> Über die Zuge Johanns glitt ein Lächeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_598"> Mit deiner Schwester hab ich noch ein Hühnlein zu rupfen, sagte er. Die<lb/> mag sich vorsehn, wenn sie auf den Abend in die Burg kommt.</p><lb/> <p xml:id="ID_599"> Ist die Gin nicht brav gewesen, Herr Kurfürst? fragte Peterlein.</p><lb/> <p xml:id="ID_600"> Gar nicht brav, Büblein. Aber das Rindvieh soll ihr noch eingetränkt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_601"> Hat sie Euch ein Rindvieh genannt?</p><lb/> <p xml:id="ID_602"> Genannt gerade nicht, wenigstens nicht mit Worten, antwortete der Kurfürst,<lb/> dem die unerwartete Wendung der Unterhaltung unbehaglich wurde. Er ließ das<lb/> Kind von seinem Knie hinabgleiten und schob es sanft vorwärts. Aber der kleine<lb/> Peter drehte sich noch einmal um, nickte dem Gewaltigen zu und bat:</p><lb/> <p xml:id="ID_603"> Machts gelind mit der Gin, Herr Kurfürst, sie ist ja nur ein Weibsbild!</p><lb/> <p xml:id="ID_604"> Dann trottete er, sein Banner schwenkend, davon.</p><lb/> <p xml:id="ID_605"> Kurz vor Mittag war die Huldigung zu Ende, und die Herren zogen sich in<lb/> die Burg zurück, wo den Fürsten und den Grafen, die Zeugen des Vorgangs ge¬<lb/> wesen waren, und deren reisige Knechte zum Abmarsch bereit vor den Stadttoren<lb/> lagen, eine Abschiedskollation gereicht wurde. Um diese Zeit verließen auch die<lb/> Damen des adlichen Jungfernstifts die Stadt und kehrten mit ihrer ganzen fahrenden<lb/> Habe in das hohe Kloster zurück. Es drängte die Äbtissin, sich davon zu über¬<lb/> zeugen, daß den Gebäuden und namentlich dem Garten kein ernstlicher Schade wider¬<lb/> fahren sei. Und zu ihrer Freude fand sie alles noch in bester Ordnung; nur die<lb/> Wiesen, wo die Zelte gestanden hatten, und die Schanzen aufgeworfen worden waren,<lb/> zeugten von den Ereignissen der letzten Woche. Aber die Brustwehren konnten<lb/> niedergerissen, die Gräben ausgefüllt werden, und im nächsten Frühling mußte jede<lb/> Spur des gewaltsamen Eingriffs in den klösterlichen Frieden verwischt sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_606"> Die Frühbirnen und die Kirschen waren freilich verschwunden, und hie und da<lb/> hatten rohe Hände auch ein Zweiglein mit abgerissen, aber die Bäume standen noch<lb/> unversehrt und schienen gar nicht darüber zu trauern, daß man sie von ihrer Last<lb/> befreit hatte. Das Würzgärtlein dagegen schien kein fremder Fuß betreten zu haben,<lb/> die Rosen und die Lilien blühten reicher als je, und Salbei und Minze, Liebstöckel<lb/> und Raute, Bockshornklee und Rosmarin dufteten, als ob sie auf ihre Weise die<lb/> heimgekehrte Pflegerin hätten grüßen wollen. Die Domina verstand auch die Sprache<lb/> ihrer Pflanzenkinder, sie bückte sich zu jedem einzelnen Kräutlein hinab, ließ die<lb/> würzigen Blättlein durch ihre Finger gleiten und sog den Duft, den sie daran<lb/> zurückließen, begierig ein. Dazwischen reutete sie das Unkraut, das ihre Abwesenheit<lb/> dazu benutzt hatte, sich breit zu machen, schöpfte aus dem Börne, der den Garten<lb/> durchrieselte, Wasser und erquickte die dürstenden Pflanzen mit einem frischen Trunk.<lb/> Von den Rosen und den Lilien aber pflückte sie sich einen tüchtigen Strauß und<lb/> stellte ihn in ein steinernes Krüglein auf dem Kaminsims ihres Gemaches. Und<lb/> dann wandte sie sich ihren Pflichten als Regentin und Hausmutter zu und über¬<lb/> wachte die geschäftigen Laienschwestern und Mägde, die mit Eimern, Besen und<lb/> Räucherpfannen den letzten Hauch des männlich-kriegerischen Geistes aus den jung¬<lb/> fräulichen Räumen zu vertreiben bemüht waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_607"> Als Meister Metzler den letzten der mit Kisten und Kasten beladnen Wagen<lb/> auf das hohe Kloster geleitet hatte und nun in den Rebenstock zurückkehrte, fand er<lb/> Frau und Tochter schon festlich gekleidet und geschmückt. Dem Mädchen war freilich<lb/> etwas bänglich zumute, denn der kleine Peter, dem seine Huldigung daheim eine<lb/> Tracht Prügel eingetragen hatte, war in dem Bestreben, seinen Kummer mit irgend<lb/> jemand zu teilen, nicht davor zurückgeschreckt, das Hühnlein, das der Kurfürst mit<lb/> Regina zu rupfen versprochen hatte, in ein sehr gewichtiges Huhn zu verwandeln.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Der Bopparder Krieg
auch gefreut. Bloß nachher, am Abend, da ist sie traurig worden, weil sie den
Wygant wieder hat hergeben müssen.
Über die Zuge Johanns glitt ein Lächeln.
Mit deiner Schwester hab ich noch ein Hühnlein zu rupfen, sagte er. Die
mag sich vorsehn, wenn sie auf den Abend in die Burg kommt.
Ist die Gin nicht brav gewesen, Herr Kurfürst? fragte Peterlein.
Gar nicht brav, Büblein. Aber das Rindvieh soll ihr noch eingetränkt werden.
Hat sie Euch ein Rindvieh genannt?
Genannt gerade nicht, wenigstens nicht mit Worten, antwortete der Kurfürst,
dem die unerwartete Wendung der Unterhaltung unbehaglich wurde. Er ließ das
Kind von seinem Knie hinabgleiten und schob es sanft vorwärts. Aber der kleine
Peter drehte sich noch einmal um, nickte dem Gewaltigen zu und bat:
Machts gelind mit der Gin, Herr Kurfürst, sie ist ja nur ein Weibsbild!
Dann trottete er, sein Banner schwenkend, davon.
Kurz vor Mittag war die Huldigung zu Ende, und die Herren zogen sich in
die Burg zurück, wo den Fürsten und den Grafen, die Zeugen des Vorgangs ge¬
wesen waren, und deren reisige Knechte zum Abmarsch bereit vor den Stadttoren
lagen, eine Abschiedskollation gereicht wurde. Um diese Zeit verließen auch die
Damen des adlichen Jungfernstifts die Stadt und kehrten mit ihrer ganzen fahrenden
Habe in das hohe Kloster zurück. Es drängte die Äbtissin, sich davon zu über¬
zeugen, daß den Gebäuden und namentlich dem Garten kein ernstlicher Schade wider¬
fahren sei. Und zu ihrer Freude fand sie alles noch in bester Ordnung; nur die
Wiesen, wo die Zelte gestanden hatten, und die Schanzen aufgeworfen worden waren,
zeugten von den Ereignissen der letzten Woche. Aber die Brustwehren konnten
niedergerissen, die Gräben ausgefüllt werden, und im nächsten Frühling mußte jede
Spur des gewaltsamen Eingriffs in den klösterlichen Frieden verwischt sein.
Die Frühbirnen und die Kirschen waren freilich verschwunden, und hie und da
hatten rohe Hände auch ein Zweiglein mit abgerissen, aber die Bäume standen noch
unversehrt und schienen gar nicht darüber zu trauern, daß man sie von ihrer Last
befreit hatte. Das Würzgärtlein dagegen schien kein fremder Fuß betreten zu haben,
die Rosen und die Lilien blühten reicher als je, und Salbei und Minze, Liebstöckel
und Raute, Bockshornklee und Rosmarin dufteten, als ob sie auf ihre Weise die
heimgekehrte Pflegerin hätten grüßen wollen. Die Domina verstand auch die Sprache
ihrer Pflanzenkinder, sie bückte sich zu jedem einzelnen Kräutlein hinab, ließ die
würzigen Blättlein durch ihre Finger gleiten und sog den Duft, den sie daran
zurückließen, begierig ein. Dazwischen reutete sie das Unkraut, das ihre Abwesenheit
dazu benutzt hatte, sich breit zu machen, schöpfte aus dem Börne, der den Garten
durchrieselte, Wasser und erquickte die dürstenden Pflanzen mit einem frischen Trunk.
Von den Rosen und den Lilien aber pflückte sie sich einen tüchtigen Strauß und
stellte ihn in ein steinernes Krüglein auf dem Kaminsims ihres Gemaches. Und
dann wandte sie sich ihren Pflichten als Regentin und Hausmutter zu und über¬
wachte die geschäftigen Laienschwestern und Mägde, die mit Eimern, Besen und
Räucherpfannen den letzten Hauch des männlich-kriegerischen Geistes aus den jung¬
fräulichen Räumen zu vertreiben bemüht waren.
Als Meister Metzler den letzten der mit Kisten und Kasten beladnen Wagen
auf das hohe Kloster geleitet hatte und nun in den Rebenstock zurückkehrte, fand er
Frau und Tochter schon festlich gekleidet und geschmückt. Dem Mädchen war freilich
etwas bänglich zumute, denn der kleine Peter, dem seine Huldigung daheim eine
Tracht Prügel eingetragen hatte, war in dem Bestreben, seinen Kummer mit irgend
jemand zu teilen, nicht davor zurückgeschreckt, das Hühnlein, das der Kurfürst mit
Regina zu rupfen versprochen hatte, in ein sehr gewichtiges Huhn zu verwandeln.
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