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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.

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Die Reformen im Kongostaat

Flußtransporte auf der ganzen Strecke des schiffbaren Kvngos, seiner Zuflüsse
und der Flußstrecken, die stromaufwärts von den Stromschnellen liegen, die
Eröffnung von Straßen für Wagen und für Automobile, endlich die Schaffung
von vielen Eisenbahnlinien. Für die Zukunft wird ein Eisenbahnnetz vor¬
geschlagen, das das ganze obere Kongogebiet umfaßt, und dessen Entwurf eine
Weite des Blicks und ein Selbstvertrauen beweist, die jedenfalls anerkannt
werden müssen.

Ein andrer interessanter Abschnitt desselben Berichts behandelt die Justiz¬
organisation. Der ungenügende Zustand der kongolesischen Justiz ist immer
wieder behauptet worden. Auf diesen Vorwurf antwortet die Kongoregieruug
ebenfalls mit Tatsachen: Das Justizpersonal umfaßt jetzt schon vierzehn rechts¬
gelehrte Richter, abgesehen von den Hilfsrichtern und den Subalternbeamten;
außer den Territorialgerichten in den einzelnen Distrikten gibt es fünf Gerichte
erster Instanz, von denen vier in dem obern Kongogebiet ihren Sitz haben.
Wenn die Anzahl der Richter nicht größer ist, so hängt das von einem Umstand
ab, der außerhalb des Willens der Regierung liegt: die Rekrutierung des
Nichterpersonals ist außerordentlich schwierig, obgleich das kongolesische Justiz¬
budget unbegrenzt ist.

Wenn man sich eine Meinung über die Bedeutung der neuen Maßnahmen
bilden will, muß man diese mit dem Bericht der Untersuchungskommission ver¬
gleichen, worin einerseits Reformen vorgeschlagen wurden, die als dringend
bezeichnet und sofort durchgeführt werden sollten, andrerseits Reformen, die
im Verhältnis zu der Steigerung der Budgeteinnahmen eingeführt werden
sollten. So heißt es auf Seite 283 des Untersuchungsberichts über die
dringenden Reformen: Nous g>von8 su vus, uMwinöilt, l'intörxiswtion se
l'gxxlivgtion 1grZs8 se 1idsrg.Is8 as8 lois sur 1s rs^iins tonoisr, l'g.xMeÄtiou
sösstivs als ig. loi limitgirt g. Hug.rg.reth llsurss xgr roois les xro8eg.ti0U8 su
er.log.it, la Zupprössicm ein 8vstsiQS <Zs8 8srckivsI1s8, as8 psrmis as xort ä'g.rins8
xour <zg.pitg.s, 1s rstrait an äroit as 00irtrg,iirts8 gux 8ssist68 "oiiiM6rc.ig.Is8, Is,
rsAlsmslit,gli0N8 ass sxr)säition8 mi1itgirs8 se 1'gkK'Me.IÜ88fahret an pg.ra.use as
ig, tutslls gclministrgtivö.

Eine aufnierksame Prüfung der neuen Dekrete ergibt das Resultat, daß
alle als dringend von der Kommission bezeichneten Reformen jetzt ausgeführt
worden sind.

Ein Dekret interpretiert in sehr liberaler Weise die Bedeutung, die der
Begriff tsrrs8 vo<zuxs68 xgr 1s8 wäiZsns8 nach den geltenden Gesetzen haben
soll, indem darunter alle Ländereien verstanden werden sollen, die die Einge-
bornen entsprechend den Gewohnheiten oder lokalen Usancen in irgendeiner
Weise bewohnen, bebauen oder ausbeuten. Um für die Eingebornen die Folgen
einer etwaigen ungünstigen tatsächlichen Lage zu vermeiden, bestimmt das Dekret
außerdem, daß jeder Ortschaft mindestens die dreifache Fläche der von den dort
Ansässigen bewohnten und bebauten Lündereien zugewiesen werden soll, wie


Die Reformen im Kongostaat

Flußtransporte auf der ganzen Strecke des schiffbaren Kvngos, seiner Zuflüsse
und der Flußstrecken, die stromaufwärts von den Stromschnellen liegen, die
Eröffnung von Straßen für Wagen und für Automobile, endlich die Schaffung
von vielen Eisenbahnlinien. Für die Zukunft wird ein Eisenbahnnetz vor¬
geschlagen, das das ganze obere Kongogebiet umfaßt, und dessen Entwurf eine
Weite des Blicks und ein Selbstvertrauen beweist, die jedenfalls anerkannt
werden müssen.

Ein andrer interessanter Abschnitt desselben Berichts behandelt die Justiz¬
organisation. Der ungenügende Zustand der kongolesischen Justiz ist immer
wieder behauptet worden. Auf diesen Vorwurf antwortet die Kongoregieruug
ebenfalls mit Tatsachen: Das Justizpersonal umfaßt jetzt schon vierzehn rechts¬
gelehrte Richter, abgesehen von den Hilfsrichtern und den Subalternbeamten;
außer den Territorialgerichten in den einzelnen Distrikten gibt es fünf Gerichte
erster Instanz, von denen vier in dem obern Kongogebiet ihren Sitz haben.
Wenn die Anzahl der Richter nicht größer ist, so hängt das von einem Umstand
ab, der außerhalb des Willens der Regierung liegt: die Rekrutierung des
Nichterpersonals ist außerordentlich schwierig, obgleich das kongolesische Justiz¬
budget unbegrenzt ist.

Wenn man sich eine Meinung über die Bedeutung der neuen Maßnahmen
bilden will, muß man diese mit dem Bericht der Untersuchungskommission ver¬
gleichen, worin einerseits Reformen vorgeschlagen wurden, die als dringend
bezeichnet und sofort durchgeführt werden sollten, andrerseits Reformen, die
im Verhältnis zu der Steigerung der Budgeteinnahmen eingeführt werden
sollten. So heißt es auf Seite 283 des Untersuchungsberichts über die
dringenden Reformen: Nous g>von8 su vus, uMwinöilt, l'intörxiswtion se
l'gxxlivgtion 1grZs8 se 1idsrg.Is8 as8 lois sur 1s rs^iins tonoisr, l'g.xMeÄtiou
sösstivs als ig. loi limitgirt g. Hug.rg.reth llsurss xgr roois les xro8eg.ti0U8 su
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Eine aufnierksame Prüfung der neuen Dekrete ergibt das Resultat, daß
alle als dringend von der Kommission bezeichneten Reformen jetzt ausgeführt
worden sind.

Ein Dekret interpretiert in sehr liberaler Weise die Bedeutung, die der
Begriff tsrrs8 vo<zuxs68 xgr 1s8 wäiZsns8 nach den geltenden Gesetzen haben
soll, indem darunter alle Ländereien verstanden werden sollen, die die Einge-
bornen entsprechend den Gewohnheiten oder lokalen Usancen in irgendeiner
Weise bewohnen, bebauen oder ausbeuten. Um für die Eingebornen die Folgen
einer etwaigen ungünstigen tatsächlichen Lage zu vermeiden, bestimmt das Dekret
außerdem, daß jeder Ortschaft mindestens die dreifache Fläche der von den dort
Ansässigen bewohnten und bebauten Lündereien zugewiesen werden soll, wie


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[0127] Die Reformen im Kongostaat Flußtransporte auf der ganzen Strecke des schiffbaren Kvngos, seiner Zuflüsse und der Flußstrecken, die stromaufwärts von den Stromschnellen liegen, die Eröffnung von Straßen für Wagen und für Automobile, endlich die Schaffung von vielen Eisenbahnlinien. Für die Zukunft wird ein Eisenbahnnetz vor¬ geschlagen, das das ganze obere Kongogebiet umfaßt, und dessen Entwurf eine Weite des Blicks und ein Selbstvertrauen beweist, die jedenfalls anerkannt werden müssen. Ein andrer interessanter Abschnitt desselben Berichts behandelt die Justiz¬ organisation. Der ungenügende Zustand der kongolesischen Justiz ist immer wieder behauptet worden. Auf diesen Vorwurf antwortet die Kongoregieruug ebenfalls mit Tatsachen: Das Justizpersonal umfaßt jetzt schon vierzehn rechts¬ gelehrte Richter, abgesehen von den Hilfsrichtern und den Subalternbeamten; außer den Territorialgerichten in den einzelnen Distrikten gibt es fünf Gerichte erster Instanz, von denen vier in dem obern Kongogebiet ihren Sitz haben. Wenn die Anzahl der Richter nicht größer ist, so hängt das von einem Umstand ab, der außerhalb des Willens der Regierung liegt: die Rekrutierung des Nichterpersonals ist außerordentlich schwierig, obgleich das kongolesische Justiz¬ budget unbegrenzt ist. Wenn man sich eine Meinung über die Bedeutung der neuen Maßnahmen bilden will, muß man diese mit dem Bericht der Untersuchungskommission ver¬ gleichen, worin einerseits Reformen vorgeschlagen wurden, die als dringend bezeichnet und sofort durchgeführt werden sollten, andrerseits Reformen, die im Verhältnis zu der Steigerung der Budgeteinnahmen eingeführt werden sollten. So heißt es auf Seite 283 des Untersuchungsberichts über die dringenden Reformen: Nous g>von8 su vus, uMwinöilt, l'intörxiswtion se l'gxxlivgtion 1grZs8 se 1idsrg.Is8 as8 lois sur 1s rs^iins tonoisr, l'g.xMeÄtiou sösstivs als ig. loi limitgirt g. Hug.rg.reth llsurss xgr roois les xro8eg.ti0U8 su er.log.it, la Zupprössicm ein 8vstsiQS <Zs8 8srckivsI1s8, as8 psrmis as xort ä'g.rins8 xour <zg.pitg.s, 1s rstrait an äroit as 00irtrg,iirts8 gux 8ssist68 «oiiiM6rc.ig.Is8, Is, rsAlsmslit,gli0N8 ass sxr)säition8 mi1itgirs8 se 1'gkK'Me.IÜ88fahret an pg.ra.use as ig, tutslls gclministrgtivö. Eine aufnierksame Prüfung der neuen Dekrete ergibt das Resultat, daß alle als dringend von der Kommission bezeichneten Reformen jetzt ausgeführt worden sind. Ein Dekret interpretiert in sehr liberaler Weise die Bedeutung, die der Begriff tsrrs8 vo<zuxs68 xgr 1s8 wäiZsns8 nach den geltenden Gesetzen haben soll, indem darunter alle Ländereien verstanden werden sollen, die die Einge- bornen entsprechend den Gewohnheiten oder lokalen Usancen in irgendeiner Weise bewohnen, bebauen oder ausbeuten. Um für die Eingebornen die Folgen einer etwaigen ungünstigen tatsächlichen Lage zu vermeiden, bestimmt das Dekret außerdem, daß jeder Ortschaft mindestens die dreifache Fläche der von den dort Ansässigen bewohnten und bebauten Lündereien zugewiesen werden soll, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299786/127>, abgerufen am 23.07.2024.